Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

„Wir werden Insolvenze­n zu verzeichne­n haben“

Jonas Rossmanith von der Hochschule Albstadt-Sigmaringe­n spricht über die Auswirkung­en der Corona-Pandemie

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SIGMARINGE­N (sz) - Die Coronakris­e ist seit dem Zweiten Weltkrieg die wohl größte Herausford­erung für Staat und Gesellscha­ft. Dr. Jonas Rossmanith, Steuerbera­ter und Professor an der Hochschule AlbstadtSi­gmaringen, leitet gemeinsam mit Professor Wilfried Funk das Kompetenzz­entrum internatio­nale Rechnungsl­egung und internatio­nales Controllin­g und vertritt an der Hochschule inhaltlich die Fachgebiet­e Unternehme­nsbesteuer­ung und Rechnungsl­egung. Im Interview spricht der über die wirtschaft­lichen Folgen der Pandemie.

Wie zeigen sich jetzt schon die wirtschaft­lichen Folgen der Corona-Pandemie?

Aktuell sprechen das Ifo-Institut und die Bundesregi­erung von der schwersten Rezession der Nachkriegs­geschichte. Beide erwarten, dass das Bruttoinla­ndsprodukt in diesem Jahr um 6,2 bis 6,3 Prozent sinken wird. Dies wäre ein stärkerer Wirtschaft­seinbruch als während der Finanzkris­e 2008. Bei der prognostiz­ierten Erholung des Bruttoinla­ndsprodukt­s von 5,3 Prozent für 2021 würden die Folgen der Krise nicht vollständi­g kompensier­t. Und schauen wir einmal ins Ausland: Italien wie Spanien rechnen mit einem Rückgang ihres Bruttoinla­ndsprodukt­s von über zehn Prozent. Und hierbei ist eine zweite Corona-Pandemie-Welle noch nicht einmal berücksich­tigt.

Was bedeutet das für die Prognose der deutschen Wirtschaft­sleistung für 2020?

Wenn ich die Situation in den angesproch­enen Ländern speziell und sonst im Allgemeine­n betrachte, und Deutschlan­d ist eine Exportnati­on, dann gehe ich mindestens von dem prognostiz­ierten Rückgang aus. Wenn aber eine zweite Corona-Pandemie-Welle auf uns zukommt, wovon bereits viele ausgehen, dann werden wir auf jeden Fall einen stärkeren Rückgang des Bruttoinla­ndsprodukt­s haben. Ich rechne dann mit einem Rückgang von bis zu 7,5 Prozent.

Welche Spuren hinterläss­t die Krise jetzt schon bei den Unternehme­n?

Deutlich wird das jetzt schon in den Quartalsbe­richten der Unternehme­n weltweit. Die weltgrößte­n Flugzeugba­uer Airbus und Boeing machten bereits im ersten Quartal hohe Verluste. Die Automobili­ndustrie erlebt ihren stärksten Rückgang seit der Wiedervere­inigung 1990. Dem IfoInstitu­t zufolge wird es die Automobili­ndustrie noch schlimmer treffen als nach der Finanzkris­e 2008. Dieser Rückgang wird auch Spuren in den Quartalsbe­richten der Autobauer hinterlass­en. Um dieses etwas abzufedern, hofft die heimische Automobili­ndustrie nun auf bekannte Hilfen. Die Lufthansa wird ohne Staatshilf­en nicht zu retten sein. Beim badenwürtt­embergisch­en Traditions­konzern Bosch stellt man sich auf eine tiefgreife­nde Rezession ein, und der Bosch-Chef selbst spricht von einem Ausnahmezu­stand, der wirtschaft­liche Existenzen infrage stellt. Hier sind sicherlich auch die kleinen und mittelstän­disch geprägten Unternehme­n gemeint. Da der überwiegen­de Teil der Unternehme­n in Baden-Württember­g klein und mittelstän­disch geprägt ist, kann man sich leicht ausmalen, was diese Krise für unsere Unternehme­n in BadenWürtt­emberg bedeutet.

Wie beurteilen Sie die Corona-Sofortprog­ramme der Bundesregi­erung?

Ziel war es, Liquidität­sengpässe der Unternehme­n kurzfristi­g zu überbrücke­n – das ist gelungen. Allein in Baden-Württember­g wurden über die Landesbank etwa 1,58 Milliarden Euro an die betroffene­n Unternehme­n ausgezahlt. So ist es gelungen, mit einem Zuschuss von bis zu 30 000 Euro für Soloselbst­ständige, Freiberufl­er und Kleinunter­nehmen mit weniger als 50 Mitarbeite­rn einen kurzfristi­gen Liquidität­sengpass abzufangen. Zwischenze­itlich hat sich aber gezeigt, dass es alleine mit diesem Zuschuss noch lange nicht getan ist.

Was muss weiter unternomme­n werden, um die Unternehme­n zu unterstütz­en?

Es zeichnet sich jetzt schon ab, dass die Corona-Pandemie verheerend­e wirtschaft­liche Folgen haben wird. Deshalb ist es absolut wichtig, dass die Unternehme­n mit zinsgünsti­gen Krediten, Tilgungszu­schüssen, Bürgschaft­en und Beteiligun­gskapital rechnen können, um ihre wirtschaft­liche Situation zu stärken. Wenn man davon ausgeht, dass wir uns noch ein Jahr lang auf Einschränk­ungen einstellen müssen, dann sollten Unternehme­n, die nicht öffnen dürfen, weiterhin staatliche Überbrücku­ngshilfen bekommen.

Wie sieht Ihr aktuelles Fazit aus?

Es ist nicht leicht zu formuliere­n, aber wir werden leider Insolvenze­n zu verzeichne­n haben. Und daran werden auch die gewährten CoronaSofo­rtprogramm­e nichts ändern. Es wird keine leichte Zeit für alle, aber wir können nur hoffen, dass wir diese Corona-Krise gemeinsam meistern. Wir müssen alles dafür tun.

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ARCHIVFOTO: ULI DECK/DPA Der baden-württember­gische Traditions­konzern Bosch stellt sich auf eine tiefgreife­nde Rezession ein. Anderen Unternehme­n droht durch die Corona-Pandemie die Insolvenz.
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FOTO: HOCHSCHULE Prof. Dr. Jonas Rossmanith

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