Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Das Internet als Probelokal
Leonore Kübler bleibt digital mit ihren Schützlingen, den Muskitos, in Verbindung
LAIZ/BINGEN/SIGMARINGENDORF/SCHEER - Handy, Metronom, Kreidetafel, Notenblätter und Flügelhorn – fertig ist das ganz private „Musikstudio“von Leonore Kübler. Die ausgebildete Elementarmusikpädagogin, die hauptberuflich an der Musikschule Sigmaringen unterrichtet, geht seit einigen Wochen neue Wege. Fast täglich erstellt sie Videos, die sie im Internet einstellt. Denn trotz oder gerade wegen Corona sei es ihr besonders wichtig, auch aus dem Home-Office heraus die Verbindung zu „ihren“Kindern und Jugendlichen zu halten und weiterhin regelmäßig zu proben.
Ein Leben ohne Musik wäre für Leonore Kübler undenkbar. Neben ihrer hauptamtlichen Tätigkeit, in der sie für die Eltern-Kind-Angebote sowie für die musikalische Früherziehung an der Musikschule verantwortlich zeichnet, spielt sie seit Jahrzehnten in der Musikkapelle Laiz. Auch deren Nachwuchs, die Jumus, bildete sie bis vor einigen Jahren aus. 2016 übergab sie dieses Amt an Lea Maier, um sich einer neuen Aufgabe zu widmen: den Muskitos. Ein Projekt der Musikvereine Laiz, Sigmaringendorf, Bingen und Scheer. Es vereint die jungen Musiker der vier Vereine und ermöglicht ein effektives Proben mit einem starken Klangkörper. „Um etwas anspruchsvollere Stücke spielen zu können, braucht man auch eine bestimmte Anzahl an Instrumenten, sozusagen eine gewisse Masse“, erklärt die Musikpädagogin.
28 Kinder und Jugendliche gehören mittlerweile zu diesem fortgeschrittenen Jugendorchester, wie Kübler es nennt. Das Durchschnittsalter liegt bei 12,5 Jahren. Geprobt wird jeden Mittwochabend, abwechselnd in Scheer oder Bingen, den „zentral gelegenen Orten“. Aber momentan sind auch in der Musik die Zeiten alles andere als normal. Nicht gemeinsam proben zu können, ist für viele eine Herausforderung. „Es ist mir wichtig, dass die Kinder dennoch ihr Instrument spielen und wir gemeinsam üben“, sagt Kübler, „wenn auch jeder für sich zu Hause“. Und so kam ihr die Idee mit den Videos, die sie nun aufeinander aufbauend zusammenstellt. „Es ist viel Arbeit, aber es macht auch jede Menge Spaß. Und ich freue mich, dass die Kinder weiter fleißig üben.“
Ganz aktuell hat Kübler ihren Muskitos das Musikstück „Children of Europe“als „Hausaufgabe“aufgegeben. Ein relativ unbekanntes, aber anspruchsvolles Werk. Eine Mammutaufgabe für Schüler und Lehrerin. „Wir werden Monate brauchen, aber das ist egal, die Zeit haben wir“, sagt sie geduldig. Ihre Videos sind anschaulich erklärt und alles andere als langatmig. Apropos atmen, das richtige Atmen, nämlich frühestens nach jedem zweiten Takt, ist beispielsweise ein Thema ihrer Übungseinheiten. Ein anderes widmet sich dem Rhythmus, und Kübler vergleicht die Synkopen mit den Herzschlägen.
Zu ihren Schützlingen gehören auch die Geschwister Luana und Dario
Mattes, die nur ein paar Häuser weiter wohnen. Während die 13-Jährige mit ihrer Klarinette das sanftere Tempo spielt, blickt sie etwas unsanfter zu ihrem drei Jahre jüngeren Bruder, der mit Feuereifer und seiner Posaune dem Takt ein klein wenig vorauseilt.
Üben, üben und nochmals üben, die beiden spielen beständig die
Tonleiter mit verschiedenen Artikulationen rauf und runter. Und tatsächlich klingen die ersten Notenzeilen nach mehreren Übungen schon richtig gut. Und der Spaß? „Naja, die Videos sind schon cool, aber im Proberaum mit allen anderen zusammen ist es natürlich viel schöner“, sind sich Dario und Luana einig.