Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Plastikfreie Kosmetikartikel sind gefragt
Kunden fordern deutlich weniger Verpackung – Kleine Start-ups erkennen diese Bedürfnisse bislang besser als die Naturkosmetik-Pioniere
Eine Seife zum Haarewaschen: Als an einem solchen Produkt im Labor des Naturkosmetikherstellers Speick in Stuttgart vor zwei Jahren zum ersten Mal getüftelt wurde, sah man das eher als spannende Spielerei. „Wir nehmen Marktentwicklungen und neue Rohstoffe immer wieder als Anlass, um ein bisschen zu experimentieren“, sagt Ina Hiller, Produktmanagerin bei Speick. Deshalb wurde die Haarseife auch in einer Miniauflage von 200 Stück im Onlineshop angeboten – und war dann „unglaublich schnell vergriffen“, wie Ina Hiller erzählt. Zwei Jahre später verkauft Speick bereits mehrere Hunderttausend Haarseifen jährlich, bei ungebrochen steigender Nachfrage.
„Die Verkaufszahlen für dieses Produkt haben innerhalb weniger Monate die Monatsund Jahresmengen von so manch alteingesessenen Seifenstücken in unserem Produkt-sortiment überholt“, sagt Ina
Hiller. Und so gibt es die Haarseifen inzwischen nicht mehr nur im eigenen Onlineshop, sondern auch in den bekannten Drogeriemärkten zu kaufen.
Haarseife gilt derzeit als das Trendprodukt der NaturkosmetikBranche, denn sie bedient den wachsenden Wunsch der Kunden nach nachhaltigen Produkten auch im Kosmetikbereich. „Seife muss man im Gegensatz zu einem flüssigen
Shampoo nicht in Plastik verpacken. Der Schaum belastet die Gewässer nicht und außerdem hält ein Stück Seife ungefähr so lange wie vier Flaschen Shampoo“, sagt Marktforscherin Elfriede Dambacher, die auf Naturkosmetik spezialisiert ist.
Und so investieren dem Naturkosmetikverband Natrue zufolge derzeit viele Naturkosmetikunternehmen in innovative Methoden, um bislang flüssige Kosmetikprodukte in einer festen Form auf den Markt zu bringen.
Die Naturkosmetikmarke Alverde des Drogeriekonzerns dm beispielsweise hat seit vergangenem Jahr zwei feste Shampoos im Sortiment – also ein Shampoo-Konzentrat ohne Wasser, welches der Verbraucher beim Duschen dann wieder aufschäumt. „Ben & Anna“, eine Marke aus Großbritannien, bieten Dusch- und Shampootabletten an. Das schwedische Unternehmen The Humble wendet das Tabletten-Prinzip auf Zahnpasta an. Und die niederländische Firma We love the planet setzt auf Deo in
Cremeform.
Auffällig bei vielen dieser neuartigen Kosmetikprodukte ist, dass sie von kleinen Start-ups auf den Markt gebracht werden. Die bekannten Naturkosmetikmarken wie Weleda, Sante oder Lavera dagegen halten sich bei plastikfrei verpackten Produkten bislang noch zurück. „Der Wunsch nach solchen Produkten kommt vor allem von der Kundenseite her. Den jungen Unternehmen fällt es offenbar leichter, die veränderten Kundenbedürfnisse über die sozialen Medien wahrzunehmen“, sagt Mirja Eckert, Expertin für Zukunftsthemen und Nachhaltigkeitsmanagement von der Agentur „The new“in Stuttgart. „Die Start-ups sind selbst in den entsprechenden Foren und Blogs unterwegs und müssen sich für die dialogorientierte Kommunikation, die sich die Zielgruppe wünscht, nicht verbiegen“, erläutert Eckert.
Denn wer bewusst konsumiere, möchte auch viele Dinge hinterfragen können. Wo die Rohstoffe herkommen beispielsweise, wie es mit Tierversuchen aussieht oder wie die
Arbeitsbedingungen bei der Produktion sind. „Die NaturkosmetikPioniere arbeiten hier seit vielen Jahren sehr glaubwürdig und transparent, aber sie kommunizieren das noch zu wenig, vor allem gegenüber den jungen Konsumenten“, findet Nachhaltigkeitsexpertin Mirja Eckert.
Bei Weleda in Schwäbisch Gmünd sieht man die Gründe für den zögerlichen Umgang mit möglichst unverpackten Kosmetikartikel ein wenig anders. „Echte Naturkosmetik zeichnet sich im Gegensatz zur konventionellen Kosmetik unter anderem durch den Verzicht auf synthetische Konservierungsstoffe aus“, so Tassja Damaso, PR-Managerin bei Weleda. Dadurch seien die Produkte anfälliger und müssten durch eine entsprechende Verpackung gut geschützt werden – und das sei in ökologisch einwandfreier Form bislang nicht möglich. „Aber wir arbeiten mit Hochdruck daran“, sagt Tassja Damaso.
Gleiches gelte für die Entwicklung eines festen Shampoos, auch hier werde an einem entsprechenden Produkt geforscht. „Noch sind hier aber die Produktleistungen im Vergleich zu flüssigen Shampoos noch etwas schlechter, beispielsweise bei der Hautverträglichkeit sowie bei der Kämmbarkeit“, sagt Tassja Damaso von Weleda.
Auch Ina Hiller vom Stuttgarter Naturkosmetikhersteller Speick gibt zu, dass das Thema Haarseife im Kundenservice ein Dauerbrenner sei, weil viele Kunden damit Probleme und entsprechend viele Fragen hätten. „Die Seife ist recht komplex in der Anwendung. Es dauert mehrere Wochen, bis sich die Haare daran gewöhnt haben und für manche Haartypen funktioniert sie auch gar nicht.“
Dass die Seifen nur mit einer Papierbanderole verpackt zum Kunden kommen, erschwere die Kommunikation zusätzlich. „Es gibt einfach kaum Platz auf der Verpackung für entsprechende Erklärungen“, sagt Ina Hiller. Die Nachfrage der Kunden sei trotzdem ungebrochen. „Das zeigt, wie groß das Bedürfnis nach solchen Produkten offenbar ist“, meint Ina Hiller.