Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Der perfekte Schuss
Heute vor zehn Jahren: Bayerns Arjen Robben zielte in Manchester ganz genau
MANCHESTER- Nur sehr wenige Tore schaffen es, sich ins Langzeitgedächtnis eines reizüberfluteten Fußballfans einzuprägen. Das von Arjen Robben gegen Manchester United vor genau zehn Jahren gehört dazu. Es war ein perfekter Schuss im ViertelfinalRückspiel, der den FC Bayern München eine Runde weiterbrachte und der Fußballhistorie einen weiteren Glanzmoment bescherte.
7. April 2010: Es ist wieder mal ein elektrisierender Europapokalabend im legendären Old Trafford. Eine Hälfte lang hat fast nur Manchester im eigenen Stadion dominiert, dem FC Bayern früh drei herrliche Tore eingeschenkt. Nur Ivica Olics Treffer kurz vor der Pause hält die Münchner, die das Hinspiel mit 2:1 gewonnen hatten, einigermaßen im Spiel.
Die 74. Minute läuft; Franck Ribéry geht zur Eckfahne und nimmt den Ball an sich. Im Strafraum kämpfen Verteidiger und Angreifer um die beste Position, nur auf einen Bayernstürmer blickt keiner der englischen Abwehrrecken. Wenige Schritte hinter der Strafraumlinie bringt sich Arjen Robben in Position. Er winkt in Ribérys Richtung. Vorsichtig. Es soll ja kein United-Spieler mitkriegen, dass er hier lauert. Vielleicht denkt Robben in diesem Moment an jenen vier Wochen zuvor, als er im AchtelfinalRückspiel in Florenz in exakt derselben Situation – die Bayern brauchten ein Tor, um weiterzukommen – ein Dribbling mit einem sensationellen Schuss ins linke obere Eck abschloss.
Was Robben in Manchester vollbringt, ist noch eine Klasse besser als das Kunsttor im kalten Regen von Florenz.
Ribérys Eckball kommt perfekt in die Mitte. Perfekt für Robben. Der Niederländer läuft kurz an und nimmt den Ball genau an der Strafraumkante volley. Der spät gestartete und jetzt heranfliegende Michael Carrick kann nicht verhindern, dass Robben aus 16 Metern einen Volltreffer landet. In einem vollendeten Bogen fliegt der Ball durch den Strafraum – unaufhaltsam in Richtung linkes unteres Eck. Am Ende schlägt er so genau neben dem Pfosten ein, dass selbst der schnell abtauchende Weltklassekeeper Edwin van der Saar chancenlos ist.
Robbens cooler Kommentar später: „Ein schöner Ball von Franck. Ich konnte abwarten und schießen.“Auf dem Feld fällt seine Reaktion deutlich euphorischer aus. Robben dreht ab, breitet die Arme aus und setzt eine
Siegermiene auf. Mitten im Laufen wird ihm vermutlich bewusst, was er da gerade angerichtet hat. Er kneift beide Augen zu und macht eine Handbewegung, als hätte er sich die Finger verbrannt. So heiß ist dieses Tor. Dann bleibt Robben stehen und wartet auf die Glückwünsche seiner Mitspieler. Die lassen sich nicht lange bitten.
Manchester ist danach so geschockt, dass es sich nahezu kampflos in sein Schicksal ergibt. Die Bayern ziehen dank der Auswärtstorregel ins Halbfinale ein, erledigen dort Olympique Lyon, um erst im Finale an Inter Mailand zu scheitern. Eine inoffizielle Trophäe war ihnen jedoch schon vorher sicher: Das schönste Tor dieser Champions-League-Saison fiel in der 74. Minute des Viertelfinal-Rückspiels in Manchester.