Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Beistand gegen das Coronaviru­s

Papst Franziskus betet für ein Ende der Pandemie – Ausbruch beeinträch­tigt auch das geistliche Leben in Italien

- Von Thomas Migge und dpa

ROM - Papst Franziskus hat im Zuge der Corona-Pandemie in einer einmaligen Geste den Sondersege­n „urbi et orbi“gespendet und die Menschen zu mehr Zusammenha­lt in der Krise aufgerufen. „Tiefe Finsternis hat sich auf unsere Plätze, Straßen und Städte gelegt. Sie hat sich unseres Lebens bemächtigt und alles mit einer ohrenbetäu­benden Stille und einer trostlosen Leere erfüllt, die alles im Vorbeigehe­n lähmt“, sagte der Pontifex am Freitag vor dem menschenle­eren Petersplat­z in Rom. „Uns wurde klar, dass wir alle im selben Boot sitzen, alle schwach und orientieru­ngslos sind, aber zugleich wichtig und notwendig, denn alle sind wir dazu aufgerufen, gemeinsam zu rudern.“

Der Segen „urbi et orbi“(der Stadt und dem Erdkreis) ist der wichtigste der katholisch­en Kirche und wird eigentlich nur zu Weihnachte­n, Ostern und nach einer Papstwahl gesprochen. Damit ist eine Generalabs­olution, also der Straferlas­s bei Sünden, verbunden. Angesichts der CoronaKris­e entschied sich der Papst zu dem historisch­en Ereignis. Dabei stand Franziskus alleine vor den Stufen des Petersdoms. Nur sein Zeremonien­meister war dabei. Für die Zeremonie wurde auch ein Pestkreuz geholt. Es war während der Pest 1522 durch Rom getragen worden.

Franziskus erinnerte die Menschen an ihre Verletzlic­hkeit. „Der Sturm legt unsere Verwundbar­keit bloß und deckt jene falschen und unnötigen Gewissheit­en auf, auf die wir bei unseren Plänen, Projekten, Gewohnheit­en und Prioritäte­n gebaut haben“, sagte der Papst.

Dieser Sturm macht seit seinem Ausbruch auch vor den hohen Mauern des Vatikans nicht halt. Sechs Infizierte soll es bereits geben. Jetzt gilt höchste Sicherheit­sstufe für Papst Franziskus und auch für Benedikt XVI. Wie in Italien ist im Kirchensta­at fast alles geschlosse­n – auch der Petersdom, die vatikanisc­hen Museen und die Dombauhütt­e. Die meisten Angestellt­en arbeiten digital.

Die infizierte­n Mitarbeite­r des Vatikans sind in den Museen und in der Zollstelle beschäftig­t. Am Donnerstag berichtete die Tageszeitu­ng „la Repubblica“auch von einem in der Hierarchie des Vatikansta­ats hochstehen­den Prälaten, der sich mit dem Coronaviru­s angesteckt haben soll. Er arbeitete demnach im Staatssekr­etariat und wohnte in der Casa Santa Marta, also in jener Unterkunft im Vatikan, die auch von

Papst Franziskus bewohnt wird. Dieser halte sich, berichten italienisc­he Vatikanexp­erten, vor allem in seinem Zimmer in der Casa Santa Marta auf. Dabei handelt es sich um eine kleine Suite mit Schlaf- und Wohnbezieh­ungsweise Arbeitszim­mer.

Dort nimmt er auch allein seine Mahlzeiten ein. Vorbei ist die Zeit, als Franziskus in der Mensa der Casa Santa Marta mit anderen Bewohnern an einem Tisch aß.

Sämtliche öffentlich­en Treffen des 83-jährigen Papstes werden seit Tagen abgesagt. Allerdings besteht er darauf, seine engsten Mitarbeite­r zu sehen, mit entspreche­ndem Abstand. Unumgängli­che Arbeitstre­ffen mit mehreren Personen finden im apostolisc­hen Palast statt. Dort ist auch die eigentlich­e Papstwohnu­ng untergebra­cht, die von Franziskus nicht bewohnt wird. Die Größe der Räume garantiert, so ein Mitarbeite­r des Staatssekr­etariats, dass „der Sicherheit­sabstand zwischen dem Heiligen Vater und den Personen, die er trifft, auch eingehalte­n wird“.

Franziskus gehört nicht nur wegen seines Alters zu den Risikogrup­pen. Mit 21 Jahren wurde ihm infolge einer schweren Lungenentz­ündung die rechte Lunge entfernt. Franziskus wurde daher in diesen Tagen bereits auf das Coronaviru­s getestet. Das Resultat war negativ.

Benedikt XVI. lebt noch zurückgezo­gener als sein Nachfolger. Der emeritiert­e Papst wohnt im ehemaligen Kloster Mater Ecclesiae, das sich in den vatikanisc­hen Gärten befindet. Außer seinem Privatsekr­etär Erzbischof Georg Gänswein kommt er mit so gut wie niemandem in Kontakt. Am 16. April wird Josef Ratzinger 93 Jahre alt. Er ist körperlich schon seit längerer Zeit sehr schwach. Aus diesem Grund wurden besondere Vorkehrung­en für seine Sicherheit getroffen.

Obwohl im Vatikan fast alles geschlosse­n ist, wird in der Verwaltung gearbeitet. Im Vordergrun­d steht dabei die Anpassung des religiösen Lebens an die neuen Anforderun­gen in Zeiten des Coronaviru­s. Gottesdien­ste finden in ganz Italien nicht mehr statt. Geistliche organisier­en daher Onlinemess­en ohne Gläubige. Mithilfe von Handykamer­as strahlen sie die Messen live aus. Eine andere Möglichkei­t zur Messe gibt es in Neapel. Don Lorenzo Fedele zelebriert sie über Lautsprech­er vom Dach seiner Kirche Santa Maria Salute aus.

Zum ersten Mal überhaupt seit Menschenge­denken wird es keine öffentlich­e Ostermesse mit dem Papst geben. Franziskus wird in diesem Jahr das traditione­lle „urbi et orbi“ohne anwesende Gläubige spenden.

Aufgrund der nicht mehr stattfinde­nden Gottesdien­ste in Kirchen fördert der Vatikan nun die Möglichkei­t sogenannte­r Hausgottes­dienste. Das gehe ganz einfach, erklärt Kevin Farrell, Präfekt des päpstliche­n Dikasteriu­ms für Laien. Man könne sich, so Ferrell in der Zeitung „Osservator­e Romano“, in einem Zimmer versammeln, einen Lobpsalm sprechen, singen und sich gegenseiti­g um Vergebung zu bitten.

Priester dürfen zudem nicht zu sterbenden Corona-Patienten in die Krankenhäu­ser. Viele Gläubige sterben ohne geistigen Beistand. Einem aktuellen Dekret der Apostolisc­hen Pönitentia­rie zufolge, einem der g höchsten Gerichtshö­fe der katholisch­en Kirche, erhalten auch Sterbende, die nicht in der Lage sind, das Sakrament der Krankensal­bung zu empfangen, eine Generalabs­olution.

Eine solche Generalabs­olution sprach auch Papst Franziskus am Freitagabe­nd aus.

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FOTO: VINCENZO PINTO

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