Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Der Gegner heißt Thomas Bareiß
Zwei grüne Kandidaten wollen gegen den CDU-Mann antreten.
SIGMARINGEN - Zumindest nach draußen stecken die Grünen die Fronten klar ab: Obwohl sich mit dem Sigmaringer Johannes Kretschmann und dem Balinger Thomas Zawalski zwei Parteimitglieder um die Bundestagskandidatur bewerben (wir berichteten), sind am Dienstag in einer Videokonferenz keine parteiinternen Angriffe zu beobachten. Ein Jahr vor der Bundestagswahl machen die Grünen klar, wer ihr politischer Gegner ist:
„Unsere Gegner heißen Thomas Bareiß und seine unsägliche Nicht-Politik. Zwischen dem, was er sagt und was er tut, liegen Welten. Diese Dissonanzen wollen wir aufzeigen“, sagt der Sigmaringer Kreisvorsitzende Klaus Harter.
Zwei Monate vor der für den 6. Juli im Kreis Sigmaringen geplanten Nominierung des Direktkandidaten der Grünen für den Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringen beginnt mit einer Videokonferenz der parteiinterne Vorwahlkampf. Eine Handvoll Journalisten wählt sich in die Konferenz ein, was auch damit zu tun hat, dass die von der „Schwäbischen Zeitung“exklusiv gemeldete Kandidatur Johannes Kretschmanns über den Wahlkreis hinaus ausstrahlt.
Nach einer zehnminütigen Vorstellungsrunde der Kandidaten dauert es nicht lange, bis eine Journalistin die Frage nach Kretschmann senior stellt. Wie unabhängig er von seinem Vater, dem Ministerpräsidenten, sei? Kretschmann junior hat diese Frage erwartet, er antwortet wohlüberlegt: „Von meinem Vater habe ich den eigenen Kopf geerbt“, lautet der erste Teil der Antwort, und es folgt ein geschickter zweiter Teil: „Wir Grüne werben damit, dass alle Menschen unabhängig vom Elternhaus die gleichen Chancen bekommen sollen.“Diese Chancengleichheit beansprucht der 41-Jährige nun für sich.
Dass die Grünen um eine Direktkandidatur in der CDUHochburg Zollernalb-Sigmaringen buhlen, ist neu. Bislang hatten die beiden Kreisverbände abwechselnd das Vorschlagsrecht. Diesmal wäre der Kreis Sigmaringen an der Reihe gewesen. Als die Nachbarn die Kandidatur von Thomas Zawalski ins Gespräch brachten, sei er überrascht gewesen, so der Sigmaringer Kreisvorsitzende, doch zwischenzeitlich steht er hinter beiden Kandidaten.
Beide Kandidaten verweisen auf das demokratische Angebot, das sie den Parteimitgliedern machten. Wer
Unterscheide erkennen möchte, muss Zwischentöne hören. Der 61jährige Zawalski sagt einmal: „Es sind die Taten, die zählen, man braucht dazu kein Mandat.“Ob Zufall oder nicht: Kretschmann wurde wenige Minuten zuvor gefragt, ob seine Biografie - seit dem Studium arbeitet er als freier Autor - nicht zu wenig handfest sei.
Oder anderes Beispiel: Während Kretschmann die zehnminütige Vorstellung ausreizt und am Ende in Zeitnot gerät, beschränkt sich sein Kontrahent auf weniger Minuten und konzentriert sich auf diesen Gedanken: „Aus der Wirtschaftskrise müssen wir grün herauskommen.“Sprich: Der Klimaschutz und andere grüne Themen müssten das künftige Handeln bestimmen. Zawalski arbeitet seit dem Verkauf eines von ihm gegründeten Leuchtenherstellers als Unternehmensberater. Sein Gespür für Design ist an seinem Auftritt zu erkennen: Auf dem Videobild ist im Hintergrund ein Waldmotiv zu erkennen, am oberen Bildrand erscheint das Symbol der Partei, die Sonnenblume.
Obwohl er nicht anwesend ist, fällt der Name von Thomas Bareiß, dem CDU-Granden im Wahlkreis, auffällig häufig: Kretschmann nennt dessen Positionen zum Klimaschutz „verächtlich und zögerlich“. Zawalski spricht von einer „nach hinten gerichteten Politik“.
Falls es die Corona-Krise zulässt werden die Mitglieder am 6. Juli in einer Halle im Kreis Sigmaringen nominieren. Zuvor soll es in beiden Wahlkreisen Vorstellungsrunden geben. Der Zollernalbkreis ist von der Mitgliederzahl (124) etwas größer als der Kreis Sigmaringen (107).
„Von meinem Vater habe ich meinen eigenen Kopf geerbt“, sagt Johannes Kretschmann.