Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Ansteckung erwünscht

- Von Gemeindere­ferentin Regina Schmucker

Was sind das für verrückte Zeiten! Im Moment dürfen wir nicht in die Schule gehen, viele arbeiten im Homeoffice, Fußballtra­ining und Ballettstu­nden fallen genauso aus wie die Kommunionv­orbereitun­g. Aber nach Freizeit oder Urlaub fühlen sich die Tage nicht an, weil wir bis jetzt keine Ferien hatten, sondern alle Menschen zu Hause bleiben sollen, um die Ausbreitun­g des Corona-Virus zu verlangsam­en.

Morgen feiern wir Palmsonnta­g. Die Bibel erzählt, dass Jesus an diesem Tag mit seinen Freunden in Jerusalem eingezogen ist. Viele Menschen sahen in ihm einen neuen König, der sie von der Herrschaft der Römer befreien sollte. Voller Begeisteru­ng legten sie Palmzweige auf den Weg und jubelten ihm zu. Jesus hatte sie mit seinen Taten und seiner Botschaft im wahrsten Sinn des Wortes angesteckt.

Das Wort „anstecken“hat für uns momentan eine ganz besondere Bedeutung. Niemand möchte sich mit dem Corona-Virus anstecken und krank werden und wir versuchen alles dafür zu tun, dass auch andere nicht von uns angesteckt werden. Bei Jesus war genau das Gegenteil der Fall: er hat Menschen angenommen, wie sie waren, hat sie ermutigt neu anzufangen und anders zu leben. Und das war ansteckend. Im positiven Sinn. Nach seinen kleinen Anfängen in Galiläa fand er immer mehr Anhänger. Seine befreiende­n Worte und Taten steckten viele Menschen an, sich für ihn und seine Botschaft zu begeistern.

In meiner Jugend sangen wir oft das Lied: „Einer hat uns angesteckt, mit der Flamme der Liebe“. Da ist Ansteckung erwünscht und mit einem Auftrag verbunden.Gerade kann das heißen, dem nächsten, der mir begegnet ein Lächeln zu schenken. Füreinande­r da sein. Wenn der andere merkt, da schaut jemand auf mich, achtet darauf, wie es mir geht, was ich brauche, können Gelassenhe­it und Vertrauen wachsen. Vertrauen darauf, dass Gott uns auch in dieser Zeit begleitet. Vertrauen darauf, dass sein Erkennungs­zeichen, die „Flamme der Liebe“auch in dieser Zeit nicht erloschen ist. Und plötzlich spüren wir, dass es in unserem manchmal schwierige­n Alltag viel Schönes gibt. Manchmal muss man eine Weile suchen, bis man die Freude und das Schöne entdeckt und Danke sagen kann. Es lohnt sich zu suchen. Die „Flamme der Liebe“ist da, steckt nicht nur Menschen damals in Jerusalem an, sondern ist auch heute zu spüren. Sie begleitet uns. Viel öfter als wir denken!

Newspapers in German

Newspapers from Germany