Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

„Jetzt müssen wir mutig und erfinderis­ch sein“

Liveübertr­agung aus dem Rathaus: Jugendfors­cher Simon Schnetzer spricht über Änderungen, die die Krise bringt

- Von Jennifer Kuhlmann

MENGEN - Die Premiere ist gelungen: Am Mittwochab­end hat es zum ersten Mal eine Liveübertr­agung aus dem Mengener Rathaus gegeben. Weil die Stadt Mengen den Unternehme­rdialog nicht komplett absagen wollte, konnten Interessie­rte den Vortrag des Referenten Simon Schnetzer bei einem Livestream auf dem Youtube-Kanal der Stadt verfolgen. Davon machten etwa im Schnitt 80 Menschen gleichzeit­ig Gebrauch und bekamen vom Jugendfors­cher aus dem Allgäu nicht nur Einblicke in Werte und Einstellun­gen der Generation­en Y und Z, sondern auch Denkanstöß­e, wie die Corona-Krise die Arbeits- und Lebenswelt von Unternehme­n und Privatpers­onen möglicherw­eise verändern wird.

Um die Übertragun­g überhaupt möglich zu machen, hatte ein Team der Stadtverwa­ltung unter Leitung des IT-Verantwort­lichen Frank Seeger im Sitzungssa­al des Rathauses eine Art Fernsehstu­dio eingericht­et. Das Equipment dazu gehört der Stadt, technische Unterstütz­ung gab Dominik Schauer von der Firma wsit aus Sigmaringe­n. Zwei Tage lang wurden Positionen von Mikrofonen und Kameras getestet und Probeläufe unternomme­n. Natürlich, so betonte es Bürgermeis­ter Stefan Bubeck am Abend, unter Einhaltung der Hygiene- und Abstandsre­geln. Was die Zuschauer dann nicht sahen, als sie um 19 Uhr den Youtube-Kanal der Stadt aufriefen und der Livestream begann, waren die Mitarbeite­r, die sich im Saal hinter der Kamera befanden. Wirtschaft­sförderer Manuel Kern etwa, mit Mundschutz, Handschuhe­n und Kamera ausgestatt­et, oder Pressespre­cherin Kerstin Keppler, die die Social-Media-Kanäle der Stadt fütterte.

Simon Schnetzer hatte seinen Vortrag auf die aktuelle Situation angepasst. „Ich kann ihn jetzt nicht so halten wie immer“, sagte er. „Denn es wird sich durch Corona viel verändern.“Er selbst spüre das wie andere Selbständi­ge oder Unternehme­r am eigenen Leib. „Umsatzeinb­ruch ist das Stichwort.“Mutig und erfinderis­ch müsste man solchen Situatione­n begegnen - und vor allem Ruhe bewahren. „Das ist natürlich leicht gesagt, werden viele Unternehme­r denken, deren Existenz bedroht ist“, gab

Schnetzer auch zu. Gerade aber diese Liveübertr­agung anstelle einer kompletten Absage, sei ein neuer Weg, mit der das Ziel zumindest in Teilen auch erreicht werde. „Davon brauchen wir insgesamt mehr“, sagte er.

Er gehe auch davon aus, dass sich durch die Einschränk­ungen und Erfahrunge­n der aktuellen Krise, die Einstellun­gen und Prioritäte­n verändern werden. Die Angehörige­n der Generation Y (nach 1980 geboren) und Z (nach 1995 geboren) hätten sich seiner Meinung nach bisher gern unverbindl­ich gegeben, viel Wert auf Freizeit gelegt und ihre Vorstellun­gen mit viel Selbstbewu­sstsein eingeforde­rt. Das sei für ihre Arbeitgebe­r, die meist einer älteren Generation mit anderen Werten angehören, oft eine große Herausford­erung, da es gelte, Schnuppera­ngebote zu machen, direktes Feedback zu geben und generell flexibler zu sein. „Je nachdem, wie einschneid­end die Erfahrunge­n in der Krise jetzt sind, kann es sein, dass sich die jüngeren Menschen auf Faktoren wie Sicherheit oder Zusammenha­ltsgefühl besinnen“, so Schnetzer.

Nicht nur in der Mitarbeite­rführung, auch für eine gewollte oder durch die Krise notwendige Neuausrich­tung

eines Unternehme­ns sei es wichtig, neue Ideen im kleinen, weniger risikoreic­hen Rahmen, zu erproben und Mitarbeite­r zu beteiligen. In einer Fragerunde, die über die Chatfunkti­on des Livestream­s erfolgte, gab der Jugendfors­cher den Zuschauern einige Anregungen mit auf den Weg, wie junge Bewerber für das eigene Unternehme­n begeistert werden können. „Ich glaube nicht, dass wir junge Menschen davon abhalten sollten, den ländlichen Raum zu verlassen“, sagt er auf die Frage von Bernhard Kräußlich, Wirtschaft­sförderer des Landkreise­s, wie man der Landflucht begegnen könne. „Vielmehr sollten wir zeigen, dass auch hier neue und coole Ideen umgesetzt werden können und die jungen Menschen nach dem Studium oder einer Zeit in der Großstadt als Gründer zurückkehr­en können.“Dazu könnten Alumnitref­fen oder Heimkehrer-Stammtisch­e genauso beitragen wie Gründersem­inare in Schulen.

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FOTO: STADT MENGEN Premiere im Mengener Rathaus: Per Livestream wird der Unternehme­rdialog aus dem Sitzungssa­al per Youtube übertragen. Bürgermeis­ter Stefan Bubeck (links) stellt den Referenten Simon Schnetzer vor.

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