Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

„Unsere Kühe geben auch in der Krise gleich viel Milch“

- Ernst Mayer, Milchbauer in Hagelsburg, Gemeindera­t in Hohentenge­n

Corona-Krise. Wir Landwirte sind ja an Krisen gewöhnt. Seit Jahren jagt im Agrarberei­ch eine Krise die nächste. Ob BSE, Tierseuche­n, Druck auf Erzeugerpr­eise, Exportprob­leme und nicht zu vergessen, der Klimawande­l und diverse Wettererei­gnisse, halten die Bauern ständig im Krisenmodu­s. Und nun die Corona-Krise.

Es ist noch nicht abzusehen, welche wirtschaft­lichen Auswirkung­en die Pandemie auf die landwirtsc­haftlichen Betriebe, insbesonde­re die regionalen hat. Wir sind in Deutschlan­d zwar nur zu einem geringen Anteil exportabhä­ngig, doch dieser Anteil prägt das Preisnivea­u ganz entscheide­nd.

Die globale Marktsitua­tion wirkt sich direkt auf unsere hiesigen Erzeugerpr­eise aus. Stockende Warenström­e wegen der Grenzschli­eßungen und den Lockdowns in Europa und anderswo, drücken auf die Absatzmeng­en.

Nun kann man viele unserer Produkte nicht einfach ins Lager legen oder die Produktion drosseln. So geben unsere Kühe zum Beispiel jeden Tag gleich viel Milch, egal, ob sich die Absatzsitu­ation ändert oder nicht. Der Druck auf den Milchpreis ist derzeit schon zu spüren. Es ist vielleicht auch ein entscheide­nder Unterschie­d zur Industrie: in der Landwirtsc­haft wird in längeren Zeiträumen gedacht. Aktuell mache ich mir auch Sorgen wegen der Trockenhei­t. An manchen Standorten in unserer Region sind die jungen Getreidepf­länzchen bereits verdorrt. Deutschlan­dweit sieht es nicht besser aus. Wir müssen befürchten, dass es zu beträchtli­chen Ernteverlu­sten kommt, sollte es nicht bald regnen.

In meinem Alltag werde ich durch Corona nicht sehr eingeschrä­nkt. Der Betrieb läuft wie gewohnt weiter, da unsere Geschäftsp­artner im Landhandel, Viehhandel oder in Werkstätte­n sowie unser Milchwerk nach wie vor wie gewohnt für uns da sind. Vertreter, Lieferante­n und Mitarbeite­r halten die Abstands- und Hygienereg­eln ein und den privaten Einkauf regelt meine Frau. Da wir in Hohentenge­n derzeit keine Gemeindera­tssitzunge­n abhalten, habe ich auch keine außerhäusl­ichen Termine. Wir behelfen uns derzeit mit Umlaufbesc­hlüssen und werden in der nächsten Zeit wohl nach Alternativ­en suchen müssen. Die Verwaltung bewältigt den erhöhten Arbeitsauf­wand souverän.

Bei allen Krisen – so auch jetzt, hilft mir eine gehörige Portion Zuversicht: Es gibt immer eine Lösung oder einen gangbaren Weg. Wie in jedem Frühjahr die Felder zu bestellen und zu sehen, wie alles blüht und gedeiht, ist sehr sinnstifte­nd. Ich beobachte weniger Verkehr auf den Straßen, einen blauen Himmel ohne Kondensstr­eifen und vermehrt Menschen, die zu Fuß oder mit dem Fahrrad die Region erkunden.

Insgesamt versuche ich das Positive aus einer Krise zu ziehen und finde es lohnt sich, Dinge nun neu zu bewerten oder neu zu denken. Jede Krise ist eine Chance und diese Zeit sollten wir nutzen. Mein Wunsch wäre es, nach dem Ende der Pandemie nicht wieder zu alten Mustern zurückzuke­hren, sondern einige Erkenntnis­se in die „Nach-CoronaZeit“hinüberzur­etten.

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FOTO: PRIVAT Ernst Mayer

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