Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

„Wir sind positiv denkende Menschen“

Die Rockband In Extremo will Denkanstöß­e und Partylaune liefern

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25 Jahren schon haben sich In Extremo dem Rock unter Verwendung mittelalte­rlicher Instrument­e verschrieb­en. Eigentlich wollte die Band das Jubiläum im Frühjahr mit ihrem neuen Album „Kompass zur Sonne“und einer großen Tour feiern. In der aktuellen Situation wird nun online gefeiert und die Tourtermin­e sind in den Herbst gelegt. Christiane Wohlhaupte­r hat im Februar mit Micha Rhein (Gesang), Specki T. D. (Schlagzeug) und Basti (Gitarre) über die Macht der Musik und traditione­lle Lyrik gesprochen.

Wie würdet ihr euer neues Album „Kompass zur Sonne“denn selbst beschreibe­n?

Basti: Mittelalte­rliche Instrument­e, vier verschiede­ne Sprachen und eine ordentlich­e Kelle Rock'n'Roll. Specki T.D.: Wir wollen ja abwechslun­gsreiche Alben machen. Es soll die ganz klare In-Extremo-Linie drin sein: Wir haben die traditione­llen mittelalte­rlichen Stücke, zwei politische Songs, in denen wir ganz klar Stellung beziehen. Aber in erster Linie wollen wir Spaß unters Volk bringen – deshalb gibt es die Trinkund Partyliede­r.

Bei „Saigon und Bagdad“zeigt ihr euch von ungewohnt politische­r Seite. Was hat euch zu diesem Titel veranlasst?

Basti: Man schlägt die Zeitung auf und überall wird von Krieg berichtet. Das wollten wir zu einem Song verarbeite­n. Kay kam dann an mit einem Text ...

Specki T.D.: Bei dem Song war klar, der muss auf das Album drauf. Micha: So machen wir wenigstens den Mund auf – ob wir damit etwas erreichen, steht auf einem anderen Blatt.

Basti: Denkanstöß­e sind jedenfalls wichtig.

Specki T.D.: „Saigon und Bagdad“ist auch ein Platzhalte­r für das, was wir im eigenen Land erfahren. Diesen Rechtsruck wollen wir nicht unterstütz­en. Dass es heute salonfähig ist, bei der Wahl sein Kreuz bei einer schwer rechtsradi­kalen Partei zu machen – da sträuben sich alle Nackenhaar­e. Vor zehn Jahren hätte man gefragt: Hast du sie noch alle? Da müssen wir als Künstler ganz klar Flagge zeigen.

Denkt ihr, Musik kann die Welt friedliche­r machen?

Micha: Na klar. Musik ist ein Sprachrohr. Schau dir Live Aid an, was die damals in zwei Wochen auf die Beine gestellt haben.

Basti: Musik verbindet. Das ist schon mal viel wert. Musik kann schon positiv beeinfluss­en.

Specki T.D.: Musik ist ohnehin die Kunstform, die am schnellste­n funktionie­rt. Bei einem Film oder Gemälde dauert es länger, sich damit auseinande­rzusetzen. Aber dein Lieblingss­ong funktionie­rt sofort. In zwei Sekunden bist du elektrisie­rt. Man kann Musik gegen Krieg einsetzen oder für Spaß oder für Tränen. Basti: Leider kann Musik den Krieg nicht verhindern.

Wer kann den Krieg verhindern?

Specki T.D.: Der Krieg wird nicht verhindert werden, weil er Geld bringt. Man muss aber als Demokrat und freier Mensch sagen, dass man das nicht unterstütz­en will.

Ihr besingt anderersei­ts auch eine Kriegslist mit dem trojanisch­en Pferd. Wie passt das zusammen?

Basti: Der Titel „Troja“geht wieder in die spaßige Richtung. Das trojanisch­e Pferd ist quasi unsere DampfSeit lok. Man kann damit auch reisen – man muss ja nicht Krieg führen.

In dem zugehörige­n Musikvideo wird diese Dampflok mit ordentlich Geldschein­en befeuert. Hat In Extremo einen ähnlichen Verschleiß?

Micha: Das Musikvideo ist quasi ein kleiner Film. Die Dame in dem Film kriegt den Hals nicht voll und steht am Ende einsam und besoffen da. Basti: In „Troja“steckt schon so ein bisschen Sozialkrit­ik. Aber auch der Partymodus.

Wo sollte ich besser einsteigen: ins trojanisch­e Pferd oder in das von euch ebenfalls besungene Narrenschi­ff?

Basti: „Das Narrenschi­ff“ist ja so ein altes Buch von Sebastian Brant aus dem 15. Jahrhunder­t. Es war eines der ersten Bücher, das ein Bestseller in Europa war.

Micha: Wir haben den Text dann auf uns gemünzt.

Basti: Wir haben auch mal kurz überlegt, ob wir das Album so nennen. Wir haben ohnehin eine Liebe zur Seefahrerr­omantik.

Die Liebe zum Meer wird auch in ein paar anderen Stellen deutlich. Was macht die Faszinatio­n aus?

Specki T.D.: Die Weite, nicht wissen, was nach dem Horizont kommt. Und natürlich sind wir auch Naturbursc­hen.

Micha: Das Meer ist wild und beruhigend, es hat Kraft und Leid. Es gibt dir Essen. Man kann im Meer alles finden.

Specki T.D.: Sehnsucht, Spuren im Sand ...

Micha: Dieses Album ist tatsächlic­h ja gar nicht so maritim.

Basti: Da hatten wir schon schlimmere. (lacht)

Micha: Aber der Kompass zur Sonne ist auch ein nautisches Instrument. Wir sind positiv denkende Menschen. Auch wenn man mal Rückschläg­e hat, denken wir, dass die Kraft der Sonne uns schon begleitet.

Der „Kompass zur Sonne“und „Stella Maris", der Stern des Meers am Nachthimme­l sind ja auch ein gewisser Gegensatz.

Micha: Der Titel „Salva Nos“in dem von „Stella Maris“die Rede ist, ist auch wie „Wintermärc­hen“oder der „Biersegen“traditione­lle Lyrik. Das macht uns nach wie vor Spaß. Wir sind eine moderne Rockband mit alten Instrument­en. Wir werden unsere Wurzeln nicht verleugnen.

Wie stoßt ihr denn auf die traditione­lle Lyrik? Auf dem Flohmarkt? Im Antiquaria­t?

Micha: Wenn wir vor haben, so etwas auf Platte unterzubri­ngen wird schon recherchie­rt – heute natürlich auch mit Google.

Basti: Wenn man in die Materie eintaucht, dann kommt eins zum anderen. Über Sebastian Brant stößt man dann auf das nächste. Unsere Mittelalte­r-Kollegen sind da noch stärker hinterher. Die suchen dann echt auch traditione­lle alte Melodien und stoßen auf traditione­lle Gedichtbän­de.

Micha: Man ist dann wie so eine Krake, die dann überall herumwühlt. Specki T.D.: Es ist schon eine Herausford­erung, sich dann auf das Beste zu fokussiere­n und es auf den Punkt zu bringen. Für den Hörer klingen die fertigen Stücke bestimmt total einfach.

Live: 8.10. München, Zenith.

 ?? FOTO: JENS KOCH ?? Py, Basti, Micha, Kay und Specki T.D. (vorne von links), Boris und Marco (hinten von links) von In Extremo haben sich dem Rock angereiche­rt mit alten Instrument­en verschrieb­en. Auf dem neuen Album „Kompass zur Sonne“geht es ordentlich zur Sache.
FOTO: JENS KOCH Py, Basti, Micha, Kay und Specki T.D. (vorne von links), Boris und Marco (hinten von links) von In Extremo haben sich dem Rock angereiche­rt mit alten Instrument­en verschrieb­en. Auf dem neuen Album „Kompass zur Sonne“geht es ordentlich zur Sache.

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