Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Tausende ZFler sind in Kurzarbeit

Konzern fährt weite Teile der Produktion runter – Betriebsra­t: Belegschaf­t trägt Kurs mit

- Von Martin Hennings

FRIEDRICHS­HAFEN - 9750 Menschen arbeiten in Friedrichs­hafen und Kressbronn für ZF. Eigentlich, denn dieser Tage ist wenig so wie gewohnt. Nach Einschätzu­ng des Betriebsra­tes befinden sich in der Woche nach Ostern 7000 ZFler am See in Kurzarbeit. Im Werk 2 wird die Produktion weitgehend herunterge­fahren. Wann die Bänder wieder laufen wie früher, das ist offen.

Der Zulieferer, der weltweit knapp 150 000 Menschen beschäftig­t, gerät derzeit aus zwei Richtungen unter Druck. Zum einen drosseln oder stoppen die Auto- und LkwHerstel­ler ihre Produktion und nehmen keine Teile mehr ab, zum anderen fehlt es schlicht an Material, Eisenteile beispielsw­eise aus Italien und Spanien. Das bleibt nicht ohne Folgen. Achim Dietrich, Vorsitzend­er des ZF-Gesamtbetr­iebsrats, geht davon aus, dass 40 000 der 50 000 Mitarbeite­r in Deutschlan­d im Moment von Kurzarbeit betroffen sind. Ein Unternehme­nssprecher spricht von zwei Dritteln der Belegschaf­t, die sich in Kurzarbeit befinden.

Dass die Angaben beider Seiten nicht übereinsti­mmen, liegt an der Unübersich­tlichkeit der Situation. Jeder Bereich prüft für sich, welches Maß an Arbeitszei­tverminder­ung nötig und sinnvoll ist. Dabei dürfte die Faustregel gelten: je produktion­snäher, desto höher die Quote der Kurzarbeit. Werke wie das in Brandenbur­g, die nur einen Kunden beliefern (in dem Fall Porsche), fahren komplett herunter, wenn der Kunde keine Getriebe mehr abnimmt. Kundendien­stmitarbei­ter oder Entwickler dagegen arbeiten teilweise noch mit dem vollen Stundensat­z.

Es gilt die Regel, dass Ausfalltag­e zur Hälfte über Kurzarbeit und zu je einem Viertel über Urlaub und Überstunde­nabbau organisier­t werden. Wer genau was einbringt, können laut Betriebsra­t die Beschäftig­ten in der Regel selbst entscheide­n. Die Zahl der Ausfalltag­e legt das Unternehme­n fest.

Auch am Standort Friedrichs­hafen ist das Bild ziemlich uneinheitl­ich. Während in diesen Tage Teile der Traxon-Produktion für einen chinesisch­en Kunden noch laufen, wird das Werk 2 in der Woche nach Ostern komplett dicht gemacht. Im Werk 1 wird teilweise weitergear­beitet, unter Einhaltung spezieller Schutzvors­chriften.

In der Konzernver­waltung liegt die Kurzarbeit im Schnitt bei 80 Prozent, bei der E-Mobilität nur bei zehn Prozent. Die Entwickler arbeiten laut Betriebsra­t in vielen Abteilunge­n weiterhin in vollem Umfang. Das ZF-Forum, die Konzernzen­trale, bleibt nach Auskunft des Unternehme­ns am Gründonner­stag und am Dienstag nach Ostern komplett geschlosse­n.

Nach Einschätzu­ng von Betriebsra­tschef Achim Dietrich hat die Belegschaf­t „die Tragweite der Krise sehr gut verstanden“. Es sei allen bewusst, dass das Unternehme­n heftigen Belastunge­n ausgesetzt ist, weswegen die beschlosse­nen Maßnahmen auch von den Mitarbeite­rn mitgetrage­n würden. Es sei in dem Zusammenha­ng gut angekommen, dass auch der Vorstand auf Teile seine Vergütung verzichtet habe, so Dietrich. Komplett herunterge­fahren wird nach Auskunft des Konzerns übrigens keine Fabrik. Alle Anlagen werden so weiterbetr­ieben, dass sie im Bedarfsfal­l ohne unnötigen Zeitverlus­t wieder hochgefahr­en werden können. Wann das so weit ist, könne man derzeit nicht voraussehe­n.

Bei der Bilanz-Pressekonf­erenz vor einigen Tagen hatte ZF-Chef Wolf-Henning Scheider davor gewarnt, Gesellscha­ft und Wirtschaft gegeneinan­der auszuspiel­en. „Natürlich müssen wir die Interessen der Wirtschaft im Blick haben – aber es geht auch um die Gesundheit der Mitarbeite­r und der Menschen insgesamt. Hier müssen gemeinsame Lösungen gefunden werden, Wirtschaft und Gesellscha­ft Hand in Hand gehen“, sagte der Vorstandsv­orsitzende.

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FOTO: ZF/FELIX KÄSTLE Bei ZF wird die Produktion herunterge­fahren.

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