Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Vordrängeln ist bei Systemrelevanz erlaubt
Ein Autokauf ist nahezu kontaktlos möglich – Für die Zulassung gelten strenge Regeln
- Zum richtigen Zeitpunkt kann ein Auto gar nicht kaputt gehen. Aber als mein alter Ford Fiesta es am vergangenen Freitagabend nur noch mit Ach und Krach von Mengen nach Sigmaringen schaffte, dachte ich nur: Ausgerechnet jetzt. Die Einschränkungen angesichts der Ausbreitung des Coronavirus’ waren in den vergangenen Tagen immer strenger geworden. Ich habe aber gelernt: Eine kontaktlose Autoreparatur ist in diesen Zeiten gut möglich. Nur eben nicht für meinen Fofi. Von dem musste ich mich leider verabschieden. Dass ich jetzt mit seinem Nachfolger herumflitzen kann, habe ich auch der Einstufung meines journalistischen Berufs als systemrelevant zu verdanken.
Aber von vorn: Nach einem Anruf am Samstag im Autohaus Domicil war klar, dass die Werkstatt zur Grundversorgung der Menschen gehört und weiterhin geöffnet haben darf. Abstandsregeln würden aber natürlich auch hier gelten. Sonntag stellte ich also meinen Wagen auf dem Kundenparkplatz des Autohauses ab. Ich füllte ein Formular für den 24-Stunden-Schalter aus und warf es samt Schlüssel und Papieren in den dafür vorgesehenen Briefkasten. Den gibt es dort schon länger, hilft bei einer Fahrzeugabgabe außerhalb der Öffnungszeiten.
Montagmorgen war ich nach einem Telefonat mit der Werkstatt noch guter Reparatur-Dinge. Sicher wieder ein neuer Katalysator, das hatten der Fofi und ich ja bereits zweimal mitgemacht. Ärgerlich, weil teuer - aber kein Weltuntergang. Werkstattleiter Robert Wohlhüter machte der Hoffnung dann mit seinem Anruf ein schnelles Ende. „Der vierte Zylinder ist hin“, sagte er und machte eine bedeutungsschwere
Pause. Die ich natürlich nicht gleich verstand. „Das lässt sich doch reparieren?“, fragte ich. „Sie bräuchten einen neuen Motor“, sagte er und nahm dann die beiden bösen Wörter in den Mund: „wirtschaftlicher Totalschaden“.
Ich will jetzt nicht behaupten, ich hätte die vergangenen 13 gemeinsamen Jahre an mir vorbeiziehen sehen, aber ich war doch etwas geschockt. Hatte ich vergangenen Sommer noch in der Zeitungsserie „Wer bietet mehr“geschworen, dass mich und meinen Fofi so schnell nichts auseinanderbringen würde, hatten wir jetzt gerade einmal 10 000 weitere Kilometer geschafft.
Da ich beruflich bedingt aber doch dringend auf einen fahrbaren Untersatz angewiesen bin, hieß es: nach vorn blicken und entscheidungsfreudig sein. Das Autohaus hatte immerhin eine recht umfangreiche Wagenauswahl im Online-Angebot. Drei Stunden nach der Hiobsbotschaft am Telefon war der Kaufvertrag für den Nachfolger unterschrieben.
Weil es sich um einen Notfall handelte, hat Verkaufsberater Christian Albert mir auch die Tür des Autohauses geöffnet. „Der Verkaufsraum ist eigentlich geschlossen“, sagte er. „Verkaufsgespräche, Fahrzeugerklärungen und Beratungen sind gerade auf ein Minimum reduziert und laufen hauptsächlich per Mail oder am Telefon ab.“Ordnungsamt und Polizei hätten angeordnet, dass der Ausstellungsbereich mit Flatterband abgesperrt wird und würden regelmäßig nachsehen, ob die Anordnungen eingehalten werden. „Da wird auch schon mal an der Tür gerüttelt, ob sie wirklich verschlossen ist“, so Albert. Wenn jemand wie ich, zur Vertragsunterzeichnung persönlich vorbeikommt, muss ein Termin vereinbart werden, damit möglichst niemand anders gleichzeitig anwesend ist.
Der Verkaufsberater wollte sich auch um die Anmeldung des neuen Wagens - es ist wieder ein Fiesta, einen Namen hat er noch nicht - kümmern und meldete sich kurz darauf, dass ein Schreiben, das mir Systemrelevanz bescheinigt, notwendig sei. Das konnte mir mein Chef schnell ausstellen, ein komisches Gefühl war es aber trotzdem. Dürfen andere Autofahrer jetzt gerade kein Auto mehr an- oder ummelden?
„Die Zulassung von Kraftfahrzeugen ist weiterhin für jeden möglich“, stellte Anselm Hipp, Leiter des Fachbereichs Bürgerservice, klar. „Um die Kunden und auch unsere Kollegen zu schützen, arbeiten wir im Schichtdienst. Damit sich nicht zu viele Personen gleichzeitig in der Zulassungsstelle aufhalten, sind Zulassungen nur noch nach Terminvereinbarung möglich.“Diese werden Montag bis Freitag von 7.30 Uhr bis 17 Uhr an, Donnerstag auch bis 18 Uhr, angeboten.
Wie ich dann erfuhr, habe ich aufgrund des Nachweises meiner systemrelevanten Tätigkeit und der Tatsache, dass ich das Auto für diese Tätigkeit brauche, eine bevorzugte Behandlung erhalten und musste nicht auf einen Termin warten. „Wichtig ist hier der Nachweis, dass Sie das Auto brauchen, um zu arbeiten und nicht nur um zur Arbeitsstelle zu fahren“, so Hipp. Wer das Auto lediglich benötigt, um seinen Arbeitsplatz zu erreichen, könne nicht schneller berücksichtigt werden und müsse den zugewiesenen Termin nehmen.
Zwischen meinem alten Fofi und dem neuen Auto liegen technische Neuerungen von mindestens 15 Jahren. Allein am Lenkrad gibt es jetzt mehr Knöpfe als vorher im ganzen Wagen. Da ich mir statt einer persönlichen Einweisung erst einmal nur Erklärungsvideos bei Youtube anschauen und in der Betriebsanleitung lesen darf, gilt es zu hoffen, dass wir uns schnell anfreunden und ein Team fürs nächste Jahrzehnt werden.