Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Nächster Flashmob: Mundschutz-Nähen
Bürgermeister Bubeck ruft bei „Mengen diskutiert“die Bürger zum Mitmachen auf
MENGEN - Die erste Live-Sendung von „Mengen diskutiert“endete am Montagabend mit einem Appell, der vor allem an die Jugendlichen im Stadtgebiet und in der Region gerichtet wird: „Das Virus kennt kein Ostern, Abstand ist auch bei schönem Wetter die wichtigste Regel. Haltet euch bitte daran“, sagte Rebecca Hennies. Die Mengenerin, die mit dem Coronavirus infiziert war und heute als geheilt gilt, gehörte mit dem Hausarzt Alexander Fischer zu den Gästen, die Bürgermeister Stefan Bubeck zum öffentlichen Gespräch geladen hatte. Der Schultes forderte die Bevölkerung außerdem dazu auf, Mundschutz-Masken zu nähen. Das Bürgerbüro wolle die Aktion koordinieren und halte Stoff und Anleitungen bereit.
Für das Thema Coronavirus interessierten sich laut Stadtverwaltung rund 1000 Zuschauer, die den Livestream während der einstündigen Übertragung aufriefen und ihn ganz oder in Teilen verfolgten. Zum Vergleich: Beim Unternehmerdialog vor zwei Wochen waren es etwa 150 Zuschauer gewesen.
Rebecca Hennies hatte bereits vor drei Wochen in der „Schwäbischen Zeitung“über ihr Infizierung und das Leben in häuslicher Quarantäne berichtet. Damals noch anonym. Mittlerweile darf sie ihr Haus schon seit einiger Zeit wieder verlassen und würde nun gern selbst Menschen helfen, die positiv getestet wurden. Im Gespräch mit Stefan Bubeck
schilderte Hennies ihren Krankheitsverlauf und ihre Erfahrungen aus der Quarantäne. Als sie nach der Fasnet zum Skifahren nach Italien gefahren sei, hätte sie bereits leichte Symptome gehabt. „Ich bin von einer normalen Erkältung ausgegangen“, sagte sie. Während ihres Aufenthalts seien dann Muskelschmerzen in den Oberschenkeln und den Oberarmen hinzugekommen. Muskelkater vom Skifahren hätte das nicht sein können. Fieber hätte sie aber zu keinem Zeitpunkt gehabt. Nachdem dann Südtirol zum Risikogebiet erklärt worden war, hätte außer Frage gestanden, dass sie und ihr Mann sich nach ihrer Rückkehr testen lassen wollten.
Wo sie sich angesteckt hat, könne sie bis heute nicht sagen. „Diese Frage wurde mir im Freundes- und Bekanntenkreis aber sicher am häufigsten gestellt“, sagte sie. Weil sie zu den ersten Infizierten im Landkreis gehörten, hätten viele im Umfeld zunächst schockiert reagiert. Dann hätten aber auch viele Hilfe angeboten. Die Physiotherapie-Praxis ihres Mannes habe geschlossen bleiben müssen und auch daheim blieb die vierköpfige Familie auf Abstand, weil Rebecca Hennies die einzig positiv Getestete im Haushalt war. „Wir sind sehr vorsichtig gewesen, auch wenn ich weiter gekocht habe“, sagte sie.
Vermisst habe sie vor allem ihre Tochter, die nicht bei ihr im Haus wohnt und ihre Eltern. Die Versammlungseinschränkungen und die Situation innerhalb der Familie habe auch dazu geführt, dass die einzige Person, die bei der Hochzeit ihrer Tochter dabei gewesen sei, die Standesbeamtin gewesen ist.
Nachdem sie nun als geheilt gelte, könne sie sich vorstellen, dort einzuspringen, wo ihre Hilfe „an der Front“benötigt werde: im CoronaTestzentrum etwa, als Hausaufgabenbetreuerin oder bei Bürotätigkeiten in Unternehmen, in denen derzeit Personalmangel herrsche.
Gegen Influenza seien weder sie noch ihre Familie geimpft worden. Das würde Hausarzt Alexander Fischer allerdings empfehlen. Er riet auch vor allem älteren Menschen, eine Pneumokokken-Impfung vorzunehmen, bei der davon auszugehen ist, dass Lungenentzündungen einen weniger schweren Verlauf nehmen. Ob der Corona-Virus tatsächlich gefährlicher sei als eine „normale“Grippe wollte Fischer nicht abschließend beurteilen. Er wies darauf hin, dass das die Sterberate bei einer Influenza bei etwa fünf Prozent der Infizierten liege, Italien bei Corona gerade etwa 12 Prozent erreicht habe. „In Deutschland liegen wir mit derzeit 1,5 Prozent deutlich darunter, aber wir wissen nicht, ob das so bleibt“, sagte Fischer.
Er selbst kenne derzeit keine Praxis, die wirklich ausreichend mit Schutzkleidung und den richtigen Mundschutz-Versionen versorgt sei. „Wir haben ein Care-Paket der Kassenärztlichen Vereinigung bekommen und versuchen ansonsten auf allen möglichen Wegen, an Masken zu kommen“, sagte er. Weil ein selbstgenähter Mundschutz das Gegenüber zumindest vor einer feuchten Aussprache schütze, könne er den Menschen das Tragen eines solchen im Alltag durchaus empfehlen. „Da können wir schon von den Asiaten lernen.“
Bürgermeister Bubeck berichtete, das die Stadtverwaltung von der Brauerei Zoller-Hof Mundschutze zur Verfügung gestellt bekommen habe und die städtischen Erzieherinnen, die nicht in der Notfallbetreuung aktiv seien, ebenfalls Masken nähen würden. Dazu wolle er auch die Mengener auffordern. „Nähen Sie Mundschutz-Masken, das ist das, was wir in den nächsten Wochen am meisten brauchen“, sagte er. Über das Bürgerbüro können Interessierte Stoff und Nähanleitungen bekommen. Bubeck sprach sogar von einem „Näh-Flashmob“, der in Mengen ausgelöst werden solle. Die Masken sollen dann gesammelt und der Bevölkerung kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Spenden für die Bürgerstiftung werden dabei gern angenommen.
Die nächste Live-Sendung von „Mengen diskutiert“wird wegen Ostern ausnahmsweise am Dienstag, 14. April, um 19 Uhr auf dem Youtube-Kanal der Stadt Mengen zu sehen sein. Dann will sich Bürgermeister Bubeck mit Vertretern lokaler Unternehmen sowie dem Wirtschaftsförderer des Landkreises über die aktuelle wirtschaftliche Lage unterhalten.