Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Modefachschule verstößt gegen Verordnung
Alle Jahrgänge halten sich auf dem Schulgelände auf – Das ist so nicht erlaubt
SIGMARINGEN - Seit Montag sind die Abschlussklassen wieder zurück an den Schulen, der Unterrichtsalltag kehrt langsam zurück. Doch die Modefachschule in Sigmaringen scheint einen Schritt weiter zu sein. Ein SZ-Leser, der dort unterrichtet, klagt an, dass seit Montag alle drei Jahrgänge wieder an die Schule zurückgekehrt seien – auf freiwilliger Basis.
Auf Nachfrage beim Regierungspräsidium habe er die Antwort erhalten, dass eine Sondergenehmigung vorliege, denn die Schüler müssten ihre Projekte vor Ort fertigmachen. Voraussetzung für den Unterricht der drei Jahrgänge sei die Einhaltung der Hygienevorschriften, so habe es ihm das Regierungspräsidium mitgeteilt. „Das finde ich unsolidarisch“, sagt der SZ-Leser, gerade im Hinblick auf die Grundschulen, bei denen er eine höhere Notwendigkeit sieht, wieder in den Unterricht zurückzukehren.
Ganz so ist es nicht, sagt Hartmut Hopf, Leiter der Modefachschule. Nur der Abschlussjahrgang habe wieder mit dem Präsenzunterricht angefangen, auf freiwilliger Basis. Bei den übrigen Jahrgängen finde der Unterricht nach wie vor überwiegend online statt. Möglich und wichtig sei es aber, dass die Schüler ihre Materialien abholen und vor Ort von ihrem Lehrer eine Erklärung bekommen, wie sie zu Hause damit vorgehen. Denn Hopf betont, dass der Unterricht in der Modefachschule eben überwiegend praktisch sei: „Das macht bei uns 90 Prozent aus.“Deshalb befinde sich die Schulleitung auch aktuell in Verhandlungen mit dem Regierungspräsidium, ob womöglich bereits die Pfingstferien genutzt werden könnten, um Versäumnisse nachzuholen. Eine Sondergenehmigung über den jetzigen Zeitpunkt gebe es nicht, sagt Hopf.
Doch die Praxis scheint dennoch schon jetzt ein Faktor zu sein, der die Schüler zurück in die Klassen holt. „Wenn ein Schüler zu Hause keine Nähmaschine hat, muss er ja kommen, um seine Aufgaben zu machen“, sagt Hopf dazu. Das betreffe alle Jahrgänge.
Der Schulleiter sagt aber auch, dass Onlineunterricht nicht immer möglich sei. Als Beispiel nennt er Studenten, die auf „beengten Verhältnissen“wohnen und womöglich durch die Familie vom Lernen abgehalten werden. Da der Onlineunterricht in den Klassenräumen aufgenommen werde, sei es also auch vorgekommen, dass Schüler trotz der Übertragung am Unterricht vor Ort teilgenommen haben, so Hopf. Auch komme es vor, dass Schüler mit einer längeren Anfahrt durch öffentliche Verkehrsmittel in der Schule auf den nächsten Bus warten – mit genügend Abstand. „An den Schulen herrscht ja kein Betretungsverbot“, sagt Hopf dazu.
Der Schulleiter sieht darin kein Problem, denn die Modefachschule sei eine kleine Schule. „Wir haben insgesamt 200 Schüler und vier Gebäude in Nutzung. Außerdem gibt es eine Trennung in einen Vormittags- und Nachmittagsblock. Wenn dann auch noch Schüler freiwillig zu Hause bleiben, wären es nicht einmal 20 Schüler pro
Gebäude“, erklärt er. An staatlichen Schulen wiederum sei es üblich, dass sich im normalen Betrieb um die 1000 Schüler in einem Gebäude aufhalten.
Wichtig sei also Disziplin bezüglich der Hygienemaßnahmen – genau die fehlt laut Hopf bei jungen Schülern. „Kinder wollen spielen, die kann man nicht auseinanderhalten“, sagt er. Die Modefachschüler wiederum seien erwachsen, sagt Hopf. Gleichzeitig erzählt er, dass er seine Schüler auch mal nach dem Unterricht auf dem Schulhof erwische, während sie keinen Mundschutz tragen, wie es vorgeschrieben ist – auch wenn das nur in Zweiergruppen passiere.
Auf Nachfrage beim Regierungspräsidium, welche Absprachen es gibt, bestätigt Stefan Meißner, Fachreferent im Regierungspräsidium, dass sich Hopf gemeldet hat. Allerdings habe dieses Gespräch stattgefunden, bevor klar war, dass die Abschlussklassen zurückkehren dürfen. Damals sei ganz klar kommuniziert worden, dass es für die
Modefachschule keine Sondergenehmigung gibt. Das Problem liege grundsätzlich in der Menge der Schüler, denn in beruflichen Schulen gehörten 50 Prozent der Schüler zur Abschlussklasse, was ohnehin für viele Berufsschulen schon viel und räumlich schwer zu bewältigen sei.
Bei dieser Regelung gebe es allerdings nicht nur Präsenzunterricht, der ausfällt. Meißner betont, dass die Arbeit vor Ort ebenfalls untersagt sei. An der Modefachschule praktisch tätig zu sein, sei für die Schüler also nicht erlaubt. „Es geht ja darum, wegen des Infektionsschutzes die Begegnungen zu begrenzen“, sagt Meißner. Deshalb kritisiert er auch, dass bei der Übergabe von Aufgaben noch Erklärungen stattfinden, sodass sich Schüler und Lehrer länger im selben Raum aufhalten.
Was die Konsequenzen sind, ist offen – das Regierungspräsidium will jetzt laut Meißner überprüfen, inwiefern gegen die Verordnung verstoßen wurde.