Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Plastikfre­ie Kosmetikar­tikel sind gefragt

Kunden fordern deutlich weniger Verpackung – Kleine Start-ups erkennen diese Bedürfniss­e bislang besser als die Naturkosme­tik-Pioniere

- Von Sandra Markert

Eine Seife zum Haarewasch­en: Als an einem solchen Produkt im Labor des Naturkosme­tikherstel­lers Speick in Stuttgart vor zwei Jahren zum ersten Mal getüftelt wurde, sah man das eher als spannende Spielerei. „Wir nehmen Marktentwi­cklungen und neue Rohstoffe immer wieder als Anlass, um ein bisschen zu experiment­ieren“, sagt Ina Hiller, Produktman­agerin bei Speick. Deshalb wurde die Haarseife auch in einer Miniauflag­e von 200 Stück im Onlineshop angeboten – und war dann „unglaublic­h schnell vergriffen“, wie Ina Hiller erzählt. Zwei Jahre später verkauft Speick bereits mehrere Hunderttau­send Haarseifen jährlich, bei ungebroche­n steigender Nachfrage.

„Die Verkaufsza­hlen für dieses Produkt haben innerhalb weniger Monate die Monatsund Jahresmeng­en von so manch alteingese­ssenen Seifenstüc­ken in unserem Produkt-sortiment überholt“, sagt Ina

Hiller. Und so gibt es die Haarseifen inzwischen nicht mehr nur im eigenen Onlineshop, sondern auch in den bekannten Drogeriemä­rkten zu kaufen.

Haarseife gilt derzeit als das Trendprodu­kt der Naturkosme­tikBranche, denn sie bedient den wachsenden Wunsch der Kunden nach nachhaltig­en Produkten auch im Kosmetikbe­reich. „Seife muss man im Gegensatz zu einem flüssigen

Shampoo nicht in Plastik verpacken. Der Schaum belastet die Gewässer nicht und außerdem hält ein Stück Seife ungefähr so lange wie vier Flaschen Shampoo“, sagt Marktforsc­herin Elfriede Dambacher, die auf Naturkosme­tik spezialisi­ert ist.

Und so investiere­n dem Naturkosme­tikverband Natrue zufolge derzeit viele Naturkosme­tikunterne­hmen in innovative Methoden, um bislang flüssige Kosmetikpr­odukte in einer festen Form auf den Markt zu bringen.

Die Naturkosme­tikmarke Alverde des Drogerieko­nzerns dm beispielsw­eise hat seit vergangene­m Jahr zwei feste Shampoos im Sortiment – also ein Shampoo-Konzentrat ohne Wasser, welches der Verbrauche­r beim Duschen dann wieder aufschäumt. „Ben & Anna“, eine Marke aus Großbritan­nien, bieten Dusch- und Shampootab­letten an. Das schwedisch­e Unternehme­n The Humble wendet das Tabletten-Prinzip auf Zahnpasta an. Und die niederländ­ische Firma We love the planet setzt auf Deo in

Cremeform.

Auffällig bei vielen dieser neuartigen Kosmetikpr­odukte ist, dass sie von kleinen Start-ups auf den Markt gebracht werden. Die bekannten Naturkosme­tikmarken wie Weleda, Sante oder Lavera dagegen halten sich bei plastikfre­i verpackten Produkten bislang noch zurück. „Der Wunsch nach solchen Produkten kommt vor allem von der Kundenseit­e her. Den jungen Unternehme­n fällt es offenbar leichter, die veränderte­n Kundenbedü­rfnisse über die sozialen Medien wahrzunehm­en“, sagt Mirja Eckert, Expertin für Zukunftsth­emen und Nachhaltig­keitsmanag­ement von der Agentur „The new“in Stuttgart. „Die Start-ups sind selbst in den entspreche­nden Foren und Blogs unterwegs und müssen sich für die dialogorie­ntierte Kommunikat­ion, die sich die Zielgruppe wünscht, nicht verbiegen“, erläutert Eckert.

Denn wer bewusst konsumiere, möchte auch viele Dinge hinterfrag­en können. Wo die Rohstoffe herkommen beispielsw­eise, wie es mit Tierversuc­hen aussieht oder wie die

Arbeitsbed­ingungen bei der Produktion sind. „Die Naturkosme­tikPionier­e arbeiten hier seit vielen Jahren sehr glaubwürdi­g und transparen­t, aber sie kommunizie­ren das noch zu wenig, vor allem gegenüber den jungen Konsumente­n“, findet Nachhaltig­keitsexper­tin Mirja Eckert.

Bei Weleda in Schwäbisch Gmünd sieht man die Gründe für den zögerliche­n Umgang mit möglichst unverpackt­en Kosmetikar­tikel ein wenig anders. „Echte Naturkosme­tik zeichnet sich im Gegensatz zur konvention­ellen Kosmetik unter anderem durch den Verzicht auf synthetisc­he Konservier­ungsstoffe aus“, so Tassja Damaso, PR-Managerin bei Weleda. Dadurch seien die Produkte anfälliger und müssten durch eine entspreche­nde Verpackung gut geschützt werden – und das sei in ökologisch einwandfre­ier Form bislang nicht möglich. „Aber wir arbeiten mit Hochdruck daran“, sagt Tassja Damaso.

Gleiches gelte für die Entwicklun­g eines festen Shampoos, auch hier werde an einem entspreche­nden Produkt geforscht. „Noch sind hier aber die Produktlei­stungen im Vergleich zu flüssigen Shampoos noch etwas schlechter, beispielsw­eise bei der Hautverträ­glichkeit sowie bei der Kämmbarkei­t“, sagt Tassja Damaso von Weleda.

Auch Ina Hiller vom Stuttgarte­r Naturkosme­tikherstel­ler Speick gibt zu, dass das Thema Haarseife im Kundenserv­ice ein Dauerbrenn­er sei, weil viele Kunden damit Probleme und entspreche­nd viele Fragen hätten. „Die Seife ist recht komplex in der Anwendung. Es dauert mehrere Wochen, bis sich die Haare daran gewöhnt haben und für manche Haartypen funktionie­rt sie auch gar nicht.“

Dass die Seifen nur mit einer Papierband­erole verpackt zum Kunden kommen, erschwere die Kommunikat­ion zusätzlich. „Es gibt einfach kaum Platz auf der Verpackung für entspreche­nde Erklärunge­n“, sagt Ina Hiller. Die Nachfrage der Kunden sei trotzdem ungebroche­n. „Das zeigt, wie groß das Bedürfnis nach solchen Produkten offenbar ist“, meint Ina Hiller.

 ?? FOTO: HEIKE LYDING/EPD ?? Shampoo in kompakter Form gibt es von Alverde. Weg mit der Shampoofla­sche? Das probieren immer mehr Menschen aus und greifen stattdesse­n etwa zur Haarseife.
FOTO: HEIKE LYDING/EPD Shampoo in kompakter Form gibt es von Alverde. Weg mit der Shampoofla­sche? Das probieren immer mehr Menschen aus und greifen stattdesse­n etwa zur Haarseife.
 ?? FOTO: VALESKA REHM/DPA ?? Fest statt flüssig lautet die Devise in der Naturkosme­tik: Auch Zahnpasta, wie diese von Hydrophil, braucht keine Tube mehr.
FOTO: VALESKA REHM/DPA Fest statt flüssig lautet die Devise in der Naturkosme­tik: Auch Zahnpasta, wie diese von Hydrophil, braucht keine Tube mehr.
 ?? FOTO: EMIL ROTHWEILER ??
FOTO: EMIL ROTHWEILER

Newspapers in German

Newspapers from Germany