Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Bosch entwickelt Corona-Schnelltest
Andreas Schell, Chef des Motorenbauers Rolls-Royce Power Systems, wurde positiv auf das Coronavirus getestet – Im Interview berichtet er, wie man einen Milliardenkonzern aus der häuslichen Quarantäne heraus führt
STUTTGART (lsw) - Der Stuttgarter Technologiekonzern Bosch hat nach eigenen Angaben einen Coronavirus-Schnelltest für Krankenhäuser und Arztpraxen entwickelt. Das Verfahren zum Nachweis von Virenerbgut soll von der Entnahme der Probe bis zum Ergebnis weniger als zweieinhalb Stunden brauchen, wie Bosch am Donnerstag mitteilte. Der Test auf Sars-CoV-2 habe eine „Genauigkeit von über 95 Prozent“und erfülle die Standards der Weltgesundheitsorganisation.
FRIEDRICHSHAFEN - Als Vorstandschef eines Unternehmens mit mehr als 10 000 Mitarbeitern ist man in der Regel mit vielen Menschen in Kontakt und schüttelt viele Hände. So ein Chef ist Andreas Schell. Er leitet den Konzern Rolls-Royce Power Systems (RRPS) mit Sitz in Friedrichshafen am Bodensee, der Dieselmotoren beispielsweise für Züge, Schiffe oder Panzer herstellt. Vor rund zwei Wochen wurde bei Schell das Coronavirus festgestellt. Jetzt erklärt er im Interview mit Martin Hennings, wie es ihm in der Quarantäne erging, warum er so offen mit der Erkrankung umgeht und welche wirtschaftlichen Folgen die Pandemie für seinen Konzern hat.
Herr Schell, zunächst die wichtigste Frage: Wie geht es Ihnen?
Danke, sehr gut. Ich war während der ganzen Zeit der häuslichen Quarantäne körperlich fit. Nur mental hatte ich ein paar Tiefen, weil ich das Haus nicht verlassen durfte. Das war doch sehr ungewohnt. Symptome habe ich die ganze Zeit nicht wahrgenommen. Das Ergebnis ist im Rahmen einer prophylaktischen Untersuchung herausgekommen, die vorgenommen wurde, weil ich mit so vielen Menschen in Kontakt bin. Zum Glück, denn so wurde verhindert, dass ich mehr Personen anstecke. Ich freue mich, dass wir – unter Berücksichtigung der aktuellen Regeln – als Familie jetzt wieder raus dürfen.
Sie haben ein 10 000-MitarbeiterUnternehmen aus der häuslichen Quarantäne geführt. Funktioniert das? Worauf muss man in so einer Situation besonders achten?
Das funktioniert viel besser als man denkt. Im Management Team sind wir es gewohnt, zeit- und ortsunabhängig zu arbeiten und trotzdem voranzukommen. Die Technik hilft dabei sehr. Mit einem Smartphone und einer Internetverbindung kommt man in meinem Job an einem normalen Arbeitstag sehr weit. Wenn man auf das Face-to-Face-Gespräch verzichten muss, ist es umso wichtiger, auf sein Gegenüber zu achten. In welcher emotionalen Situation befindet er oder sie sich – gerade in diesen herausfordernden Tagen. Bei den virtuellen Meetings fehlt eben die Rückmeldung über die Körpersprache.
Wie haben Sie reagiert, als Sie vom positiven Befund erfahren haben – emotional und dann auch organisatorisch?
Ich bin fest von einem negativen Resultat ausgegangen und war entsprechend überrascht. Natürlich macht einem das Ergebnis erst einmal zu schaffen. Dabei ging es weniger um mich selbst. Ich war im Kopf sofort dabei, meine Kontakte der letzten Tage durchzugehen. Und natürlich ist da auch die Sorge, ob man seine Familie angesteckt hat. Organisatorisch war einiges vorzubereiten, wir halten normalerweise keine Lebensmittel 14 Tage auf Vorrat. Hier möchte ich mich für die vielen Hilfsdienste ausdrücklich bedanken. Aber auch die Grüße und kleinen Aufmerksamkeiten, die wir erhalten haben, waren schöne Aufmunterungen. Medizinisch war ich dank unseres werksärztlichen Dienstes bestens betreut. Die Kollegen leisten seit Wochen für alle Mitarbeiter Außergewöhnliches. Das geht von der Prävention bis hin zur Versorgung. Da sind wir bei Power Systems gegenüber Organisationen ohne Werksarzt sicher im Vorteil.
Welche Folgen hat die CoronaPandemie für RRPS?
Wirtschaftlich ist es noch zu früh, über die Folgen für unser Geschäft zu sprechen. Wir haben ein schwieriges erstes Halbjahr prognostiziert. Aber dass es so extrem werden würde, konnte keiner wissen. Sobald es ein bisschen mehr Planungssicherheit gibt, werden wir unser Budget noch einmal überarbeiten müssen. Intern sind wir in einer sehr dynamischen Phase. Unsere Prioritäten liegen klar im Schutz der Mitarbeiter und dann darin, weiter bestmöglich für unsere Kunden da zu sein. Unsere Mitarbeiter machen dabei einen super Job. Egal ob aus dem Homeoffice oder vor Ort in der Produktion. Jeder trägt seinen Teil bei und das unter erschwerten Bedingungen. Auf Führungsebene setzen wir täglich Entscheidungen um, für die wir im Normalfall häufig länger benötigen. Das geht, weil sich alle der außergewöhnlichen Situation bewusst sind und jeder mitzieht. Das gilt neben dem Management in unserem Krisenstab auch für den Betriebsrat, dem genauso an guten Lösungen im Sinne der Mitarbeiter und unseres Geschäfts gelegen ist.
Wie groß ist Ihrer Meinung nach die Gefahr, dass wir in eine weltweite und umfassende Rezession abrutschen?
Wir erleben gerade eine Situation, die historisch ihresgleichen sucht. Je nach Dauer wird sie deutliche Folgen haben. Es liegt an uns allen, klug damit umzugehen. Die Politik muss gut abwägen zwischen harten Regelungen und der Vermeidung eines wirtschaftlichen Shutdowns. Viele Branchen sind schon jetzt direkt betroffen, dort sollten Bund und Länder unbürokratisch handeln und Überbrückung anbieten. Auf Unternehmensseite müssen wir zusehen, unter erschwerten Umständen so gut wie möglich für unsere Kunden da zu sein. Und jeder einzelne Bürger kann beitragen, indem wir konsequent die Regeln des Social Distancings für eine gewisse Zeit berücksichtigen. Je konsequenter wir alle jetzt Verzicht üben, umso schneller werden wir uns auch wieder herausbewegen. In China sehen wir zum Beispiel, dass wieder erste Lockerungen nach der Phase harter Maßnahmen stattfinden.
Sie haben die Infektion innerhalb Ihres Unternehmens sehr offen kommuniziert. Warum? Und wie haben die Mitarbeiter reagiert?
Transparenz ist ein Wert, der mir sehr wichtig ist und der mit mir anfangen muss. Für meine Entscheidung habe ich ausschließlich positives Feedback erhalten. Die vielen Zuschriften der letzten Tage haben mir sehr geholfen, ich bin sehr dankbar dafür.
Wie gehen Sie mit Spekulationen zu Gründen Ihrer Infektion um?
Spekulationen sind an dieser Stelle weder hilfreich noch angebracht. Das gilt für mich wie für alle anderen vom Coronavirus betroffenen Menschen. Ich kenne niemanden, der sich freiwillig infiziert hat. Man sucht sich das ja nicht aus. Alle Aspekte meines Lebens habe ich im Rahmen des Tests hinreichend mit dem Gesundheitsamt erörtert. Das geschieht dort im Rahmen der gebotenen medizinischen Vertraulichkeit, die uneingeschränkt für uns alle gilt. Wir sollten uns als Gesellschaft hier einen anderen Stil angewöhnen.
Wie sollte die Gesellschaft, wie sollten Kollegen und Nachbarn in so einem Fall reagieren?
In meinem Video an unsere Mitarbeiter habe ich auch sie darum gebeten, keine Gerüchte zu schüren und Vorverurteilungen zu vermeiden. Man hat schon selbst genug damit zu tun zu überlegen, wen man angesteckt haben könnte. Gleichzeitig habe ich in den letzten Tagen so viel Zuspruch und Unterstützung erfahren. Ich sehe eine gute Chance, dass die Situation uns dazu bringt, in Zukunft wieder bewusster miteinander umzugehen.