Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Erster 100-Jähriger in Bingen

Karl Fleisch feiert mit 100 Rosen, Familie und ausreichen­d Abstand.

- Von Mareike Keiper

HORNSTEIN - Der Geburtstag­stisch steht vor dem Haus, darauf 100 Rosen und kleine Sektflasch­en. Eine 100 zieht auch links daneben die Aufmerksam­keit auf sich. Sie ist weiß, aus Holz und etwa einen Meter hoch. Die Zahl dominiert an diesem Mittwoch den Vorgarten an der Hornsteine­r Hauptstraß­e. Das hat natürlich seinen Grund: Karl Fleisch feiert seinen 100. Geburtstag. Damit ist er der erste Binger, der dieses Lebensjahr erreicht.

Das erfüllt Fleisch sichtbar mit Dankbarkei­t. „Mir geht es Gott sei Dank gut“, sagt er. Nach wie vor mache er jeden Tag seinen Spaziergan­g und verrichte auch noch Hausarbeit, unterstütz­t von seinem Sohn Karl-Heinz Fleisch und dessen Frau. Sie sind auch an diesem Morgen zu Besuch und bereiten das Fest vor. Groß wird das nicht, das verhindere die Pandemie. „Aber wir drei Kinder feiern mit unserem Vater am Nachmittag im Garten, wo wir genug Abstand zueinander haben“, sagt Karl-Heinz Fleisch.

Doch die Familienmi­tglieder sind an diesem Tag nicht die einzigen, die ihn besuchen. Immer wieder kommen Nachbarn oder Bekannte vorbei, manche rufen über die Straße den Geburtstag­sgruß. Auch Bürgermeis­ter Jochen Fetzer fährt gemeinsam mit dem früheren Binger Bürgermeis­ter Paul Mayer, der von 1978 bis 2002 im Amt war, vor. Auch für ihn ist das eine neue Situation, schließlic­h gab es vor Fleisch keinen 100-Jährigen in Bingen. Deshalb hat sich der Binger Bürgermeis­ter einiges einfallen lassen. Die Geburtsurk­unde hat er eingerahmt und mitgebrach­t. Außerdem schenkt er eine Zeitung aus dem Jahr 1920 sowie einen Geldschein von damals.

Das ist aber nicht alles. Für Fleisch hat die Gemeinde einen Apfelbaum am Wasserrese­rvoir pflanzen lassen. Die Bank, die weiter weg stand, wurde versetzt, sodass sie jetzt direkt am Apfelbaum einen Platz zum Ruhe finden bietet. Da der 100-Jährige nach wie vor spaziereng­eht, war es Fetzers Wunsch, wie er sagt, dass Fleisch an seinem eigenen Apfelbaum rasten kann.

Gerastet hat Fleisch viele Jahre aber nicht. Der gebürtige Hornsteine­r arbeitete bis zu seinem 95. Lebensjahr auf dem Hof seines Sohnes mit, bis ihn ein Unfall zur Ruhe zwang. Auch in seiner aktiven Berufszeit arbeitete er als Landwirt, hatte 1950 den Hof seiner Eltern übernommen. Ein Jahr später heiratete er Sofie Maier, mit der er 65 Jahre verheirate­t war, bis sie 2016 starb. Mit ihr hat er zwei Söhne und eine Tochter. Insgesamt gibt es sechs Enkel und drei Urenkel, doch der vierte Urenkel ist bereits unterwegs.

Neben seiner langjährig­en Arbeit in der Landwirtsc­haft brachte sich Karl Fleisch auch ehrenamtli­ch ein. 49 Jahre lang war er bei der Feuerwehr aktiv, davon 37 Jahre als Kommandant. Auch im Gemeindera­t engagierte er sich von 1947 bis 1970. Und im Rentenalte­r brachte er sich sieben Jahre lang als Kassierer beim

Rentnertre­ff in Bingen ein, acht Jahre lang als Vorsitzend­er.

All das ist in 100 Jahren Lebenszeit passiert. „Man kann das gar nicht richtig fassen“, so Fleischs Resümee. Richtig verstehen werde er das vermutlich erst in den nächsten Tagen, gibt er zu. Seine Tipps für ein langes Leben: „Schaffen, sparen, Häusle bauen und nach schönen Frauen schauen“, sagt er schmunzeln­d. Und scheinbar gute Gene, fügt Bürgermeis­ter Fetzer an. Die Zweitältes­te in der Gemeinde sei nämlich Fleischs Schwester mit 98 Jahren. Womöglich die zweite Bingerin, die das 100. Lebensjahr erreicht.

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FOTO: MKE
 ?? FOTO: MAREIKE KEIPER ?? Karl Fleisch (rechts) wird zum Jubeltag von seiner Familie reich beschenkt, auch von Sohn Karl-Heinz.
FOTO: MAREIKE KEIPER Karl Fleisch (rechts) wird zum Jubeltag von seiner Familie reich beschenkt, auch von Sohn Karl-Heinz.

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