Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
„Die Angst vor dem Hunger ist größer“
Vipingo-Vorsitzender berichtet über die Lage im Ort an der Ostküste von Kenia
OSTRACH - Heftige Regenfälle und eine anhaltende Heuschreckenplage beschäftigen die Menschen in Kenia derzeit ohnehin. Hinzu kommen die Folgen der Corona-Pandemie: Viele Menschen in Ostafrika sind ohne Arbeit und Einkommen, können sich Lebensmittel nicht mehr leisten. Der Verein Vipingo aus Ostrach startet daher eine Spendenaktion mit Essenspaketen für die Familien rund um den Ort Vipingo, zu denen er seit rund 20 Jahren enge Kontakte pflegt.
In Kenia gelten aufgrund der Corona-Pandemie seit Mitte März nächtliche Ausgangssperren, Geschäfte, Hotels und Restaurants sind geschlossen. „Menschen, die zuvor schon von der Hand in den Mund gelebt haben, finden keine Arbeit mehr“, sagt Dietmar Rusch, Vorsitzender des Vereins Vipingo.
Zudem kämpfen die Länder im Osten Afrikas mit einer Heuschreckenplage. Es ist laut der Landwirtschaftsorganisation FAO der Vereinten Nationen die schlimmste Heuschreckenplage seit 25 Jahren. In Schwärmen von 40 Millionen Tieren würden die Wüstenheuschrecken über die Ernte auf den Feldern herfallen und Lebensmittel vernichten. Hinzu kommt die akuelle Regenzeit. Heftige Niederschläge bringen Überschwemmungen, nehmen aber auch einem Großteil der Bevölkerung auf dem Land das Dach über dem Kopf. „Die meisten Menschen leben in einfachen Lehmhütten, die sich jetzt in Schlamm verwandeln. Die gesamte Situation in Kenia ist ein einziger Teufelskreislauf, eine Chaosspirale. Die Menschen fürchten den Hunger sehr viel mehr als das Coronavirus“, schildert Rusch. Umfassende Tests wie in anderen Ländern seien aufgrund des mangelhaften Gesundheitssystems in Kenia ohnehin kaum möglich. Auch daher dürfte die Zahl der offiziell gemeldeten Fälle im Land weiterhin bei unter 600 liegen. In Städten seien zwar Hilfsaktionen aktiv, aber bei den Menschen auf dem Land komme davon nichts an.
In dem ländlichen Ort Vipingo an der Ostküste Kenias legt der Verein den Fokus seines Engagements auf die Future Hope School, wo Kinder kostenlos die Schule besuchen können, aber auch Mahlzeiten bekommen. Seitdem auch in Kenia Schulen geschlossen sind, war dies kaum mehr möglich. Um den Menschen dennoch zu helfen und womöglich ihr Leben zu retten, hat der Verein eine Spendenaktion für LebensmittelPakete gestartet. Für eine Spende in Höhe von 15 Euro packen die Leiterin der Future Hope School, Carol Hardman, und Helfer vor Ort Essenspakete. Mit Mehl, Reis, Bohnen und Öl, aber auch Seife kommt eine Familie rund zwei Wochen durch und kann auch auf Hygiene achten. „Rund 70 Familien können wir unterstützen. Die Lebensmittel sind zwar da, aber den Menschen fehlt ohne Einkommen das Geld, sie zu kaufen“, sagt Rusch. Dass frisches Obst und Gemüse im Paket fehlen, liege an der Heuschreckenplage. Die Spenden des Vereins gingen ohne Umwege an die Schulleitung in Vipingo, so sei eine direkte Hilfe gewährleistet.
Bereits im März hatte der Verein eine Soforthilfe in Höhe von 1000 Euro überwiesen, will demnächst mehr schicken. Auch den Menschen im nahegelegenen Dorf Maweni hat der Verein Hilfe geschickt, damit diese Lebensmittel bekommen. Dort sind zudem gerade rechtzeitig zwei Brunnen fertig geworden, die durch die Fasnets-Spendenaktion im Rewe Eberhard in Pfullendorf finanziert wurden. „Mit schlechten Nachrichten und Hungersnöten in Kenia hatten wir auch schon zuvor zu kämpfen, aber in diesem Jahr kommt alles zusammen“, sagt Rusch. Eine Hungersnot im Osten Afrikas sieht auch das Welternährungsprogramm (WFP) der Vereinten Nationen als Bedrohung. „Die Zahl der Hungernden könnte in den nächsten drei Monaten in neun ohnehin armen Ländern von 20 Millionen auf rund 43 Millionen steigen", warnte das WFP. Neben Kenia handele es sich um Äthiopien, Südsudan, Somalia,
Uganda, Ruanda, Burundi, Dschibuti and Eritrea. Die Staaten hätten schwache Volkswirtschaften und Gesundheitssysteme, sie könnten der Pandemie und einem starken ökonomischen Abschwung kaum etwas entgegensetzen. Das Welternährungsprogramm bittet staatliche und private Geber um großzügige Zuwendungen für die Menschen im östlichen Afrika. Zur Finanzierung der Lebensmittellieferungen seien mehr als 500 Millionen US-Dollar für die nächsten Monate nötig.
Weitere Informationen zum Verein gibt es unter www.vipingo.de. Das Spendenkonto bei der Sparkasse Pfullendorf-Meßkirch lautet: DE75 6905 1620 0000 5912 71