Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Seehofer wirbt für mehr Tests
Innenminister möchte Coronavirus-Ausbreitung mit harten Maßnahmen eindämmen
BERLIN/STUTTGART/MÜNCHEN (dpa/ tja/KNA) - In der Diskussion über notwendige Maßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise wird der Ruf nach mehr Tests immer lauter. So hat auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) Wissenschaftler untersuchen lassen, wie bestimmte staatliche Maßnahmen das Tempo der Ausbreitung des Coronavirus in Deutschland beeinflussen würden. In dem vertraulichen Arbeitspapier wird unter anderem vorgeschlagen, nach dem Vorbild Südkoreas mit massiv ausgeweiteten Tests und dem Einsatz von HandyOrtung eine stärkere Trennung von Menschen, die bereits infiziert wurden, und solchen, die sich noch nicht angesteckt haben, zu erreichen. Außerdem
wirbt das Innenministerium als Konsequenz aus den Überlegungen für noch strengere Einreisebeschränkungen und -vorschriften. Mit den Vorschlägen konnte sich Seehofer im Corona-Krisenkabinett allerdings bisher nicht durchsetzen.
Laut „Spiegel“, NDR, WDR und „Süddeutscher Zeitung“spielen die Experten in dem Papier mit dem Titel „Wie wir Covid-19 unter Kontrolle bekommen“ein Szenario durch, in dem vom 6. April an 50 000 Tests pro Tag möglich sind, vom 13. April an 100 000 und Ende April dann 200 000. Die bisherige Methode nach dem Motto „Wir testen, um die Lage zu bestätigen“müsse abgelöst werden durch den Ansatz „Wir testen, um vor die Lage zu kommen“.
Die Wissenschaftler gehen den Berichten zufolge im positivsten Szenario davon aus, dass sich in Deutschland rund eine Million Menschen infiziert und etwa 12 000 sterben würden. Das strenge Vorgehen müsste zwei Monate durchgehalten werden. Seehofer sagte, er sei „entschiedener Anhänger der Suppression“, also von strikten Maßnahmen. Dieser Weg sei deutlich teurer, „aber er rettet am meisten Leben“.
Auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) warnte am Freitag davor, verfrüht über ein Ende der Einschränkungen zu reden. „Es wird noch mindestens acht bis zehn Tage dauern, bis wir seriös darüber diskutieren können.“Er forderte die Bürger
auf, weiter diszipliniert zu sein. Auch das Gesundheitssystem werde „auf eine harte Probe gestellt“. Er sagte: „Immer mehr Menschen werden erkranken – auch junge.“
Mit dem Problem einer denkbaren Überlastung beschäftigte sich auf Anfrage von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auch der Ethikrat. Die Experten forderten die Sicherung der Leistungsfähigkeit. Der Orientierungspunkt bei der Behandlung von Corona-Patienten sollte dabei in der Vermeidung sogenannter Triage-Situationen liegen. Dabei muss der Arzt wegen fehlender intensivmedizinischer Mittel darüber entscheiden, wen er noch behandelt und wen er womöglich sterben lässt. LEITARTIKEL, SEITE 4
BERLIN (dpa) - Zur Unterstützung von Ländern und Kommunen setzt die Bundeswehr in der CoronaKrise 15 000 Soldaten ein. Volle Einsatzbereitschaft solle in der kommenden Woche hergestellt sein, sagte Generalleutnant Martin Schelleis, der den Unterstützungseinsatz koordiniert und führt, am Freitag in einer telefonischen Pressekonferenz. Es werde vier regionale Führungsstäbe geben. Auf eventuelle Lageverschärfungen sei das Militär vorbereitet. Bis Freitagmorgen seien 200 Anträge auf Amtshilfe eingegangen, ein Plus von 15 Prozent gegenüber dem Vortag.