Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Heißhunger nach demWinters­chlaf

In Niederbaye­rn erwachen 170 Igel in einer Tierstatio­n, das bedeutet viel Arbeit

- Von Ute Wessels

BAD GRIESBACH (dpa) – Mit ihrem Herz für Igel machte Monika Lüdtke aus Niederbaye­rn im vergangene­n Winter Schlagzeil­en. Mehr als 150 Tiere nahm die Frau bei sich zu Hause auf, um ihnen durch die kalte Jahreszeit zu helfen. Nun ist der Frühling da und die Igel – inzwischen sind es 170 geworden – sind fast alle aus dem Winterschl­af erwacht. Monika Lüdtke ist im Dauereinsa­tz, wie sie berichtet.

Die Igel überwinter­ten einzeln in Kunststoff­boxen, in denen jeweils ein zur Hütte umfunktion­ierter kleiner Karton steht. Fetzen aus Zeitungspa­pier dienten als Polsterung, in die sich die Igel verkrieche­n konnten. Zahlreiche Boxen stapelte Lüdtke im unbewohnte­n Erdgeschos­s ihres Hauses in Bad Griesbach (Landkreis Passau), einige lagerte sie aus in einen leerstehen­den Stall. Den hatte ihr ein Landwirt zur Verfügung gestellt.

Menschen aus der näheren und weiteren Umgebung hatten ihr die Igel – zumeist krank, verletzt oder unterernäh­rt – zum Aufpäppeln gebracht. Nun ruft Lüdtke die Finder an, sobald „ihr“Igel wach ist, damit sie ihn abholen und zurück in ihren Garten setzen können.

Die meisten Igel hätten den Winter gut überstande­n. Nach dem Aufwachen füttert Lüdtke sie etwa eine Woche lang mit Eiern und Hackfleisc­h, bis sie wieder ihr Gewicht von vor dem Winterschl­af haben. Dann seien sie fit für die Freiheit. Einzelne Tiere hätten wegen eines Pilzbefall­s ihr Stachelkle­id verloren, das wachse in den kommenden Wochen aber nach. Danach dürften auch diese Igel wieder zurück in die Natur. Igel, die jetzt keinen Appetit entwickelt­en, seien krank: „Normalerwe­ise haben die jetzt Heißhunger.“

Deswegen bittet Lüdtke Gartenbesi­tzer, bei denen Igel tagsüber durch das Gras laufen, nach den Tieren zu sehen. Igel seien nachtaktiv. „Einen gesunden Igel sieht man am Tag nicht.“

Zudem sei es hilfreich, die Tiere ganzjährig mit Trockenfut­ter und Wasser zu versorgen. Die Sommer seien so trocken geworden, dass die Igel nicht genug zu trinken fänden. Auch Insekten und Regenwürme­r gebe es immer weniger.

Igelfutter oder Katzentroc­kenfutter seien geeignet – allerdings so aufgestell­t, „dass es Katzen nicht wegessen können“. Auch Unterschlu­pfmöglichk­eiten sollten Gartenbesi­tzer den Igeln bieten. Unter Paletten und Holzstößen, unter Terrassen und in dichten Hecken fühlt sich ein Igel wohl. „Man muss ihm nicht groß etwas anbieten“, meint Lüdtke.

Auch der Bund Naturschut­z (BN) oder der Landesbund für Vogelschut­z (LBV) geben Gartenbesi­tzern

Tipps, wie sie Igeln helfen können. Letzterer führt im Internet unter www.igel-in-bayern.de gerade seine jährliche Igel-Zählaktion durch.

Alleine bei Monika Lüdtke waren es in diesem Winter 170 Tiere. Und weil die Arbeit mit den vielen Igeln alleine kaum zu stemmen sei – was auch das Veterinära­mt so gesehen habe –, habe sie einen Verein gegründet, die Igelhilfe Passauer Land, sagt Lüdtke. Über Mitglieder und Spenden freue sie sich. Bislang habe sie die Kosten für Futter und Medikament­e vor allem privat bezahlt. Die größte Gefahr für Igel neben Autos, Hunden und Kellerschä­chten seien Heckenschn­eider, sagt die Fachfrau. Mäh-Roboter seien auch gefährlich, sorgten aber nicht für so tiefe Verletzung­en. Die ersten kleinen Opfer von Heckenschn­eidern seien ihr in diesem Frühjahr schon zur Behandlung gebracht worden – mit eitrigen Wunden und Maden drin.

Die Tierchen tun Lüdtke leid, deswegen falle es ihr auch nicht leicht, ihre Schützling­e nach dem Winter wieder abzugeben. „Die kennen einen und haben keine Scheu mehr.“Aber sie müsse eben den Leuten vertrauen, dass sie die Empfehlung­en ernst nähmen. „Und den Unfalltod verdrängt man.“

„Der Igel ist streng geschützt“, sagt Lüdtke. „Er gehört nicht in den Wald ausgesetzt.“Das sei nicht sein Lebensraum. Und dann richtet sie einen flammenden Appell an Gartenbesi­tzer: „Dieses Rückzugsge­biet ist sein letztes. Wenn wir den Igel in den Hausgärten nicht mehr dulden, dann muss er gehen von dieser Erde. Weil in der freien Landschaft hat er keinen Lebensraum.“Ihre Bitte: „Ein bisschen toleranter gegenüber anderen Lebewesen zu sein, die den Garten auch schön finden.“

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FOTO: ARMIN WEIGEL/DPA Im Erdgeschos­s ihres Hauses in Niederbaye­rn hat Monika Lüdtke in mehr als 100 Plastikbox­en Igel überwinter­n lassen.
 ?? FOTO: ARMIN WEIGEL/DPA ?? Monika Lüdtke entlässt ihre aufgepäppe­lten Wintergäst­e wieder in die Natur.
FOTO: ARMIN WEIGEL/DPA Monika Lüdtke entlässt ihre aufgepäppe­lten Wintergäst­e wieder in die Natur.

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