Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
„Die Krise trifft Firmen in allen Größenordnungen“
Anke Traber von der Agentur für Arbeit über die Herausforderungen durch die Corona-Pandemie
BAD SAULGAU/BALINGEN - In der schwierigen Zeit der Corona-Pandemie sind die Mitarbeiter der Bundesagentur für Arbeit ganz besonders belastet. Wenn viele Menschen vom wirtschaftlichen Abschwung durch Kurzarbeit oder gar Arbeitslosigkeit infolge der Einschränkungen zur Eindämmung der Pandemie betroffen sind, ist die Bundesagentur für Arbeit Anlaufstelle Nummer eins. Redakteur Dirk Thannheimer sprach mit Anke Traber, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Balingen, die für den Kreis Sigmaringen zuständig ist.
Seit der Coronakrise ist die Agentur für Arbeit sicherlich ein gefragter Ansprechpartner. Werden die Mitarbeiter den vielen Anfragen überhaupt noch gerecht?
Stimmt, die Zahl der Fragen hat deutlich zugenommen. Das liegt natürlich auch daran, dass wir unsere Türen für den Publikumsverkehr schließen mussten, um uns und unsere Kunden vor Ansteckung zu schützen. Wir haben aber durch interne Umorganisation sichergestellt, dass unsere Service-Rufnummern erreichbar bleiben. Leider kommt es trotzdem vor, dass Anrufer mal nicht durchkommen. Aber dann rufen wir schnellstmöglich zurück.
Wo drückt denn am meisten der Schuh?
Die Anliegen sind so vielfältig wie vor der Krise. Den meisten geht es natürlich in erster Linie ums Geld. Die Menschen machen sich Sorgen, und das sind ja oft existenzielle Fragen. Das gilt für Beschäftigte und Arbeitslose genauso wie für Selbständige und Unternehmer.
Wie oft müssen Sie Kunden Informationen zum Thema Kurzarbeit mitteilen?
Die erste Welle an Anfragen zur Kurzarbeit haben wir geschafft. Nach dem ersten großen Beratungsbedarf geht es den Betrieben jetzt um das konkrete Anzeige- und Abrechnungsverfahren. Die Zahl der durchgeführten Beratungen können wir aber derzeit nicht auf regionaler Ebene erheben, weil dafür einfach die Zeit fehlt. Wichtiger ist uns, jede inhaltliche Frage schnell und kompetent zu beantworten.
Solo-Selbstständige, Einzelhändler, mittelständische Betriebe, große Unternehmen: Kann man sagen, wen die Krise derzeit am härtesten trifft?
Vom kleinsten bis zum großen Betrieb trifft die Krise Firmen in allen Größenordnungen. Aber während größere Unternehmen vielleicht noch eher Reserven haben oder etwas überbrücken können, trifft es besonders die meist kleinen und Kleinstbetriebe, die den Geschäftsbetrieb vollständig einstellen mussten.
Gibt es Branchen, die besonders betroffen sind?
Es würde einen falschen Eindruck erzeugen, wenn man einzelne Branchen herausgreift. Die gesamte heimische Wirtschaft ist von der Krise betroffen. Die politischen Maßnahmen zur Verlangsamung der Ausbreitung des Virus betreffen alles Lebensbereiche, und so sind auch überall Auswirkungen spürbar.
Welche Hilfestellungen bietet die Agentur für Arbeit?
Wir können derzeit leider nicht persönlich beraten. Per Telefon versuchen wir, die drängenden Fragen der
Menschen zu beantworten. Zudem haben wir unser Online-Angebot ausgebaut und Informationen im Internet gebündelt. Den Fokus legen wir derzeit auf die Auszahlung von Geldleistungen, sei es Arbeitslosengeld I und II, Kurzarbeitergeld, Kindergeld oder Kinderzuschlag.
Wie schnell kommt die Hilfe bei den Kunden an?
Das kann man natürlich nicht genau sagen, weil das von Fall zu Fall unterschiedlich sein kann. Wir wissen aber um die Bedeutung schneller Auszahlungen und haben deshalb intern Personal in den wichtigsten Bereichen konzentriert. Viele Kolleginnen und Kollegen arbeiten - teilweise nach Kurzschulungen - in der Leistungsbearbeitung mit. Aktuell haben wir in dem Bereich das Personal verfünffacht. Durch die höheren Personalkapazitäten und einige Verfahrensvereinfachungen versuchen wir jeden Tag, möglichst schnell allen zu helfen.
Jeder will vermutlich der Erste sein. In welcher Reihenfolge arbeiten Sie die Anfragen ab?
Wir können und wollen niemanden bevorzugen oder benachteiligen. Es geht also im Regelfall der Reihe nach. Auf besondere Notlagen müssen wir natürlich reagieren.
Wie reagieren die Kunden?
Klar, dass mal jemand ungehalten ist, den wir nicht ins Haus lassen können, der öfter am Telefon nicht durchkommt oder schon eine Weile auf einen Rückruf oder gar den Bewilligungsbescheid wartet. Aber in der weit überwiegenden Mehrzahl bekommen wir sehr freundliche und verständnisvolle, ja oft sogar dankbare Rückmeldungen. Unsere Kundinnen und Kunden verstehen, dass wir uns in einer Ausnahmesituation befinden und sie erkennen, dass wir unser Bestes geben.
Wie muss man sich die Situation bei Ihnen vorstellen? Sind die Mitarbeiter schon am Anschlag oder alle motiviert, in dieser Notsituation nicht auf die Uhr zu schauen?
Natürlich stellt uns diese Krise vor ungeahnte Herausforderungen. Das ist schon ein Kraftakt, in kürzester Zeit Abläufe umzustellen, Personal in anderen Bereichen fit zu machen und immer dort einzugreifen, wo man gerade am nötigsten gebraucht wird. Hinzu kommt, dass auch meine
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter natürlich auch ihre privaten Sorgen haben wie jeder andere. Da geht es um die eigene Gesundheit und die der Angehörigen, um Kinderbetreuung, um Kontaktverbote zu nahen Angehörigen und all die Probleme, die jeder von uns gerade kennt. Umso stolzer bin ich auf meine Mitarbeiterschaft. Jeder packt zu, jeder will helfen - und zwar weit über das übliche Maß hinaus. Das funktioniert nur mit Sonderschichten und Überstunden, nur Dienst nach Vorschrift macht hier keiner. Und deshalb bin ich auch so zuversichtlich, dass wir das meistern werden.
Haben Sie eine Bitte an die Kunden?
Unserer Kundschaft danke ich für das Verständnis und das Vertrauen in uns. Was uns allen in dieser Zeit hilft, ist Zuversicht. Unterstützen können uns Kunden, indem sie nach der Einreichung von Unterlagen mit einer Rückfrage etwas länger warten als sonst und etwas mehr Geduld haben. Ich habe zwar Verständnis fürs Nachfragen, aber das erzeugt bei uns zusätzliche Vorgänge, die besser vermieden werden, damit es für alle schneller geht.