Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Corona-Verordnung verunsichert Zahnärzte
Nur noch Notfallbehandlungen erlaubt – Doch was zählt als Notfall, was nicht?
SIGMARINGENDORF - Zahnärzte sind seit jeher dem Speichel ihrer Patienten ausgesetzt. In Zeiten des Corona-Virus, einer Tröpfcheninfektion, die auch über den Speichel übertragen wird, hat sich die Lage verschärft. Seit dieser Woche ist nun ein weiterer Paragraph der Corona-Verordnung in Baden-Württemberg in Kraft getreten, der besagt, dass Zahnärzte nur noch Notfallbehandlungen machen dürfen. Doch was heißt das?
Diese Frage stellt sich auch Elisabeth Köster, Ehefrau des Sigmaringendorfer Zahnarzts Frank Köster: „Notfallbehandlungen ist ja ein dehnbarer Begriff.“Auch eine herausgefallene Füllung müsse behandelt werden, um schlimmeren Karies zu vermeiden, genauso wie Paradontose, denn ansonsten fielen die Zähne raus. Jedenfalls, so ihr Fazit, seien nicht nur Patienten mit Schmerzen als Notfall einzuordnen. Kosmetische Behandlungen wie Zahnreinigungen fielen vorerst aber definitiv aus.
Umgekehrt erlebe sie in der Praxis ihres Mannes, in der sie auch angestellt ist, dass diverse Patienten ihre Termine absagen. „Was behandelt werden muss, ist auch vom Patienten abhängig“, sagt sie. Wer nicht kommt, kann auch nicht behandelt werden. Entsprechend wenige Termine seien momentan in der Praxis vorgemerkt, sagt Köster. Täglich kommen ein bis zwei Patienten statt vorher vier. Deshalb habe die Praxis auf Kurzarbeit umgestellt.
Auch die Ausrüstung musste das Team aufstocken. Neben Handschuhen und Vlies- Mundschutz, was bisher üblich war, gehören jetzt FFP2- und FFP3-Masken zur Ausrüstung. Auch die Desinfektion der Praxis habe zugenommen. „Die Gefahr für unsere Patienten, sich mit Covid-19 anzustecken, ist in unserer Praxis realtiv gering“, so ihr Fazit.
Ähnliches berichtet auch Dr. Fritz Schulz, Zahnarzt in Sigmaringen. Auch bei der Behandlung selbst werde wegen des Virus eine desinfizierende Mundspülung gemacht. Sein Verständnis von Notfallbehandlungen ist, dass alles, was nicht ganz dringend ist, aufgeschoben wird. Das betreffe zum Beispiel protetische Eingriffe, wie das Erstellen eines Gebisses. Das sei sehr zeitaufwendig.
Reparaturen und Provisorien werden aber trotzdem angefertigt, wenn es Schäden an Gebissen gibt oder Protesen notwendig werden.
Auch prophylaktive Termine würden abgesagt, insbesondere deshalb, weil Geräte verwendet würden, die Nebel erzeugen, wie der Ultraschall oder die Turbine. Dieser Nebel, so Schulz, verteile womöglich Keime im Raum, was die Gefahr einer Ansteckung erhöhe. Dennoch betont der 64-Jährige: „Wir haben einen Sicherstellungsauftrag, das heißt, wir helfen Patienten, die es wirklich brauchen.“Auch kieferorthopädische Behandlungen ließen sich nicht ewig aufschieben, fügt er an.
Immer schon haben Keime bei Zahnärzten eine Rolle gespielt, sagt Schulz. Damit meint er unter anderem Aids und Hepatitis C. Es sei damals heikel gewesen, als die Krankheiten auftraten und man nicht so recht wusste, wie die Behandlungen ablaufen werden – und auch, wie hoch der Ansteckungsgrad sei. Daher sei es in der Branche bereits vor
„Wir helfen Patienten, die es wirklich brauchen“, sagt Dr. Fritz Schulz, Zahnarzt in Sigmaringen
den Corona-Verordnungen üblich gewesen mit Mundschutz, Handschuhen und Brille eine Untersuchung und Behandlung vorzunehmen.
Allerdings hat die Praxis von Fritz Schulz in Sigmaringen trotzdem natürlich auf die gesonderten Umstände reagiert. Patienten, die im Wartezimmer sitzen, gibt es nicht mehr, sie werden gleich in ein gereinigtes Behandlungszimmer gebracht. Risikopatienten rät Schulz, mit den Behandlungen zu warten, bis die Hauptinfektionswelle vorbei ist. Zurzeit herrsche in der Praxis lediglich der Notbetrieb, das seien etwa 20 Prozent der regulären Termine. Damit soll verhindert werden, dass sich Patienten im Wartezimmer gegenseitig anstecken und um das Personal ebenfalls zu schützen.
Die Hygienestandards werden also peinlichst genau eingehalten, aber auch hier gibt sich der Zahnarzt keinen Illusionen hin: „Ewig halten unsere Vorräte nicht“. Sollten die Materialien ausgehen, dann müsse er die Praxis schließen. Bis dahin setzt er die Standards. Denn der Keim, der das Virus auslöst, sei durch die Reinigungsmaßnahmen gut zu vernichten, erklärt Schulz.