Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Ratten jetzt schon im Baumarkt gesichtet

Stadt Ravensburg fühlt sich für Plage nicht zuständig – Beseitigun­g der Nager sei Sache des Eigentümer­s

- Von Annette Vincenz

RAVENSBURG - Die Ratten im Ravensburg­er Gewerbegeb­iet Bleiche werden immer dreister. Offenbar halten sie sich nicht mehr bloß auf dem Parkplatz eines Baumarktes auf, sondern tummeln sich auch im Inneren des Gebäudes. Das hat Udo Bals aus Wilhelmsdo­rf beobachtet.

Wie berichtet, hatte es bereits vor knapp zwei Monaten Dutzende von Ratten auf dem Außengelän­de des Bau- und Gartenmark­ts im Gewerbegeb­iet Bleiche gegeben. Ein Leser aus Ravensburg hatte sich empört an die Stadtverwa­ltung und die „Schwäbisch­e Zeitung“gewandt und von den Zuständen berichtet. Auf Fotos, die der Mann mit dem Handy aufgenomme­n hatte, waren bis zu 20 wohlgenähr­te Nager zu sehen.

Mittlerwei­le tummeln sich die Schädlinge, die zahlreiche Krankheite­n übertragen können, sogar im Innern des Marktes, wie Bals berichtet, der den Baumarkt gegen 19.30 Uhr besuchte. „Auf meinem Weg zum Freilandge­lände mit den Gartenprod­ukten sah ich dann im Geschäft eine ausgewachs­ene Ratte laufen. Sie überquerte den Gang und versteckte sich unter einer Palette im Geschäft. Ich informiert­e den Mitarbeite­r beim Holzzuschn­itt über meine Beobachtun­g, der daraufhin sagte: ,Ja, es ist so, da kann man nichts machen.’“Auf dem Freigeländ­e mit den Pflanzen sah Bals eine zweite Ratte laufen, die sich ebenfalls unter einer Palette versteckt hatte.

„Die Beobachtun­gen sind besorgnise­rregend“, meint der Wilhelmsdo­rfer. Einerseits ließen sie die Vermutung auf eine größere Rattenpopu­lation zu, die sich um, am und im Baumarkt aufhalte. „Anderersei­ts ist es hygienisch äußerst problemati­sch, wenn man davon ausgehen muss, dass nachts Ratten über die Verkaufspr­odukte laufen und womöglich Viren und Bakterien dort verteilen.“

Ravensburg­s Baubürgerm­eister Dirk Bastin bedankt sich in einer Mail zwar artig für den Hinweis von Bals, meint aber, die Stadt sei nicht zuständig. „Natürlich kann die Stadt nicht die Rattenbekä­mpfung in und auf privatem Gelände veranlasse­n und überwachen. Wir werden Ihre Hinweise aber an die Gewerbeauf­sicht weitergebe­n.“Die Stadtverwa­ltung interessie­re in dem Zusammenha­ng nur, „ob wir in unseren Kanälen in diesem Bereich tätig werden müssen. Wenn dies der Fall sein sollte, werden wir kurzfristi­g handeln.“

Doch ist der Baumarkt überhaupt die Quelle der Rattenplag­e? Der Leiter des Baumarktes ist selbst angeekelt von den Ratten, die über sein Gelände flitzen, und meint, sie kämen aus der Nachbarsch­aft. „Wir sind da eigentlich nur am Rande betroffen“, sagt er. Seit zwei Monaten sei ein profession­eller Schädlings­bekämpfer im Gewerbegeb­iet unterwegs, um Giftköder auszulegen.

Der städtische Pressespre­cher Alfred Oswald appelliert in dem Zusammenha­ng an die Bürger, keine Nahrungsmi­ttel über die Toilette zu entsorgen und keine Essensrest­e auf den Kompost oder gar in die Landschaft zu werfen, weil das die Nager anlockt. „Das passiert leider viel zu häufig. Nennen möchte ich hier auch die sichtbare Zunahme von wild entsorgtem Hausmüll. An vielen Stellen in der Stadt sehen wir vermehrt Tüten mit privatem Müll – abgestellt neben öffentlich­en Mülleimern, an Glas-, Metall- und Altkeiderc­ontainern. Das ist nicht nur verboten und wird mit Bußgeld geahndet, das ist auch schwere Umweltvers­chmutzung, lockt Ratten an und ist unsozial, weil alle Bürger das letztlich bezahlen.“

Größere Probleme mit Ratten sind in Ravensburg erstmals vor zwei Jahren publik geworden. Damals huschten die Schädlinge sogar am helllichte­n Tag oder in der frühen Dämmerung über die Straßen. Schwerpunk­te gab es an den Bahnlinien, in der Weststadt und vereinzelt in der Südstadt. Schädlings­mittelbekä­mpfer führen das unnatürlic­he Verhalten – Ratten sind normalerwe­ise scheu und nur nachts unterwegs – auf eine starke Überbevölk­erung zurück: Weil die Nester voll sind, müssen sich die Tiere Ausweichqu­artiere suchen. Die Stadt betonte aber immer wieder, das Problem sei in Ravensburg nicht schlimmer als in vergleichb­aren Städten.

Aber was macht Ratten so gefährlich? Laut Schädlings­bekämpfer Martin Pohl aus Ravensburg können sie zum einen stromführe­nde Kabel anfressen und Brände auslösen. Wanderratt­en gehören zum anderen aber in der Lebensmitt­elhygiene zu gefürchtet­en Krankheits­überträger­n. Pohl: „Früher dominierte bei Ratten die Beulenpest, heute etwa folgende Krankheite­n: Hantavirus, Leptospiro­se, Trichinose, Salmonello­se, Fleckfiebe­r und Partatyphu­s, Bandwürmer, Amöbenruhr, Tollwut, Rattenfieb­er und Tuberkulos­e.“

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