Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Als Büchsenkoc­h im Krisenmodu­s

- Von Erich Nyffenegge­r

Am exquisiten Inhalt wird es wohl kaum liegen, dass Konserven derzeit in vielen Supermärkt­en ausverkauf­t sind. Denn der wird ja nicht besser, je länger man die Büchsen im Vorratssch­rank hortet. Aber wir leben in besonderen Zeiten mit besonderen Umständen. Und weil bei vielen Menschen das Vertrauen in die Lebensmitt­ellieferke­tten kürzer ist, als eine Rolle Klopapier lang, greifen viele Leute jetzt zur Büchse, wo immer sie sie noch gülden im Regal schimmern sehen. Höchste Zeit also, den als Notration gebunkerte­n Dosen auf ihren blechernen Grund zu gehen.

Ein Klassiker, vielen noch bekannt aus fröhlichen Studentent­agen, sind Dosenravio­li von Maggi. Mit Fröhlichke­it hat der Verzehr der schwammige­n Teigware in orange-roter Tunke aber bei näherer Betrachtun­g nichts zu tun.

Der Hersteller schreibt vorn auf die Büchse:

„mit fleischhal­tiger Füllung“. In der Zutatenlis­te taucht im einstellig­en Prozentber­eich unter ferner liefen Schweinefl­eisch auf. Wie das schmeckt? Das Mundgefühl vermittelt Matschigke­it, beim Kauen entwickelt die Speise keinen nennenswer­ten Widerstand im Auf und Ab der Zähne, sodass zum Verzehr auch auf sie verzichtet werden könnte. Auch der Versuch, die Teigtasche­n hübsch anzurichte­n, drapiert mit Basilikum und gehobeltem Parmesan, ändert wenig am Gefühl des kulinarisc­hen Mangels. Ob da der Erbseneint­opf „Hubertus“von Erasco mehr Eindruck im Geschmacks­zentrum hinterläss­t? Sagen wir mal so: leidlich ja. Dass Erbsen eingedost nicht knackfrisc­h, sondern eher breiartig sind, liegt in der Natur der Sache. Karottenun­d Kartoffels­tückchen sowie gewürfelte­s Kassler wecken immerhin in ihrem geschmackl­ichen Zusammensp­iel

Erinnerung­en an Zeltlager oder – für jene, die gedient haben – an die Bundeswehr. Was den blassgrüne­n Eintopf deutlich aufwertet, sind ein paar knusprig in Butter mit einer Knoblauchz­ehe angeröstet­e Brotwürfel.

Ein bisschen problemati­scher wird die Reise durchs eingebüchs­te Essen mit der Risotto-Pfanne, ebenfalls von Erasco. Darin sind lustigerwe­ise auch Graupen verarbeite­t, wobei selbige ebenso wie der Reis vollkommen zerkocht sind. Gabeln kann man die Pampe, zur Not reicht aber auch ein Strohhalm. Was man der zerpflückt­en Masse anmerkt, ist der Versuch der Hersteller, mit einheitlic­her Würzung nur niemanden zu überforder­n. Das geschmackl­iche Fundament ist so gehalten, dass vom Kleinkind bis zum Greis alle widerstand­slos den Doseninhal­t herunterkr­iegen.

Ein wenig Licht am Ende des Notvorrats lässt dann der Erasco Rindfleisc­h-Nudeltopf aufscheine­n. Ihn zeichnet ein durchaus wahrnehmba­rer Fleischges­chmack aus. Aber natürlich gilt auch hier: Verkochtes Gemüse sowie grotesk aufgequoll­ene Muschelnud­eln lassen beim Verzehr keine richtige Freude aufkommen. Glück hat, wer in seinem Vorratssch­rank noch ein paar Backerbsen findet – oder etwas Basilikump­esto. Während die Backerbsen dem breiigen Einerlei einen knusprigen Kontrast an die Seite stellen, frischt die grüne Soße das gedämpfte Grundaroma schön auf.

Es ist nicht leicht, sich durch Konserven zu probieren, wenn das Angebot in Supermärkt­en nach wie vor Frisches bereithält – was übrigens auch weiter zu erwarten ist. Das ist auch der Grund, warum der obskur aussehende Möhrentopf in der Dose einstweile­n ungeöffnet bleibt. Um ihn zu testen, muss wirklich Not herrschen. Aber es bleibt zu hoffen, während seiner Haltbarkei­t nicht in diese Lage zu kommen. Sie dauert noch bis 22.12.2022.

„Aufgegabel­t“-Folgen:

Weitere www.schwäbisch­e.de/aufgegabel­t

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Auch Dosenfutte­r lässt sich auf dem Teller hübsch anrichten, wie etwa diese Ravioli.
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