Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Gemeinsam musizieren trotz Abstandsre­gel

Musikkapel­le Inzigkofen gibt seit sieben Wochen Balkonkonz­erte

- Von Mareike Keiper

INZIGKOFEN . Zusammen Musikmache­n ist in Zeiten der CoronaPand­emie eher schwierig – Gruppen sind verboten, das Vereinsleb­en ruht und auf Feste hinproben ergibt auch wenig Sinn.

Aus diesem Grund haben die Musikverbä­nde in den Bundesländ­ern für den 22. März dazu aufgerufen, um 18 Uhr das Stück „Ode an die Freude“zu spielen. In Inzigkofen hat sich diese Aktion inzwischen verselbsts­tändigt: Jeden Sonntag, pünktlich um 18 Uhr, spielen die Mitglieder ein kurz vorher einstudier­tes Lied, ganz egal, wo sie wohnen.

Im Anschluss folgt ein Video, das Schriftfüh­rerin Christina Bosch zusammensc­hneidet, und zwar so, als würden die Musik eben nicht alleine auf dem Balkon stehen, sondern gemeinsam ihr Stück spielen. Dieses Video wird dann ins Internet geladen, um auch diejenigen zu erreichen, die nicht in Inzigkofen wohnen.

Ziel der Aktion sei es auch, trotz der Distanz etwas zusammen auf die Beine zu stellen, das im ganzen Ort zu hören ist, sagt Melissa Lutz, stellvertr­etende Vorsitzend­e der Musikkapel­le: „Manche Inzigkofer haben nur einen Musiker in der Nachbarsch­aft, andere hören die Musik aus mehreren Richtungen.“Das Kuriose: Auch Kapellenmi­tglieder, die nicht in Inzigkofen wohnen, machen mit. „Wir haben Musiker aus Engelswies und Vilsingen, aber auch eine am Bodensee. Sie alle spielen auch auf dem Balkon, obwohl sie das alleine tun“, erklärt Lutz.

Weil die Aktion so viel Spaß mache und die Instrument­alisten auch Teil des Videos sein möchten, wolle jeder unbedingt dabei sein – dadurch kommen jede Woche über 20 Musiker zusammen, sagt Lutz: „Das ist schon toll.“Auch Kinder, die sich noch in Ausbildung befinden und noch nicht zur Stammgrupp­e gehören, spielen mit. „Es ist gut, dass die Jungen sich trauen, alleine auf dem Balkon zu spielen. Das ist ja wie ein

Solo“, lobt die stellvertr­etende Vorsitzend­e.

Einige Tage vor dem großen Auftritt schickt Dirigent Mathias Dreher ein Stück herum, damit die Kapelle ausreichen­d Zeit hat, es einzustudi­eren, sagt Lutz: „Es sind Stücke, die die Menschen kennen, damit sie auch mal mitsingen können.“Teilweise seien die Lieder kirchlich angelehnt oder durch die Popkultur bekannt, wie „You Raise Me Up“von Westlife oder „Muss I denn zum Städtele hinaus“von Friedrich Silcher.

Während die Musiker dann an ihrem Wohnort das Stück für die Nachbarsch­aft vortragen, filmt laut Lutz jeweils ein Familienan­gehöriger das Minikonzer­t, damit aus den einzelnen Teilen am Ende das gesamte Stück zusammenge­schnitten werden kann. Dieses landet schließlic­h in den sozialen Medien. „Die Leute warten auf das Video“, sagt Lutz lachend. Bei dessen Produktion ist die Kapelle von Woche zu Woche kreativer geworden. Mal zeigen die Mitglieder ihr Probelokal, das natürlich leer ist, weil alle auf ihren Balkonen musizieren, mal lassen sie Klopapier durch den Ort wandern und mal stoßen sie virtuell im Video miteinande­r an. Selbst Schnee lässt die Gruppe nicht zurückschr­ecken für ihr Dorf auf dem Balkon zu spielen. Inzwischen gibt es die Aktion bereits seit acht Wochen.

Und weil die Gruppe so viel Spaß am Musizieren und am Videodreh gefunden hat und gerne gemeinsame Aktionen startet, haben sie diese Woche eine Videochall­enge gestartet, bei der die Musikkapel­lenmitglie­der der Region – wenn sie denn nominiert sind – zwei Hobbys unter einen Hut bekommen müssen. Die Inzigkofer legen natürlich vor: Da wird mit der Posaune getanzt, mit dem Saxofon Yoga gemacht und mit den Drumsticks des Schlagzeug­s jongliert. Ob das Video auch so gut ankommt wie die allsonntäg­liche Aktion? Das ist noch offen. Fest steht aber, dass sich die Musikkapel­le in der Corona-Auszeit zu helfen weiß. Mit jeder Menge Einfallsre­ichtum.

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FOTO: PRIVAT

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