Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
„Jetzt müssen wir mutig und erfinderisch sein“
Liveübertragung aus dem Rathaus: Jugendforscher Simon Schnetzer spricht über Änderungen, die die Krise bringt
MENGEN - Die Premiere ist gelungen: Am Mittwochabend hat es zum ersten Mal eine Liveübertragung aus dem Mengener Rathaus gegeben. Weil die Stadt Mengen den Unternehmerdialog nicht komplett absagen wollte, konnten Interessierte den Vortrag des Referenten Simon Schnetzer bei einem Livestream auf dem Youtube-Kanal der Stadt verfolgen. Davon machten etwa im Schnitt 80 Menschen gleichzeitig Gebrauch und bekamen vom Jugendforscher aus dem Allgäu nicht nur Einblicke in Werte und Einstellungen der Generationen Y und Z, sondern auch Denkanstöße, wie die Corona-Krise die Arbeits- und Lebenswelt von Unternehmen und Privatpersonen möglicherweise verändern wird.
Um die Übertragung überhaupt möglich zu machen, hatte ein Team der Stadtverwaltung unter Leitung des IT-Verantwortlichen Frank Seeger im Sitzungssaal des Rathauses eine Art Fernsehstudio eingerichtet. Das Equipment dazu gehört der Stadt, technische Unterstützung gab Dominik Schauer von der Firma wsit aus Sigmaringen. Zwei Tage lang wurden Positionen von Mikrofonen und Kameras getestet und Probeläufe unternommen. Natürlich, so betonte es Bürgermeister Stefan Bubeck am Abend, unter Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln. Was die Zuschauer dann nicht sahen, als sie um 19 Uhr den Youtube-Kanal der Stadt aufriefen und der Livestream begann, waren die Mitarbeiter, die sich im Saal hinter der Kamera befanden. Wirtschaftsförderer Manuel Kern etwa, mit Mundschutz, Handschuhen und Kamera ausgestattet, oder Pressesprecherin Kerstin Keppler, die die Social-Media-Kanäle der Stadt fütterte.
Simon Schnetzer hatte seinen Vortrag auf die aktuelle Situation angepasst. „Ich kann ihn jetzt nicht so halten wie immer“, sagte er. „Denn es wird sich durch Corona viel verändern.“Er selbst spüre das wie andere Selbständige oder Unternehmer am eigenen Leib. „Umsatzeinbruch ist das Stichwort.“Mutig und erfinderisch müsste man solchen Situationen begegnen - und vor allem Ruhe bewahren. „Das ist natürlich leicht gesagt, werden viele Unternehmer denken, deren Existenz bedroht ist“, gab
Schnetzer auch zu. Gerade aber diese Liveübertragung anstelle einer kompletten Absage, sei ein neuer Weg, mit der das Ziel zumindest in Teilen auch erreicht werde. „Davon brauchen wir insgesamt mehr“, sagte er.
Er gehe auch davon aus, dass sich durch die Einschränkungen und Erfahrungen der aktuellen Krise, die Einstellungen und Prioritäten verändern werden. Die Angehörigen der Generation Y (nach 1980 geboren) und Z (nach 1995 geboren) hätten sich seiner Meinung nach bisher gern unverbindlich gegeben, viel Wert auf Freizeit gelegt und ihre Vorstellungen mit viel Selbstbewusstsein eingefordert. Das sei für ihre Arbeitgeber, die meist einer älteren Generation mit anderen Werten angehören, oft eine große Herausforderung, da es gelte, Schnupperangebote zu machen, direktes Feedback zu geben und generell flexibler zu sein. „Je nachdem, wie einschneidend die Erfahrungen in der Krise jetzt sind, kann es sein, dass sich die jüngeren Menschen auf Faktoren wie Sicherheit oder Zusammenhaltsgefühl besinnen“, so Schnetzer.
Nicht nur in der Mitarbeiterführung, auch für eine gewollte oder durch die Krise notwendige Neuausrichtung
eines Unternehmens sei es wichtig, neue Ideen im kleinen, weniger risikoreichen Rahmen, zu erproben und Mitarbeiter zu beteiligen. In einer Fragerunde, die über die Chatfunktion des Livestreams erfolgte, gab der Jugendforscher den Zuschauern einige Anregungen mit auf den Weg, wie junge Bewerber für das eigene Unternehmen begeistert werden können. „Ich glaube nicht, dass wir junge Menschen davon abhalten sollten, den ländlichen Raum zu verlassen“, sagt er auf die Frage von Bernhard Kräußlich, Wirtschaftsförderer des Landkreises, wie man der Landflucht begegnen könne. „Vielmehr sollten wir zeigen, dass auch hier neue und coole Ideen umgesetzt werden können und die jungen Menschen nach dem Studium oder einer Zeit in der Großstadt als Gründer zurückkehren können.“Dazu könnten Alumnitreffen oder Heimkehrer-Stammtische genauso beitragen wie Gründerseminare in Schulen.