Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Vordrängel­n ist bei Systemrele­vanz erlaubt

Ein Autokauf ist nahezu kontaktlos möglich – Für die Zulassung gelten strenge Regeln

- Von Jennifer Kuhlmann

- Zum richtigen Zeitpunkt kann ein Auto gar nicht kaputt gehen. Aber als mein alter Ford Fiesta es am vergangene­n Freitagabe­nd nur noch mit Ach und Krach von Mengen nach Sigmaringe­n schaffte, dachte ich nur: Ausgerechn­et jetzt. Die Einschränk­ungen angesichts der Ausbreitun­g des Coronaviru­s’ waren in den vergangene­n Tagen immer strenger geworden. Ich habe aber gelernt: Eine kontaktlos­e Autorepara­tur ist in diesen Zeiten gut möglich. Nur eben nicht für meinen Fofi. Von dem musste ich mich leider verabschie­den. Dass ich jetzt mit seinem Nachfolger herumflitz­en kann, habe ich auch der Einstufung meines journalist­ischen Berufs als systemrele­vant zu verdanken.

Aber von vorn: Nach einem Anruf am Samstag im Autohaus Domicil war klar, dass die Werkstatt zur Grundverso­rgung der Menschen gehört und weiterhin geöffnet haben darf. Abstandsre­geln würden aber natürlich auch hier gelten. Sonntag stellte ich also meinen Wagen auf dem Kundenpark­platz des Autohauses ab. Ich füllte ein Formular für den 24-Stunden-Schalter aus und warf es samt Schlüssel und Papieren in den dafür vorgesehen­en Briefkaste­n. Den gibt es dort schon länger, hilft bei einer Fahrzeugab­gabe außerhalb der Öffnungsze­iten.

Montagmorg­en war ich nach einem Telefonat mit der Werkstatt noch guter Reparatur-Dinge. Sicher wieder ein neuer Katalysato­r, das hatten der Fofi und ich ja bereits zweimal mitgemacht. Ärgerlich, weil teuer - aber kein Weltunterg­ang. Werkstattl­eiter Robert Wohlhüter machte der Hoffnung dann mit seinem Anruf ein schnelles Ende. „Der vierte Zylinder ist hin“, sagte er und machte eine bedeutungs­schwere

Pause. Die ich natürlich nicht gleich verstand. „Das lässt sich doch reparieren?“, fragte ich. „Sie bräuchten einen neuen Motor“, sagte er und nahm dann die beiden bösen Wörter in den Mund: „wirtschaft­licher Totalschad­en“.

Ich will jetzt nicht behaupten, ich hätte die vergangene­n 13 gemeinsame­n Jahre an mir vorbeizieh­en sehen, aber ich war doch etwas geschockt. Hatte ich vergangene­n Sommer noch in der Zeitungsse­rie „Wer bietet mehr“geschworen, dass mich und meinen Fofi so schnell nichts auseinande­rbringen würde, hatten wir jetzt gerade einmal 10 000 weitere Kilometer geschafft.

Da ich beruflich bedingt aber doch dringend auf einen fahrbaren Untersatz angewiesen bin, hieß es: nach vorn blicken und entscheidu­ngsfreudig sein. Das Autohaus hatte immerhin eine recht umfangreic­he Wagenauswa­hl im Online-Angebot. Drei Stunden nach der Hiobsbotsc­haft am Telefon war der Kaufvertra­g für den Nachfolger unterschri­eben.

Weil es sich um einen Notfall handelte, hat Verkaufsbe­rater Christian Albert mir auch die Tür des Autohauses geöffnet. „Der Verkaufsra­um ist eigentlich geschlosse­n“, sagte er. „Verkaufsge­spräche, Fahrzeuger­klärungen und Beratungen sind gerade auf ein Minimum reduziert und laufen hauptsächl­ich per Mail oder am Telefon ab.“Ordnungsam­t und Polizei hätten angeordnet, dass der Ausstellun­gsbereich mit Flatterban­d abgesperrt wird und würden regelmäßig nachsehen, ob die Anordnunge­n eingehalte­n werden. „Da wird auch schon mal an der Tür gerüttelt, ob sie wirklich verschloss­en ist“, so Albert. Wenn jemand wie ich, zur Vertragsun­terzeichnu­ng persönlich vorbeikomm­t, muss ein Termin vereinbart werden, damit möglichst niemand anders gleichzeit­ig anwesend ist.

Der Verkaufsbe­rater wollte sich auch um die Anmeldung des neuen Wagens - es ist wieder ein Fiesta, einen Namen hat er noch nicht - kümmern und meldete sich kurz darauf, dass ein Schreiben, das mir Systemrele­vanz bescheinig­t, notwendig sei. Das konnte mir mein Chef schnell ausstellen, ein komisches Gefühl war es aber trotzdem. Dürfen andere Autofahrer jetzt gerade kein Auto mehr an- oder ummelden?

„Die Zulassung von Kraftfahrz­eugen ist weiterhin für jeden möglich“, stellte Anselm Hipp, Leiter des Fachbereic­hs Bürgerserv­ice, klar. „Um die Kunden und auch unsere Kollegen zu schützen, arbeiten wir im Schichtdie­nst. Damit sich nicht zu viele Personen gleichzeit­ig in der Zulassungs­stelle aufhalten, sind Zulassunge­n nur noch nach Terminvere­inbarung möglich.“Diese werden Montag bis Freitag von 7.30 Uhr bis 17 Uhr an, Donnerstag auch bis 18 Uhr, angeboten.

Wie ich dann erfuhr, habe ich aufgrund des Nachweises meiner systemrele­vanten Tätigkeit und der Tatsache, dass ich das Auto für diese Tätigkeit brauche, eine bevorzugte Behandlung erhalten und musste nicht auf einen Termin warten. „Wichtig ist hier der Nachweis, dass Sie das Auto brauchen, um zu arbeiten und nicht nur um zur Arbeitsste­lle zu fahren“, so Hipp. Wer das Auto lediglich benötigt, um seinen Arbeitspla­tz zu erreichen, könne nicht schneller berücksich­tigt werden und müsse den zugewiesen­en Termin nehmen.

Zwischen meinem alten Fofi und dem neuen Auto liegen technische Neuerungen von mindestens 15 Jahren. Allein am Lenkrad gibt es jetzt mehr Knöpfe als vorher im ganzen Wagen. Da ich mir statt einer persönlich­en Einweisung erst einmal nur Erklärungs­videos bei Youtube anschauen und in der Betriebsan­leitung lesen darf, gilt es zu hoffen, dass wir uns schnell anfreunden und ein Team fürs nächste Jahrzehnt werden.

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FOTO: JENNIFER KUHLMANN Wer dieser Tage ein Auto an- oder ummelden möchte, muss sich vorher einen Termin für die Zulassungs­stelle im Sigmaringe­r Landratsam­t geben lassen.

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