Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Freiwillige sitzen auf den Philippinen fest
Auch andernorts warten Menschen auf Lösungen
Die Corona-Krise ist auf der ganzen Welt spürbar. Die „Schwäbische Zeitung“berichtet von drei unterschiedlichen Geschichten.
GUTENSTEIN - Auch zwölf Freiwillige der Hilfsorganisation Mariphil sitzen noch auf den Philippinen fest, sagt der Vorsitzende Martin Riester. Die drei Praktikanten seien schon zurück, doch wegen der Verteilung der Freiwilligen auf den Inseln der Philippinen sei deren Rückreise schwieriger. In zwei Gruppen aufgeteilt befinden sich manche auf der Insel Negros, andere auf der Insel Iloilo. Sie müssten auf die Hauptinsel nach Manila gelangen, um per Flugzeug nach Deutschland zurückzukehren, erklärt Riester. Da auf den Philippinen gerade wegen eines sogenannten Lock-Downs das öffentliche Leben stillsteht, gibt es keine Zubringerflüge, was Mariphil Schwierigkeiten bereitet. Diese Flüge wolle die Organisation jetzt gemeinsam mit den philippinischen Behörden, der deutschen Botschaft auf den Philippinen, dem Bundesentwicklungsministerium und der Organisation Weltwärts, der auch Mariphil angehört, auf den Weg bringen.
Die Frage ist: Funktioniert das? „Es gibt immer einen Plan B oder C“, sagt Martin Riester. Gemeint ist, dass Mariphil den Freiwilligen längst angeraten hat, sich mit Vorräten für vier bis sechs Wochen einzudecken, falls sie nicht zurückreisen können.
Das nötige Geld dafür hat die Organisation ihnen schon zukommen lassen. Engpässe seien vorerst nicht zu erwarten, weil den Philippinos durch mangelnde Arbeit wegen des LockDowns das Geld fehlt.
In Deutschland hat der Virus ebenfalls Auswirkungen auf die Organisation. „Wir haben schon vor einer Woche die Ausgaben reduziert, weil die Spenden abnehmen“, sagt Riester. Ursachen seien Kurzarbeit und drohende Arbeitslosigkeit. Und auch der Abflugtermin der nächsten Praktikanten und Freiwilligen steht noch in Frage: „Es kann sein, dass die Ausreise auf August verschoben wird.“Bewerbungesgespräche liefen jedenfalls schon – per Video.
FLORENZ - Seit beinahe drei Wochen hält sich Katharina Weiger überwiegend in ihrer Wohnung in Florenz auf. Die Wahl-Italienerin mit Sigmaringer Wurzeln sagt: „Von hier aus schaut man erstaunt auf Deutschland.“Das seit Anfang der Woche geltende Kontaktverbot sei viel zu spät gekommen, so Weigers Wahrnehmung aus der Distanz.
Seit knapp zwei Wochen sind in Deutschland die Schulen geschlossen. Wer in dieser verhältnismäßig überschaubaren Zeit an einem Lagerkoller leidet, der sollte mit Katharina Weiger telefonieren. Obwohl sie ihre Florenzer Wohnung nur noch verlässt, wenn es absolut notwendig ist, hört sie sich gefasst und zuversichtlich an. Vielleicht liegt es daran, dass sie beruflich schon vor der Corona-Krise im Homeoffice gearbeitet hat. Vielleicht liegt es daran, dass sich ihr Büro nicht direkt in der Wohnung, sondern etwas abseits unterm Dach befindet. Sie kann sich also etwas zurückziehen. Vielleicht liegt es daran, dass sie sich bei Kinderbetreuung mit einer befreundeten Familie abwechselt.
Wenn Katharina Weiger nach draußen geht, trägt sie eine Maske. Als sie ihre dreijährige Tochter mit zum Einkaufen in einen Supermarkt nahm, wurde sie von einer Frau angesprochen, ob das denn sein müsse. Die Polizei sei in Florenz sehr präsent, die Spazierwege am Arno abgeriegelt. Als Weiger joggen war, wurde sie von der Polizei darauf hingewiesen, dass sie doch besser in der Nähe ihrer Wohnung laufen solle.
Seit knapp sechs Jahren lebt die Kunsthistorikerin in Florenz. Aktuell analysiert sie Briefe des Schriftstellers Ferdinand Gregorovius, der – während er in Italien lebte – mehrere Hundert Briefe verfasste. Die 37-Jährige ging nach dem Abitur am Hohenzollerngymnasium aus Sigmaringen weg. Erst studierte sie in Berlin, ihre mittlerweile vollendete Doktorarbeit führte sie in die Provinzhauptstadt der Toskana.
STEWART ISLAND - Es ist Aschermittwoch, Gerlinde Dautermann fliegt gemeinsam mit ihrem Mann nach Neuseeland. Das Ehepaar aus Krauchenwies wird seinen Sohn besuchen, der dort mit Frau und Tochter lebt. Aus dem Besuch ist inzwischen mehr oder weniger ein Zwangsaufenthalt geworden.
„Als wir losgeflogen sind, das war Ende Februar, war die Situation in unseren Augen nicht gravierend. Es gab auch keine Reisewarnungen“, erklärt Gerlinde Dautermann, die sich momentan auf Stewart Island aufhält, einer kleinen Insel an der Südspitze des Landes.
Zuvor war das Paar im Land unterwegs, „bis es am 7. März die erste Meldung über einen Fall in Neuseeland gab“, so Dautermann, die als Konsequenz zu dieser Zeit die Rückflugtickets umgebucht habe und sagt: „Eigentlich wollten wir einen Zwischenstopp auf Bali einlegen.“
Doch dann überschlagen sich die Ereignisse, die Infizierten auf der Insel werden mehr und das Land handelt: Ausgangssperren werden verhängt, Geschäfte schließen. Am 22. März bekommen die Dautermanns eine Nachricht: Ihr Anschlussflug von Dubai nach Frankfurt Ende des Monats wurde gestrichen. Einen Tag später folgt die nächste: Auch ihr Flieger vom neuseeländischen Auckland nach Dubai wird nicht abheben.
„Jetzt haben wir Glück im Unglück. Auf Stewart Island wohnen kaum Menschen. Wir dürfen auch raus, müssen aber natürlich Abstand halten“, sagt Gerlinde Dautermann. Sie hat auch schon Kontakt mit dem Auswärtigen Amt und der Deutschen Botschaft aufgenommen, dort steht das Paar nun auf einer Rückholliste. „Wir machen jetzt das Beste draus. Wann und wie wir zurück nach Deutschland kommen, wissen wir aber noch nicht“, so Dautermann.