Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Nie war Ehegattensplitting so wertvoll wie heute
Viele Menschen bemerken erst jetzt in der Corona-Krise, dass sie sich vor geraumer Zeit, als man noch problemlos hätte davonlaufen können – wenn nötig sogar ins Ausland – fahrlässig verheiratet haben. Die zwangsweise Zeit der Zweisamkeit deckt nun in aller Schonungslosigkeit vielfache Mängel bei Gatte oder Gattin auf. Gab es in den letzten umtriebigen Jahren etwa kaum Gelegenheit für gemeinsamen Musikgenuss, wird nun deutlich, welch grässlicher Geschmack die oder der Angetraute pflegt. Und überwiegend aushäusig essende
Menschen stellen entsetzt fest: Er, respektive sie, kann ja gar nicht kochen!
Solch späten Erkenntnissen sind Paare im Zustand der allgemeinen Ausgangsbeschränkungen schutzlos ausgeliefert. Die Verherrlichung des eigenen Lebenspartners gelingt in dessen Abwesenheit ohnehin immer noch am besten – wofür Nachrufe in Zeitungen der unwiderlegbare Beleg sind. So weit muss es aber trotz pandämlicher Umstände nicht kommen. Meist versöhnt uns der Blick auf den aktuellen Steuerbescheid im Licht des Ehegattensplitting wieder mit den Unzulänglichkeiten der besseren Hälfte. Denn geteiltes Steuerleid ist ja doppelte Freud’.
So lauten am Ende auch die Ratschläge der Eheberater: Man möge sich auf die Gemeinsamkeiten besinnen und jene Dinge, die man aneinander schätzt, auch ins Bewusstsein rufen. Und keinesfalls Oscar Wildes Definition von Ehegattensplitting lesen, die da lautet: „Die Ehe ist der Versuch, zu zweit wenigstens halb so glücklich zu werden, wie man allein gewesen ist.“