Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Als Büchsenkoch im Krisenmodus
Am exquisiten Inhalt wird es wohl kaum liegen, dass Konserven derzeit in vielen Supermärkten ausverkauft sind. Denn der wird ja nicht besser, je länger man die Büchsen im Vorratsschrank hortet. Aber wir leben in besonderen Zeiten mit besonderen Umständen. Und weil bei vielen Menschen das Vertrauen in die Lebensmittellieferketten kürzer ist, als eine Rolle Klopapier lang, greifen viele Leute jetzt zur Büchse, wo immer sie sie noch gülden im Regal schimmern sehen. Höchste Zeit also, den als Notration gebunkerten Dosen auf ihren blechernen Grund zu gehen.
Ein Klassiker, vielen noch bekannt aus fröhlichen Studententagen, sind Dosenravioli von Maggi. Mit Fröhlichkeit hat der Verzehr der schwammigen Teigware in orange-roter Tunke aber bei näherer Betrachtung nichts zu tun.
Der Hersteller schreibt vorn auf die Büchse:
„mit fleischhaltiger Füllung“. In der Zutatenliste taucht im einstelligen Prozentbereich unter ferner liefen Schweinefleisch auf. Wie das schmeckt? Das Mundgefühl vermittelt Matschigkeit, beim Kauen entwickelt die Speise keinen nennenswerten Widerstand im Auf und Ab der Zähne, sodass zum Verzehr auch auf sie verzichtet werden könnte. Auch der Versuch, die Teigtaschen hübsch anzurichten, drapiert mit Basilikum und gehobeltem Parmesan, ändert wenig am Gefühl des kulinarischen Mangels. Ob da der Erbseneintopf „Hubertus“von Erasco mehr Eindruck im Geschmackszentrum hinterlässt? Sagen wir mal so: leidlich ja. Dass Erbsen eingedost nicht knackfrisch, sondern eher breiartig sind, liegt in der Natur der Sache. Karottenund Kartoffelstückchen sowie gewürfeltes Kassler wecken immerhin in ihrem geschmacklichen Zusammenspiel
Erinnerungen an Zeltlager oder – für jene, die gedient haben – an die Bundeswehr. Was den blassgrünen Eintopf deutlich aufwertet, sind ein paar knusprig in Butter mit einer Knoblauchzehe angeröstete Brotwürfel.
Ein bisschen problematischer wird die Reise durchs eingebüchste Essen mit der Risotto-Pfanne, ebenfalls von Erasco. Darin sind lustigerweise auch Graupen verarbeitet, wobei selbige ebenso wie der Reis vollkommen zerkocht sind. Gabeln kann man die Pampe, zur Not reicht aber auch ein Strohhalm. Was man der zerpflückten Masse anmerkt, ist der Versuch der Hersteller, mit einheitlicher Würzung nur niemanden zu überfordern. Das geschmackliche Fundament ist so gehalten, dass vom Kleinkind bis zum Greis alle widerstandslos den Doseninhalt herunterkriegen.
Ein wenig Licht am Ende des Notvorrats lässt dann der Erasco Rindfleisch-Nudeltopf aufscheinen. Ihn zeichnet ein durchaus wahrnehmbarer Fleischgeschmack aus. Aber natürlich gilt auch hier: Verkochtes Gemüse sowie grotesk aufgequollene Muschelnudeln lassen beim Verzehr keine richtige Freude aufkommen. Glück hat, wer in seinem Vorratsschrank noch ein paar Backerbsen findet – oder etwas Basilikumpesto. Während die Backerbsen dem breiigen Einerlei einen knusprigen Kontrast an die Seite stellen, frischt die grüne Soße das gedämpfte Grundaroma schön auf.
Es ist nicht leicht, sich durch Konserven zu probieren, wenn das Angebot in Supermärkten nach wie vor Frisches bereithält – was übrigens auch weiter zu erwarten ist. Das ist auch der Grund, warum der obskur aussehende Möhrentopf in der Dose einstweilen ungeöffnet bleibt. Um ihn zu testen, muss wirklich Not herrschen. Aber es bleibt zu hoffen, während seiner Haltbarkeit nicht in diese Lage zu kommen. Sie dauert noch bis 22.12.2022.
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