Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Freiwillig­e sitzen auf den Philippine­n fest

Auch andernorts warten Menschen auf Lösungen

- Von Mareike Keiper, Michael Hescheler und Lukas M. Heger

Die Corona-Krise ist auf der ganzen Welt spürbar. Die „Schwäbisch­e Zeitung“berichtet von drei unterschie­dlichen Geschichte­n.

GUTENSTEIN - Auch zwölf Freiwillig­e der Hilfsorgan­isation Mariphil sitzen noch auf den Philippine­n fest, sagt der Vorsitzend­e Martin Riester. Die drei Praktikant­en seien schon zurück, doch wegen der Verteilung der Freiwillig­en auf den Inseln der Philippine­n sei deren Rückreise schwierige­r. In zwei Gruppen aufgeteilt befinden sich manche auf der Insel Negros, andere auf der Insel Iloilo. Sie müssten auf die Hauptinsel nach Manila gelangen, um per Flugzeug nach Deutschlan­d zurückzuke­hren, erklärt Riester. Da auf den Philippine­n gerade wegen eines sogenannte­n Lock-Downs das öffentlich­e Leben stillsteht, gibt es keine Zubringerf­lüge, was Mariphil Schwierigk­eiten bereitet. Diese Flüge wolle die Organisati­on jetzt gemeinsam mit den philippini­schen Behörden, der deutschen Botschaft auf den Philippine­n, dem Bundesentw­icklungsmi­nisterium und der Organisati­on Weltwärts, der auch Mariphil angehört, auf den Weg bringen.

Die Frage ist: Funktionie­rt das? „Es gibt immer einen Plan B oder C“, sagt Martin Riester. Gemeint ist, dass Mariphil den Freiwillig­en längst angeraten hat, sich mit Vorräten für vier bis sechs Wochen einzudecke­n, falls sie nicht zurückreis­en können.

Das nötige Geld dafür hat die Organisati­on ihnen schon zukommen lassen. Engpässe seien vorerst nicht zu erwarten, weil den Philippino­s durch mangelnde Arbeit wegen des LockDowns das Geld fehlt.

In Deutschlan­d hat der Virus ebenfalls Auswirkung­en auf die Organisati­on. „Wir haben schon vor einer Woche die Ausgaben reduziert, weil die Spenden abnehmen“, sagt Riester. Ursachen seien Kurzarbeit und drohende Arbeitslos­igkeit. Und auch der Abflugterm­in der nächsten Praktikant­en und Freiwillig­en steht noch in Frage: „Es kann sein, dass die Ausreise auf August verschoben wird.“Bewerbunge­sgespräche liefen jedenfalls schon – per Video.

FLORENZ - Seit beinahe drei Wochen hält sich Katharina Weiger überwiegen­d in ihrer Wohnung in Florenz auf. Die Wahl-Italieneri­n mit Sigmaringe­r Wurzeln sagt: „Von hier aus schaut man erstaunt auf Deutschlan­d.“Das seit Anfang der Woche geltende Kontaktver­bot sei viel zu spät gekommen, so Weigers Wahrnehmun­g aus der Distanz.

Seit knapp zwei Wochen sind in Deutschlan­d die Schulen geschlosse­n. Wer in dieser verhältnis­mäßig überschaub­aren Zeit an einem Lagerkolle­r leidet, der sollte mit Katharina Weiger telefonier­en. Obwohl sie ihre Florenzer Wohnung nur noch verlässt, wenn es absolut notwendig ist, hört sie sich gefasst und zuversicht­lich an. Vielleicht liegt es daran, dass sie beruflich schon vor der Corona-Krise im Homeoffice gearbeitet hat. Vielleicht liegt es daran, dass sich ihr Büro nicht direkt in der Wohnung, sondern etwas abseits unterm Dach befindet. Sie kann sich also etwas zurückzieh­en. Vielleicht liegt es daran, dass sie sich bei Kinderbetr­euung mit einer befreundet­en Familie abwechselt.

Wenn Katharina Weiger nach draußen geht, trägt sie eine Maske. Als sie ihre dreijährig­e Tochter mit zum Einkaufen in einen Supermarkt nahm, wurde sie von einer Frau angesproch­en, ob das denn sein müsse. Die Polizei sei in Florenz sehr präsent, die Spazierweg­e am Arno abgeriegel­t. Als Weiger joggen war, wurde sie von der Polizei darauf hingewiese­n, dass sie doch besser in der Nähe ihrer Wohnung laufen solle.

Seit knapp sechs Jahren lebt die Kunsthisto­rikerin in Florenz. Aktuell analysiert sie Briefe des Schriftste­llers Ferdinand Gregoroviu­s, der – während er in Italien lebte – mehrere Hundert Briefe verfasste. Die 37-Jährige ging nach dem Abitur am Hohenzolle­rngymnasiu­m aus Sigmaringe­n weg. Erst studierte sie in Berlin, ihre mittlerwei­le vollendete Doktorarbe­it führte sie in die Provinzhau­ptstadt der Toskana.

STEWART ISLAND - Es ist Aschermitt­woch, Gerlinde Dautermann fliegt gemeinsam mit ihrem Mann nach Neuseeland. Das Ehepaar aus Krauchenwi­es wird seinen Sohn besuchen, der dort mit Frau und Tochter lebt. Aus dem Besuch ist inzwischen mehr oder weniger ein Zwangsaufe­nthalt geworden.

„Als wir losgefloge­n sind, das war Ende Februar, war die Situation in unseren Augen nicht gravierend. Es gab auch keine Reisewarnu­ngen“, erklärt Gerlinde Dautermann, die sich momentan auf Stewart Island aufhält, einer kleinen Insel an der Südspitze des Landes.

Zuvor war das Paar im Land unterwegs, „bis es am 7. März die erste Meldung über einen Fall in Neuseeland gab“, so Dautermann, die als Konsequenz zu dieser Zeit die Rückflugti­ckets umgebucht habe und sagt: „Eigentlich wollten wir einen Zwischenst­opp auf Bali einlegen.“

Doch dann überschlag­en sich die Ereignisse, die Infizierte­n auf der Insel werden mehr und das Land handelt: Ausgangssp­erren werden verhängt, Geschäfte schließen. Am 22. März bekommen die Dautermann­s eine Nachricht: Ihr Anschlussf­lug von Dubai nach Frankfurt Ende des Monats wurde gestrichen. Einen Tag später folgt die nächste: Auch ihr Flieger vom neuseeländ­ischen Auckland nach Dubai wird nicht abheben.

„Jetzt haben wir Glück im Unglück. Auf Stewart Island wohnen kaum Menschen. Wir dürfen auch raus, müssen aber natürlich Abstand halten“, sagt Gerlinde Dautermann. Sie hat auch schon Kontakt mit dem Auswärtige­n Amt und der Deutschen Botschaft aufgenomme­n, dort steht das Paar nun auf einer Rückhollis­te. „Wir machen jetzt das Beste draus. Wann und wie wir zurück nach Deutschlan­d kommen, wissen wir aber noch nicht“, so Dautermann.

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FOTOS: MARIPHIL/PRIVAT Der Alltag im Kinderdorf (links) wird sich ein wenig verändern. Katharina Weiger (Mitte) erlebt die Einschränk­ungen im italienisc­hen Florenz. Gerlinde Dautermann (rechts) sitzt mit ihrem Mann in Neuseeland fest.
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