Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Wegen der Krise auf den Kompost
Eine Gärtnerei in Bingen hat weiterhin geöffnet und steht vor einem Problem
BINGEN - „Das ist bald alles blühender Kompost“, sagt Gärtnermeister Reinhard Gihr und zeigt in ein Gewächshaus voller Blumen. Vergissmeinnicht, Stiefmütterchen, Narzissen, Gänseblümchen und ein paar Hyazinthen – ein Meer aus Pflanzen, das momentan keine Abnehmer findet.
Gihr betreibt zusammen mit seiner Frau Regina Gfrörer-Gihr einen Blumenladen und eine Gärtnerei in Bingen. Während der Blumenladen wegen der Coronakrise geschlossen bleiben muss, darf die Gärtnerei weiterhin geöffnet bleiben. Insgesamt arbeiten bei dem Familienunternehmen sechs Personen, zwei davon bauen gerade Überstunden ab und haben Urlaub, erklärt Gihr und sagt: „Über kurz oder lang läuft es wahrscheinlich auch bei uns auf Kurzarbeit raus“.
„Normalerweise floriert das Geschäft um diese Zeit. Die Leute kaufen Blumen und Stecklinge. Aber jetzt kommt gerade mal ein Dutzend Leute am Tag vorbei“, so der Gärtnermeister, der sagt: „Aber auch wir arbeiten mit verderblicher Ware“. Bis Ende der ersten Aprilwoche müsse er deshalb die Blumen in einem Gewächshaus loswerden, da er den Platz für Folgekulturen benötige. Da kaum Kundschaft käme und das Wetter momentan nicht mitspiele, bliebe am Ende wohl nur der Weg auf den Kompost. „Das ist natürlich sehr ärgerlich. Darin steckt die Arbeit eines halben Jahres“, erklärt Gihr. Ungefähr, so schätzt er, handele es sich dabei um rund 10 000 Pflanzen. Verkaufspreis pro Stück: 80 Cent.
Aber nicht nur die Kunden blieben aus, so Gihr. Da Beerdigungen momentan in anderem Rahmen stattfinden, falle dort das Geschäft der Floristen weg, und auch auf den Friedhöfen würde weniger gepflanzt. Dennoch bereite er sich mit seiner Mannschaft auf die Sommer-Saison vor, erklärt der Gärtnermeister: „Wir können ja nicht warten, deshalb ziehen wir schon Gemüse vor. Darunter unter anderem Sellerie, Lauch und auch Tomaten. Natürlich in der Hoffnung, dass der ganze Spuk irgendwann vorbei ist“. Wenn er das nicht wäre, dann „würde es irgendwann eine enge Kiste werden“.
Während es beim Absatz der Blühpflanzen düster aussehe, bemerke Gihr jedoch an andere Stelle einen Anstieg: Bei Steckzwiebeln und dem Saatgut von Bohnen und Erbsen. „Ob das Hamsterkäufe sind, weiß ich nicht. Vielleicht wird da auch für die Nachbarn oder die Familie mit gekauft. Eigentlich sollte jedem ja auch ein Netzchen Steckzwiebeln reichen, sonst muss man ja den ganzen Herbst und Winter über Zwiebeln essen“, erzählt der Gärtnermeister lächelnd.
„Wir hoffen jetzt auf die nächste Woche und darauf, dass die Temperaturen wieder steigen“, sagt Gihr. Damit käme eventuell wieder die Lust der Kunden, es „sich Zuhause schön zu machen“. Vielleicht im Garten, vor dem Haus oder auf dem Balkon – mit einem Meer aus Blumen.