Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Ratten jetzt schon im Baumarkt gesichtet
Stadt Ravensburg fühlt sich für Plage nicht zuständig – Beseitigung der Nager sei Sache des Eigentümers
RAVENSBURG - Die Ratten im Ravensburger Gewerbegebiet Bleiche werden immer dreister. Offenbar halten sie sich nicht mehr bloß auf dem Parkplatz eines Baumarktes auf, sondern tummeln sich auch im Inneren des Gebäudes. Das hat Udo Bals aus Wilhelmsdorf beobachtet.
Wie berichtet, hatte es bereits vor knapp zwei Monaten Dutzende von Ratten auf dem Außengelände des Bau- und Gartenmarkts im Gewerbegebiet Bleiche gegeben. Ein Leser aus Ravensburg hatte sich empört an die Stadtverwaltung und die „Schwäbische Zeitung“gewandt und von den Zuständen berichtet. Auf Fotos, die der Mann mit dem Handy aufgenommen hatte, waren bis zu 20 wohlgenährte Nager zu sehen.
Mittlerweile tummeln sich die Schädlinge, die zahlreiche Krankheiten übertragen können, sogar im Innern des Marktes, wie Bals berichtet, der den Baumarkt gegen 19.30 Uhr besuchte. „Auf meinem Weg zum Freilandgelände mit den Gartenprodukten sah ich dann im Geschäft eine ausgewachsene Ratte laufen. Sie überquerte den Gang und versteckte sich unter einer Palette im Geschäft. Ich informierte den Mitarbeiter beim Holzzuschnitt über meine Beobachtung, der daraufhin sagte: ,Ja, es ist so, da kann man nichts machen.’“Auf dem Freigelände mit den Pflanzen sah Bals eine zweite Ratte laufen, die sich ebenfalls unter einer Palette versteckt hatte.
„Die Beobachtungen sind besorgniserregend“, meint der Wilhelmsdorfer. Einerseits ließen sie die Vermutung auf eine größere Rattenpopulation zu, die sich um, am und im Baumarkt aufhalte. „Andererseits ist es hygienisch äußerst problematisch, wenn man davon ausgehen muss, dass nachts Ratten über die Verkaufsprodukte laufen und womöglich Viren und Bakterien dort verteilen.“
Ravensburgs Baubürgermeister Dirk Bastin bedankt sich in einer Mail zwar artig für den Hinweis von Bals, meint aber, die Stadt sei nicht zuständig. „Natürlich kann die Stadt nicht die Rattenbekämpfung in und auf privatem Gelände veranlassen und überwachen. Wir werden Ihre Hinweise aber an die Gewerbeaufsicht weitergeben.“Die Stadtverwaltung interessiere in dem Zusammenhang nur, „ob wir in unseren Kanälen in diesem Bereich tätig werden müssen. Wenn dies der Fall sein sollte, werden wir kurzfristig handeln.“
Doch ist der Baumarkt überhaupt die Quelle der Rattenplage? Der Leiter des Baumarktes ist selbst angeekelt von den Ratten, die über sein Gelände flitzen, und meint, sie kämen aus der Nachbarschaft. „Wir sind da eigentlich nur am Rande betroffen“, sagt er. Seit zwei Monaten sei ein professioneller Schädlingsbekämpfer im Gewerbegebiet unterwegs, um Giftköder auszulegen.
Der städtische Pressesprecher Alfred Oswald appelliert in dem Zusammenhang an die Bürger, keine Nahrungsmittel über die Toilette zu entsorgen und keine Essensreste auf den Kompost oder gar in die Landschaft zu werfen, weil das die Nager anlockt. „Das passiert leider viel zu häufig. Nennen möchte ich hier auch die sichtbare Zunahme von wild entsorgtem Hausmüll. An vielen Stellen in der Stadt sehen wir vermehrt Tüten mit privatem Müll – abgestellt neben öffentlichen Mülleimern, an Glas-, Metall- und Altkeidercontainern. Das ist nicht nur verboten und wird mit Bußgeld geahndet, das ist auch schwere Umweltverschmutzung, lockt Ratten an und ist unsozial, weil alle Bürger das letztlich bezahlen.“
Größere Probleme mit Ratten sind in Ravensburg erstmals vor zwei Jahren publik geworden. Damals huschten die Schädlinge sogar am helllichten Tag oder in der frühen Dämmerung über die Straßen. Schwerpunkte gab es an den Bahnlinien, in der Weststadt und vereinzelt in der Südstadt. Schädlingsmittelbekämpfer führen das unnatürliche Verhalten – Ratten sind normalerweise scheu und nur nachts unterwegs – auf eine starke Überbevölkerung zurück: Weil die Nester voll sind, müssen sich die Tiere Ausweichquartiere suchen. Die Stadt betonte aber immer wieder, das Problem sei in Ravensburg nicht schlimmer als in vergleichbaren Städten.
Aber was macht Ratten so gefährlich? Laut Schädlingsbekämpfer Martin Pohl aus Ravensburg können sie zum einen stromführende Kabel anfressen und Brände auslösen. Wanderratten gehören zum anderen aber in der Lebensmittelhygiene zu gefürchteten Krankheitsüberträgern. Pohl: „Früher dominierte bei Ratten die Beulenpest, heute etwa folgende Krankheiten: Hantavirus, Leptospirose, Trichinose, Salmonellose, Fleckfieber und Partatyphus, Bandwürmer, Amöbenruhr, Tollwut, Rattenfieber und Tuberkulose.“