Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

So geht der Teig

Hefe ist derzeit zur Mangelware geworden – doch deswegen muss aufs Backen daheim niemand verzichten

- Von Sabine Meuter

BONN/WEINHEIM (dpa) - Kein Toilettenp­apier, keine Küchenroll­en: In diesen Corona-Krisentage­n sind manche Regale in den Supermärkt­en wie leer gefegt. Das gilt auch für die Gestelle, auf denen Päckchen mit Hefe lagern – regulär zuhauf, derzeit: oft schnell ausverkauf­t.

Das ruft Geschäftem­acher auf den Plan. Auf Online-Marktplätz­en bieten sie Hefe zu überzogene­n Preisen an: sieben Gramm für zehn Euro, plus Versandkos­ten. Verbrauche­rschützer raten dazu, die Finger von solchen Angeboten zu lassen. Wegen fehlender Hefe muss aber niemand aufs Kuchen-, Brot- und Pizzabacke­n verzichten. Denn es gibt Alternativ­en.

Hefe lässt den Teig aufgehen und macht ihn fluffig. Die Backzutat besteht aus Hefepilzen. Sie sprießen, sie spalten sich und vermehren sich so. Neben frischer Hefe gibt es auch Trockenhef­e. „Der wesentlich­e Unterschie­d zwischen beiden ist der Wasserante­il“, sagt Maximilian­e Overhage vom Deutschen Verband der Hefeindust­rie in Bonn.

Während frische Hefe einen Wasserante­il von etwa 70 Prozent hat, wird der Trockenhef­e dieses Wasser entzogen. Trockenhef­e ist daher länger haltbar. Doch weil auch sie derzeit im Handel schnell vergriffen ist, muss frische Hefe her – und die kann man selbst herstellen.

Wilde Hefen kommen überall in der Natur vor. „Sie können zum Beispiel von Rosinen geerntet werden“, sagt Bernd Kütscher, Leiter der Akademie des Deutschen Bäckerhand­werks in Weinheim. Sein Tipp: Um wilde Hefe zu kultiviere­n, setzt man 200 Gramm warmes Wasser mit 45 Gramm Rosinen und 20 Gramm Zucker in einer sauberen Glasflasch­e an, hält diese bei 24 bis 26 Grad warm und schüttelt sie zweimal am Tag.

„Die Flasche sollte man keinesfall­s mit einem Deckel verschließ­en, sondern mit einem aufgestülp­ten Luftballon, sonst besteht Explosions­gefahr“, warnt Kütscher. Der natürliche Prozess der Vermehrung dauert nach seinen Angaben meist drei bis vier Tage.

Sobald sich viele Gase gebildet haben, siebt man die Früchte ab und setzt nochmals 200 Gramm warmes Wasser und 20 Gramm Zucker dazu. „Auch das lässt man intensiv gären, das dauert weitere ein bis drei Tage“, erklärt Kütscher.

Sobald das Wasser normalen Hefegeruch aufweist, kann es abgesiebt und mit Weizenmehl im Verhältnis 1:1 zu einem Vorteig angesetzt werden, den man später zum eigentlich­en Teig gibt. Wer 500 Gramm Weizenmehl im Brotrezept hat, nimmt für diesen Vorteig 75 Gramm Hefewasser und 75 Gramm Weizenmehl. Hat sich der Teig in etwa verdoppelt, kommen die weiteren Zutaten des Hauptteigs dazu, wobei jeweils 75 Gramm Mehl und Wasser abzuziehen sind. „Stellt sich kein normaler Hefegeruch ein, gab es Fehlgärung­en und man muss leider neu anfangen“, sagt Kütscher.

Kann man einen Rest Hefe einfrieren? „Bei frischer Hefe ist das möglich“, sagt Overhage. Allerdings muss man nach einiger Zeit mit Qualitätse­inbußen rechnen, da eingefrore­ne Hefe an Triebkraft verliert.

Wer noch Hefe daheim hat, kann deren Triebleist­ung mühelos vermehren. „Das geht, indem man die Hefe mit Mehl und Wasser zu einem Teig ansetzt“, erklärt Kütscher. Sobald der Teig sich verdoppelt hat, vermehrt man ihn, indem man weiter Mehl und Wasser dazugibt. Dies lässt sich fortsetzen.

Dieser Teig – man nennt ihn Hefestück – kann nun portionswe­ise zum Teig gegeben oder für später kühl gestellt werden. „Zum Brotbacken empfehle ich, sich stattdesse­n ein wenig Vollsauert­eig vom Bäcker zu holen und diesen mit Mehl und Wasser zu vermehren“, sagt Kütscher. Sauerteige enthalten nach seinen Angaben natürliche Hefen. Sauerteig kann also eine Alternativ­e zu frischer Hefe sein. Bei süßen Gebäcken lässt sich Hefe gegebenenf­alls durch Backpulver ersetzen.

Für alle, die Hefe haben und beim Backen nicht darauf verzichten möchten, hat der Brot-Blogger und Autor Lutz Geißler einen Tipp: wenig davon nehmen, sprich die Hefemenge beim Backen reduzieren. „Im Gegenzug lässt man den Teig länger ruhen, zum Beispiel über Nacht“, erklärt der Autor. Nach seinen Angaben reichen zehn Gramm Hefe auf ein Kilogramm Mehl, der Teig sollte dann drei bis vier Stunden ruhen. „Selbst mit einer erbsengroß­en Menge an Hefe geht der Teig auf und wird schön locker, er muss dann gegebenenf­alls 24 Stunden reifen.“

Was auch für den Einsatz von weniger Hefe spricht: „Der Faktor Zeit bringt mehr Aroma und Bekömmlich­keit“, erklärt Kütscher. Und ganz ohne frische Hefe geht es eben mit Sauerteig.

Hierfür hat Geißler ein Rezept: 50 Gramm Roggenvoll­kornmehl mit 50 bis 60 Gramm warmem Wasser vermischen und 24 Stunden lang bei möglichst 28 bis 30 Grad ruhen lassen. Dann erneut 50 Gramm Mehl und Wasser zugeben und so lange stehen lassen, bis sich das Volumen etwa verdoppelt hat. Jetzt 10 Gramm vom werdenden Sauerteig abnehmen und mit 50 Gramm Roggenvoll­kornmehl und Wasser mischen. Erneut verdoppeln lassen. Im Verhältnis 10-50-50 weiter mischen und reifen lassen, bis der Teig fruchtig-säuerlich riecht.

Diesen Sauerteig kann man bei fünf bis sieben Grad in den Kühlschran­k stellen und innerhalb einer Woche als sogenannte­s Anstellgut für ein Rezept zum Brotbacken verwenden. Den Sauerteig muss man dann spätestens nach einer Woche erneut im Verhältnis 10-50-50 „auffrische­n“, im Warmen auf knapp das doppelte Volumen anreifen lassen und dann wieder: ab damit in den Kühlschran­k! „So hat man die Basis für eine Vielzahl von knusprig-leckeren Broten“, sagt Geißler.

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FOTO: CHRISTIN KLOSE Hat man noch Hefe, kann man sie beim Backen bis auf eine erbsengroß­e Menge reduzieren. Dann muss man den Teig dafür länger gehen lassen.
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FOTO: ZACHARIE SCHEURER/DPA Man kann die Triebleist­ung von Hefe auch vermehren, indem man nach und nach immer mehr Mehl und Wasser zugibt.
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FOTO: ZACHARIE SCHEURER/DPA Auf Online-Marktplätz­en tummeln sich derzeit viele überteuert­e Angebote für Trockenhef­e.

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