Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Ein neues Lied

- Von Pfarrerin Kathrin Fingerle

Ein Chor erklingt – nichts Besonderes eigentlich, aber in diesen Zeiten eben doch. Der Sonntag „Kantate“, lateinisch „singt“, steht an und so langsam rücken auch in Sigmaringe­n gemeinsam in den Kirchen gefeierte Gottesdien­ste wieder näher. Ein Grund Gott zu danken und zu singen. Vorsichtig wagen wir uns in verschiede­nen Bereichen des Lebens zurück in einen Alltag; er wird anders aussehen als vor dem Virus. So werden wir im Gottesdien­st auf lautes und fröhliches Singen verzichten müssen, um die Menschen um uns herum weiter zu schützen. Auch Bläser dürfen nur vereinzelt erklingen. „Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder“– seinen Namen hat der kommende Sonntag von Psalm 98,1. Die Psalmen verbinden uns mit unseren jüdischen Schwestern und Brüdern. Gestern haben wir an das Kriegsende vor 75 Jahren gedacht. Wenn Antisemiti­smus wieder aufkeimt, kann einem das Lied in der Kehle steckenble­iben. Aber vielleicht müssen wir genau dagegen weiter singen – von Freiheit und der Würde allen Lebens vor Gott. Und wenn wir es nicht gemeinsam können, dann eben anders. „Ein neues Lied“– auch der am Anfang erwähnte Chor singt nicht in einem Raum, die Stimmen treffen nur virtuell aufeinande­r in einem gemeinsam gestaltete­n Video. „Und bis wir uns wiedersehn, möge Gott seine schützende Hand über dir halten“, singen sie – wie sehr gehen diese Zeilen ans Herz.

Andere Wege suchen auch unsere Posaunenbl­äser – sie spielen zu zweit kleine Ständchen vor den Fenstern von Wohngemein­schaften und Seniorenze­ntren und machen damit vielen Freude. Neue Lieder und neue Formen müssen wir wagen um Gott zu loben, denn Singen und Musizieren ist ein tiefer Ausdruck unseres Glaubens. Singen verbindet uns untereinan­der. Und wenn es nicht anders geht, dann singen wir um 19 Uhr vom Balkon, hören im Gottesdien­st in der Kirche der Orgel oder einer Sängerin zu, singen im Herzen und schmettern dafür beim Fernsehgot­tesdienst umso lauter mit. Besonders unbefangen und fröhlich singen meistens Kinder. Der kommende Sonntag ist auch ein Tag, an dem an Mütter gedacht wird. Wie bewunderns­wert ist es, wie – ja, vielfach vor allem – Mütter ihren Kindern in dieser schwierige­n Situation Unbeschwer­theit und Freude bewahren. „Gott spricht: Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.“(Jesaja 66,13). Wie gut, wenn Mütter und Väter diesen Trost an ihre Kinder weitergebe­n können, damit sie die Lust am Singen und Spielen nicht verlieren. Dass uns dieser Trost Gottes singen lässt, das wünsche ich uns allen.

Neue Lieder und neue Formen müssen wir wagen, um Gott zu loben.

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