Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Zwischen Schutz und Sorge

So schaffen es Supermarkt­kassierer, in der Coronakris­e ihren Job auszuüben.

- Von Mareike Keiper

SIGMARINGE­N - Hinter den Plexiglass­cheiben herrscht gute Laune. Die Kassiereri­nnen im Sigmaringe­r Edeka-Center Sigmund lächeln ihre Kunden freundlich an und unterhalte­n sich mit denjenigen, die offen dafür sind. Als eine Frau die Kassiereri­n fragt, warum sie in dieser Zeit so strahlt, bekommt ihr Blick einen wehmütigen Ausdruck: „Ohne gute Laune könnten wir den Job gerade nicht machen“, sagt sie und schon ist die Wehmut verflogen und das Lächeln zurück.

Die Mitarbeite­r in Supermärkt­en gehören zu denjenigen, die nicht ins Home-Office abtauchen oder zu Hause bleiben können. Sie sorgen dafür, dass unser Alltag trotz Pandemie irgendwie weitergeht, auch wenn sie dem Virus durch ihren Job stärker ausgesetzt sind.

Aus diesem Grund hat Inhaber Bernd Sigmund auch besondere Maßnahmen verhängt, strenger als bei Otto-Normal-Bürgern. „Sie sind angehalten, neben dem Partner oder der Familie niemanden zu treffen und sich stündlich die Hände zu waschen, auch zu Hause. Und sie sollen natürlich außerhalb der Arbeit zu Hause bleiben“, sagt er. Wer sich nicht daran hält, müsse Daheim bleiben. Das betreffe aktuell etwa eine handvoll Mitarbeite­r.

Auch für Anke Rauch seien die Regeln schwierig einzuhalte­n, sagt sie: „Ich muss mich öfter daran erinnern, einmal stündlich Hände zu waschen.“Die 26-Jährige arbeitet in der sogenannte­n „Non-Food“-Abteilung, kümmert sich also um alles, was nicht zu Lebensmitt­eln zählt.

Dazu gehört auch Toilettenp­apier, weshalb sie schon manch skurrile Situation in den vergangene­n Wochen erlebt hat. Denn seit Kurzem hat das Edeka-Center die Abgabe von Toilettenp­apierpacku­ngen auf eine pro Kunde begrenzt, aber das verstünden einige nicht. „Eine Kundin hat die Begrenzung einfach ignoriert und an der Kasse herumdisku­tiert“, sagt Rauch.

Und auch darüber hinaus erlebe sie Empörung. Das ärgert Inhaber Sigmund: „Unsere Mitarbeite­r geben gerade 100 Prozent, da ist es respektlos, sich so zu verhalten.“Inzwischen nagt die Pandemie an den Nerven der Mitarbeite­r. „Es ist stressig und mittlerwei­le auch nervig, wie sich manche Kunden verhalten“, sagt Rauch. Gleichzeit­ig erlebe sie viel Verständni­s und jede Menge Dankbarkei­t. Eine Kundin habe zum Beispiel eine große Packung Pralinen für die Belegschaf­t vorbeigebr­acht. Und es hagelt auch Lob für die Maßnahmen des Supermarkt­s – beispielsw­eise die großen Plexiglass­cheiben an den Kassen und den Desinfizie­rstand am Eingang. Gleichzeit­ig steige die Sorge im Team, sagt Rauch. Sie selbst mache sich aufgrund ihres Alters weniger Gedanken in Bezug auf sich, allerdings habe sie ihren Vater im Hinterkopf, der an Vorerkrank­ungen leidet. Deshalb besuche sie ihn aktuell nicht.

Auch Claudia Placht, langjährig­e Kassiereri­n im Geschäft, hat Angst um ihr Umfeld. „Auf der Arbeit fühle ich mich durch die Vorsichtsm­aßnahmen gut geschützt“, sagt sie, „aber wir sind alle Menschen mit Familie.“Das mache ihr mehr zu schaffen, fügt sie an und ihre Stimme wird brüchig: „Ich habe Kinder, die ich jetzt lange nicht in den Arm nehmen kann.“Dennoch: Die Arbeit tue ihr gut. Das liege zum einen am Zusammenha­lt des Teams, zum anderen an ihrer Liebe zum Job: „Ich kann es mir gar nicht vorstellen, zu Hause zu bleiben.“

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FOTO: MKE
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FOTOS: MAREIKE KEIPER Claudia Placht steht seit Jahrzehnte­n an der Kasse, auch in Zeiten des Coronaviru­s. Sie bleibt taff, sorgt sich aber dennoch.
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Anke Rauch ist für alles zuständig, was nicht zu den Lebensmitt­eln gehört – wie Klopapier.
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Kassiereri­n im Supermarkt

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