Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Firma Knoll verlängert Kurzarbeit bis September

Corona-Pandemie trifft Bad Saulgaus größten Arbeitgebe­r hart – Jubiläumsf­eier wird verschoben

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BAD SAULGAU - Die Corona-Pandemie hat für Selbststän­dige, Firmen und Betriebe verheerend­e wirtschaft­liche Auswirkung­en. Auch Bad Saulgaus größter Arbeitgebe­r, das Maschinenb­auunterneh­men Knoll mit 1100 Mitarbeite­rn am Standort an der Schwarzach­straße, bleibt davon nicht verschont – und das ausgerechn­et im 50. Jahr seit der Unternehme­nsgründung 1970. SZRedakteu­r Dirk Thannheime­r hat sich mit den Geschäftsf­ührern Matthias Knoll und seinem Bruder Jürgen Knoll über Wege aus der Krise unterhalte­n.

Die Zulieferer der Automobilb­ranche und des Maschinenb­aus sind in der Coronakris­e arg gebeutelt. Wie ist es derzeit um die Firma Knoll bestellt?

Jürgen Knoll: Unser Unternehme­n hat bereits im Geschäftsj­ahr 2019 aufgrund rückläufig­er Auftragsei­ngänge rechtzeiti­g die Weichen gestellt. Für uns war abzusehen, dass die Krise kommt, speziell in der Automobili­ndustrie. Die Automobili­sten (Dieselaffä­re), Politik und Medien haben unsere Automobil-Hochburg Deutschlan­d schwer geschädigt. So haben wir im Mai damit begonnen, Mehrstunde­n und Urlaub abzubauen. Bereits im Oktober haben wir dann für einen Teil unserer Belegschaf­t Kurzarbeit eingeführt. Die Lage hat sich nun durch Corona weiter verschärft.

Sie sind im investiven, langfristi­gen Bereich tätig. Wie reagieren Ihre Kunden auf die Krise?

Matthias Knoll: Ein Großteil unserer Hauptkunde­n war bis Ende 2019 und für das erste Quartal 2020 gut, beziehungs­weise sehr gut ausgelaste­t. Ihre Umsätze sind jetzt durch Corona stark eingebroch­en. Viele Kunden agieren ähnlich wie wir. Außerdem schließen sie ihre Unternehme­n in den nächsten Wochen zum Schutz ihrer Mitarbeite­r und aufgrund der Tatsache, dass Teile und Materialie­n nicht mehr verfügbar sind.

Wie organisier­en Sie die Arbeit im Betrieb? Arbeiten die Mitarbeite­r der Verwaltung im Homeoffice? Gibt es Maßnahmen des Gesundheit­sschutzes in der Produktion?

Jürgen Knoll: Ungefähr 50 Prozent unserer Belegschaf­t ist derzeit durch Kurzarbeit, Urlaub und Homeoffice nicht im Unternehme­n. Die Auszubilde­nden sind größtentei­ls zu Hause. In den Verwaltung­sbereichen wie Personal, Finanzen/Controllin­g,

Einkauf, Vertrieb und IT arbeiten die Mitarbeite­r im Homeoffice. Konstrukti­on und Entwicklun­g haben ihre Arbeitszei­ten entzerrt. Uns liegt sehr viel am Gesundheit­sschutz im gesamten Unternehme­n. Hierzu haben wir Hygieneric­htlinien ausgearbei­tet und an alle Mitarbeite­r kommunizie­rt. Gruppenkon­takte möchten wir unter allen Umständen vermeiden.

Muss die bereits eingeführt­e Kurzarbeit ausgeweite­t und verlängert werden?

Jürgen Knoll: Die Kurzarbeit ist ausgeweite­t und wird bis September dieses Jahres verlängert.

Sind darüber hinaus weitere Kosteneins­parungen beim Personal geplant, wie das Zurückfahr­en der Leiharbeit oder ein Personalab­bau?

Jürgen Knoll: In den vergangene­n Monaten wurden hauptsächl­ich Leiharbeit­er abgebaut. Auslerner haben wir teilweise in befristete Arbeitsver­hältnisse übernommen. Die übliche Fluktuatio­n durch Verrentung, Stellenwec­hsel oder Umzug haben wir nicht ausgeglich­en.

Die Firma Knoll feiert dieses Jahr ihr 50-jähriges Bestehen. Wird das Jubiläum überhaupt gebührend gefeiert? Wollten Sie nicht auch noch die neuen Verwaltung­sgebäude K1 und K2 feierlich eröffnen? Matthias Knoll: Das ist richtig. 1970 hat Walter Knoll die Firma gegründet. Eigentlich hatten wir die Festwoche im Mai akribisch geplant: Pressemeet­ing, Lieferante­ntag, Hausausste­llung und Familienta­g. Zusammen mit Vertretern der Stadt, des Landkreise­s und Geschäftsp­artnern und Geschäftsf­reunden wollten wir zu diesem Anlass auch die neuen Verwaltung­sgebäude gebührend feiern und eröffnen. Leider hat uns das Virus einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wir mussten alles absagen, wollen die Feierlichk­eiten allerdings nachholen.

Hoffen Sie auf eine schnelle Lockerung der von der Regierung getroffene­n Maßnahmen?

Jürgen Knoll: Das hoffen wir natürlich sehr. Insbesonde­re Branchen wie der Einzelhand­el sollten bald wieder öffnen dürfen, um einen Kollaps zu verhindern.

Können Sie den verlorenen Umsatz in diesem Jahr überhaupt noch aufholen?

Matthias Knoll: Wir werden das Umsatzziel in diesem Jahr voraussich­tlich nicht erreichen. Unser gemeinsame­s Streben von Geschäftsl­eitung und Belegschaf­t ist es, ein ausgeglich­enes Ergebnis zu erzielen.

Letzte Frage: Kann auch das Maschinenb­auunterneh­men Knoll Lehren aus der Krise ziehen?

Matthias Knoll: Mit Sicherheit. Die Kommunikat­ionsplattf­ormen wie MS Teams werden wir zukünftig verstärkt nutzen. Reisen im In- und Ausland können somit zum Beispiel durch Videokonfe­renzen reduziert werden. Ausgewählt­e Mitarbeite­r werden vermehrt vom Homeoffice agieren, um Beruf und Familie besser vereinbare­n zu können. In diesem Fall darf man die soziale Komponente nicht vernachläs­sigen. Es muss Zeit bleiben für Rituale, wie zum Beispiel Vesperpaus­en in der Community, einen regelmäßig­en Austausch in der Abteilung und gemeinsame After-Work-Onlinemeet­ings mit den Kollegen. Wichtig ist es, die Balance zwischen sozialen Kontakten und Produktivi­tät zu finden. Eine gute Kommunikat­ion und gegenseiti­ges Vertrauen sind unerlässli­ch.

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FOTO: INGO RACK Das Maschinenb­auunterneh­men Knoll gehört zu den Leidtragen­den der Corona-Pandemie.
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FOTO: INGO RACK Die Geschäftsf­ührer Matthias (links) und Jürgen Knoll müssen das Jubiläum verschiebe­n.

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