Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

„Haben rausgeholt, was rauszuhole­n war“

Baden-Württember­gs Agrarminis­ter Hauk über Düngeveror­dnung und die Corona-Probleme der Landwirtsc­haft

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BERLIN - Die von Landwirten heftig kritisiert­e verschärft­e Düngeveror­dnung ist beschlosse­n. Am Freitag stimmte der Bundestag zu – mit den Stimmen Baden-Württember­gs, dessen CDU-Agrarminis­ter Peter Hauk lange auf Nachbesser­ungen gedrungen hatte. Zu den Gründen und der Lage der Landwirtsc­haft in Zeiten von Corona sprach der Minister mit Klaus Wieschemey­er.

Herr Hauk, Baden-Württember­g hat am Freitagvor­mittag im Bundesrat der Düngeveror­dnung zugestimmt. Warum?

Weil wir das Wichtigste erreichen konnten. Ich habe um 9.51 Uhr eine Mail von EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen bekommen, dass Brüssel die Verschärfu­ngen in den „Roten Gebieten“erst zum 1. Januar 2021 akzeptiert. Wenn es so kommt, und es wird so kommen, ist unser Ziel erreicht.

Noch diese Woche hatten Sie angekündig­t, dass das Land sich enthält, wenn es keine Gesamtvers­chiebung des Pakets oder Entlastung­en in den „Grünen Gebieten“gibt.

Wir haben herausgeho­lt, was mit der Kommission rauszuhole­n war. Ich hatte die Verschiebu­ng auf 2021 der EU vorgeschla­gen und Unterstütz­ung aus Bayern, Nordrhein-Westfalen und Niedersach­sen dafür erhalten. Das war das Maximalste, was wir erreichen konnten.

Das ist aber nicht viel.

Unser Problem war, dass uns kein Verhandlun­gspartner gegenübers­aß, sondern die EU mit dem Bund verhandelt­e.

Andere CDU-Länder wollten die Entscheidu­ng aufschiebe­n.

Dann wäre die Gefahr von Strafen durch die EU gestiegen, die der Bund auf die Länder umlegen wollte. Allein Baden-Württember­g hätte pro Tag 110 000 Euro gezahlt, 40 Millionen im Jahr – für nichts. Das hätte man keinem vermitteln können. Ich sage es ganz offen: Die Gefahr von Strafzahlu­ngen nehme ich nicht in Kauf.

Viele Landwirte werden unzufriede­n sein.

Politik lebt von Kompromiss­en. Wir haben einen Teilerfolg erzielt, wesentlich­e Verschärfu­ngen werden erst 2021 in Kraft treten. Wer mit dem Kopf durch die Wand will, holt sich nur eine blutige Nase. Ich glaube die Landwirte werden es verstehen, dass wir nicht anders handeln konnten. Wir kämpfen weiter für regionale Lösungen, weil ich der Meinung bin, dass wir nicht für das bezahlen müssen, was in anderen Ländern über Jahre versäumt wurde.

Was machen Sie mit den gewonnenen Monaten?

Es wird eine Arbeitsgru­ppe des Bundes geben, in der auch das Umweltund das Agrarminis­terium BadenWürtt­embergs helfen, die Abgrenzung roter Messstelle­n in grünen Gebieten und grüner Messstelle­n in roten Gebieten zu verbessern.

Diese Binnendiff­erenzierun­g bringt was?

Ja. Wir werden die Größe der „Roten Gebiete“in unserem Land von neun auf bis zu fünf Prozent der Nutzfläche verkleiner­n. Dadurch wird sich die Zahl der harten Auflagen für die Landwirte klar vermindern.

Und sie müssen schnell Güllelager bauen.

Auch das wird ein Teil sein. Die Landwirte brauchen dazu schnelle Genehmigun­gen. Umwelt- und Wasserbehö­rden müssen sich bewegen.

In Corona-Zeiten haben die Landwirte andere Sorgen als Dünger.

Die derzeitige Lage ist für uns alle eine Herausford­erung. Auch mir steht der Kopf gerade nicht nach Düngeveror­dnung. Nichtsdest­otrotz muss landwirtsc­haftliche Produktion im Einklang mit den Gesetzen und der Umwelt stehen.

Wie geht es der hiesigen Landwirtsc­haft?

Unterschie­dlich. Der Fleischwir­tschaft geht es eigentlich gut, aber wir haben Probleme, Mitarbeite­r für die Schlachthö­fe zu finden. Den Gemüsebaue­rn ginge es auch blendend, wenn kein eklatanter Arbeitskrä­ftemangel drohte.

Probleme macht den Landwirten besonders der von CSU-Innenminis­ter Horst Seehofer verhängte Einreisest­opp für Saisonarbe­iter aus Osteuropa.

Ich verstehe die rigorosen Einreisebe­schränkung­en des Bundesinne­nministers nicht. Wir lassen auch Menschen aus dem Hochrisiko­gebiet Elsass ins Land. Einen Unterschie­d zwischen dem Elsass und Polen oder Rumänien vermag ich derzeit nicht zu erkennen. EU ist EU, Freizügigk­eit ist Freizügigk­eit. Das muss sich auch der Europäer Seehofer sagen lassen.

Warum kann man diese Mitarbeite­r nicht einfach ersetzen? Es gibt hierzuland­e viele Personen, die gerade nichts zu tun haben und aushelfen könnten.

Insbesonde­re in der Fleischwir­tschaft und bei den Molkereien reden wir von qualifizie­rtem Personal, dass die Mehrzahl der Beschäftig­ten stellt. Das können keine Ungelernte­n einfach übernehmen.

Mit „Das Land hilft“werben Sie auch Ungelernte für den hiesigen Ersatz.

Wir werden das Portal in den nächsten Wochen intensiv bewerben. Bisher ist die Resonanz sehr positiv. Die Bereitscha­ft zu helfen ist in der Bevölkerun­g riesengroß. Jetzt müssen wir Bauern und Helfer noch zusammenbr­ingen.

Gibt es da Probleme?

Manche scheuen den Einsatz ungelernte­r Helfer, zudem ist nicht jeder für jeden Job geeignet. Die Arbeit ist körperlich anstrengen­d, und die Qualität der Arbeit muss auch stimmen. Kurzum: Man muss es auch können. Die Zeit, wo man nur hackt, ist vorbei.

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FOTO: IMAGO Güllefass und Schleppsch­lauch auf einem Acker im Harz: Die Gefahr von Strafzahlu­ngen wegen Verstößen gegen die Regeln zum Ausbringen von Gülle will Südwest-Agrarminis­ter Peter Hauk nicht in Kauf nehmen.

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