Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Ansteckung erwünscht
Was sind das für verrückte Zeiten! Im Moment dürfen wir nicht in die Schule gehen, viele arbeiten im Homeoffice, Fußballtraining und Ballettstunden fallen genauso aus wie die Kommunionvorbereitung. Aber nach Freizeit oder Urlaub fühlen sich die Tage nicht an, weil wir bis jetzt keine Ferien hatten, sondern alle Menschen zu Hause bleiben sollen, um die Ausbreitung des Corona-Virus zu verlangsamen.
Morgen feiern wir Palmsonntag. Die Bibel erzählt, dass Jesus an diesem Tag mit seinen Freunden in Jerusalem eingezogen ist. Viele Menschen sahen in ihm einen neuen König, der sie von der Herrschaft der Römer befreien sollte. Voller Begeisterung legten sie Palmzweige auf den Weg und jubelten ihm zu. Jesus hatte sie mit seinen Taten und seiner Botschaft im wahrsten Sinn des Wortes angesteckt.
Das Wort „anstecken“hat für uns momentan eine ganz besondere Bedeutung. Niemand möchte sich mit dem Corona-Virus anstecken und krank werden und wir versuchen alles dafür zu tun, dass auch andere nicht von uns angesteckt werden. Bei Jesus war genau das Gegenteil der Fall: er hat Menschen angenommen, wie sie waren, hat sie ermutigt neu anzufangen und anders zu leben. Und das war ansteckend. Im positiven Sinn. Nach seinen kleinen Anfängen in Galiläa fand er immer mehr Anhänger. Seine befreienden Worte und Taten steckten viele Menschen an, sich für ihn und seine Botschaft zu begeistern.
In meiner Jugend sangen wir oft das Lied: „Einer hat uns angesteckt, mit der Flamme der Liebe“. Da ist Ansteckung erwünscht und mit einem Auftrag verbunden.Gerade kann das heißen, dem nächsten, der mir begegnet ein Lächeln zu schenken. Füreinander da sein. Wenn der andere merkt, da schaut jemand auf mich, achtet darauf, wie es mir geht, was ich brauche, können Gelassenheit und Vertrauen wachsen. Vertrauen darauf, dass Gott uns auch in dieser Zeit begleitet. Vertrauen darauf, dass sein Erkennungszeichen, die „Flamme der Liebe“auch in dieser Zeit nicht erloschen ist. Und plötzlich spüren wir, dass es in unserem manchmal schwierigen Alltag viel Schönes gibt. Manchmal muss man eine Weile suchen, bis man die Freude und das Schöne entdeckt und Danke sagen kann. Es lohnt sich zu suchen. Die „Flamme der Liebe“ist da, steckt nicht nur Menschen damals in Jerusalem an, sondern ist auch heute zu spüren. Sie begleitet uns. Viel öfter als wir denken!