Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Fragwürdige Meldepflicht
Zu „Streit um Meldepflicht für Borreliose“(5.3.):
Seit Jahren beschäftige ich mich mit der Diagnostik und Therapie der Borreliose. Die Mehrheit der Borreliosefälle wird durch den Biss von nicht ausgewachsenen Borrelien (Nymphen/Larven) verursacht, die nur wenige Millimeter groß sind und deshalb meist übersehen werden. Nur in 60 bis 80 Prozent der Borreliosefälle tritt die typische Wanderröte (Erythrema migrans) auf, 20 bis 40 Prozent der Erkrankungen werden erst, falls überhaupt, in einem späteren Erkrankungsstadium erkannt.
Ich habe Dutzende von Fällen betreut, wo ein Zeckenbiss verneint wurde, also auch keine Wanderröte beobachtet wurde, aber trotzdem eine chronifizierte Borreliose vorlag. Dies waren oft jüngere Patienten, welche über unerklärliche neurologische Ausfälle, Rheumaerkrankungen ohne typische Laborwerte, Fibromyalgie, chronische Müdigkeit und vieles mehr klagten.
Eine Meldepflicht für Borreliosefälle wäre somit an das Auftreten der Wanderröte gekoppelt. Da diese aber nicht immer auftritt, ist deren medizinischer Wert höchst fraglich. Vielmehr sollte bei einer Borreliosepräsenz von 30 bis 35 Prozent in oberschwäbischen Zecken vonseiten der Ärzteschaft, hier besonders von Neurologen, Rheumatologen und Orthopäden, vermehrt an die Möglichkeit einer chronifizierten Borreliose gedacht werden.
Wolfgang Christ,
Ochsenhausen