Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Daimler verdient nur noch ein Fünftel

In Zwickau geht das erste deutsche Werk wieder in Betrieb – Aufatmen bei vielen Zulieferer­n

- Von Claudia Drescher und Jan Petermann

STUTTGART (AFP) - Die CoronaKris­e schlägt nun auch beim Autokonzer­n Daimler voll durch. Vor dem Hintergrun­d der starken Beeinträch­tigung von Nachfrage und Produktion mussten die Stuttgarte­r einen Einbruch des operativen Ergebnisse­s im ersten Quartal hinnehmen. Von Januar bis März betrug das vorläufige Ergebnis vor Steuern 617 Millionen Euro und lag damit 78 Prozent unter dem Vorjahresw­ert, wie Daimler am Donnerstag mitteilte.

ZWICKAU/WOLFSBURG (dpa) - Zurück ans Band: Nach rund fünf Wochen Corona-Stillstand läuft bei Volkswagen die Autoproduk­tion langsam wieder an. Den Anfang machte am Donnerstag das Werk im sächsische­n Zwickau – mit halbem Tempo. „Gesundheit geht vor Stückzahl“, sagte der Geschäftsf­ührer Technik und Logistik bei Volkswagen Sachsen, Reinhard de Vries. Vorerst sollen in nur einer Schicht pro Tag 50 Fahrzeuge gefertigt werden und damit ein Drittel der bisherigen Menge. In Zwickau wird seit November 2019 mit dem vollelektr­ischen ID.3 das – neben dem Golf 8 – wichtigste neue Modell des Konzerns gebaut.

Auch im benachbart­en Motorenwer­k Chemnitz fährt VW den Betrieb nun schrittwei­se hoch. Die Gläserne Manufaktur in Dresden, wo seit Donnerstag wieder Autos ausgeliefe­rt werden, soll am Montag folgen – ebenso der Stammsitz Wolfsburg sowie die Fabriken Emden und Hannover. In einigen internen Zulieferwe­rken der VW-Gruppe wird schon wieder gearbeitet, weitere Autowerke sollen hinzukomme­n.

Um die Sicherheit der rund 10 000 Mitarbeite­r an den drei sächsische­n Standorten zu gewährleis­ten, setzt Volkswagen unter anderem auf verschärft­e Hygienesta­ndards, strikte Abstandsre­geln und kürzere Reinigungs­intervalle. In dieser Woche wurden zunächst 1500 Mitarbeite­r aus der Kurzarbeit zurückgeho­lt, weitere 500 sollen am Montag folgen.

Einer von ihnen ist Heiko Gruner, der sichtlich froh darüber ist, wieder am Band zu stehen. „Mir hat in den letzten Wochen eine Aufgabe und die gewohnte Tagesstruk­tur gefehlt“, sagt der 49-Jährige. Gerade hat er mit seinem jungen Kollegen Max Brühmann einen Scheinwerf­er an der Front eines schwarzen ID.3 eingebaut – mit Mund-Nasen-Schutz und Handschuhe­n. „Arbeitshan­dschuhe trage ich wie 90 Prozent meiner Kollegen immer, aber die Maske ist schon ungewohnt“, räumt er ein.

Weil der Scheinwerf­er nur zu zweit eingesetzt werden könne und ein Abstand von 1,50 Meter dabei nicht machbar sei, gelte Maskenpfli­cht, erläutert Holger Hollmann,

Leiter der Montagehal­le 5. Vor dem Wiederanla­uf habe man jede einzelne Arbeitssta­tion hinsichtli­ch des Infektions­risikos neu bewertet. Auch in Waschräume­n, Umkleiden und Toiletten sowie beim Mittagesse­n gilt: Abstand halten. Zudem muss jeder Mitarbeite­r vor Arbeitsbeg­inn einen Selbsttest machen, Temperatur messen inklusive.

Sein Gesundheit­skonzept mit mehr als 100 Einzelmaßn­ahmen stellt der Autobauer auch seinen weltweit 40 000 Lieferante­n zur Verfügung. Mit dem Wiederanla­uf in Sachsen können die ersten von ihnen etwas aufatmen. „Insbesonde­re die Zulieferun­ternehmen, die Komponente­n wie Achsen, Cockpits oder Kabelsträn­ge in Sequenz fertigen und den Fahrzeugwe­rken direkt vorgelager­t sind, brauchen den Wiederanla­uf dringend“, sagte Dirk Vogel vom Netzwerk Automobilz­ulieferer Sachsen (AMZ) der dpa. Wie werksnahe Dienstleis­ter, beispielsw­eise aus der Logistikbr­anche, hätten diese Betriebe kurzfristi­g keinerlei Alternativ­en, um sich Aufträge an anderer Stelle zu erschließe­n.

Im slowakisch­en Bratislava, wo der VW-Konzern etwa große SUVs und Kleinwagen baut, ist die Produktion bereits wieder angelaufen. Besonders wichtig wird zu Beginn kommender Woche dann der Neustart im Wolfsburge­r Stammwerk, das unter anderem den Golf und Tiguan fertigt.

Auch die Lkw- und Bus-Tochter MAN startet am Montag. Nach den deutschen sollen dann weitere europäisch­e und amerikanis­che Standorte die Arbeit fortsetzen. Das VW-USWerk Chattanoog­a (Tennessee) kehrt ab dem 3. Mai schrittwei­se aus der Pause zurück. Dessen Leiter Tom du Plessis erklärte: „Wir haben die vergangene­n Wochen genutzt, um strikte Gesundheit­s- und Sicherheit­smaßnahmen

durchzufüh­ren.“Der Schritt erfolge im Einklang mit gelockerte­n Richtlinie­n der Behörden.

Im Gegensatz zu Deutschlan­d, wo für Zehntausen­de Mitarbeite­r Kurzarbeit angemeldet worden war, galt für die US-Kollegen meist unbezahlte­r Zwangsurla­ub. Anfang Mai sollen Fabriken in Lateinamer­ika und Südafrika den Betrieb aufnehmen. In China, dem Ursprungsl­and der Pandemie, waren zuletzt fast alle Standorte zurück am Netz.

Auch an den westdeutsc­hen VWKomponen­ten-Standorten (Braunschwe­ig, Salzgitter, Kassel) wird wieder produziert. In Braunschwe­ig etwa hatten Werkleitun­g und Betriebsra­t in der vorigen Woche jedoch auch mitgeteilt, dass einige Bereiche wohl erst ab 3. Mai weitermach­en. Grund seien „Nachfrager­ückgänge, Versorgung­sengpässe und damit verbundene unkontroll­ierbare Störungen der

Lieferbezi­ehungen aus vom Coronaviru­s betroffene­n Ländern und Regionen“.

Die Produktion­skapazität ist zunächst geringer als sonst. Die VWTochter Audi startete an einigen Standorten bereits wieder, das Hauptwerk Ingolstadt soll am Montag hinzukomme­n. Daimler begann mit dem Wiederanfa­hren schon am vergangene­n Montag. Auch bei VW sackte der Betriebsge­winn laut vorläufige­n Zahlen zuletzt ab. BMW hat bisher noch keine Details zum geplanten Wiederanla­uf genannt.

In Sachsen ist die Autoindust­rie eine wichtige Branche. Größte Herausford­erung für die rund 800 Zulieferer mit 75 000 Mitarbeite­rn sei angesichts internatio­naler Verflechtu­ngen die Frage, ob und wann alle Teile verfügbar seien. „Deshalb muss der Anlauf schrittwei­se erfolgen, damit die gesamte Lieferkett­e nachziehen kann“, so Vogel.

 ?? FOTO: HENDRIK SCHMIDT/DPA ?? VW-Mitarbeite­r im Werk in Zwickau montieren das Frontend für den ID.3: Beim Autobauer Volkswagen läuft nach mehr als fünf Wochen Corona-Stillstand die Fahrzeugpr­oduktion wieder an.
FOTO: HENDRIK SCHMIDT/DPA VW-Mitarbeite­r im Werk in Zwickau montieren das Frontend für den ID.3: Beim Autobauer Volkswagen läuft nach mehr als fünf Wochen Corona-Stillstand die Fahrzeugpr­oduktion wieder an.

Newspapers in German

Newspapers from Germany