Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Für Wirte sind noch viele Fragen offen
Wie sich die Gastronomen in Mengen auf die Wiedereröffnung vorbereiten
MENGEN - Mit Vorfreude, aber auch einer gewissen Unsicherheit blicken die Mengener Gastronomen auf den kommenden Montag. Unter Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln sowie der Dokumentation ihrer Gäste dürfen Lokale ab dem 18. Mai wieder öffnen. Bei der Sendung „Mengen diskutiert“auf Youtube haben drei Wirte aus der Stadt am Montagabend davon berichtet, wie sehr sie sich vor allem auf ihre Stammkunden freuen. Von der Landesregierung erwarten sie aber noch dringend weitere Informationen für einen geregelten Ablauf.
Das Gasthaus Adler in Ennetach, das Restaurant L’Aragosta und das Pub Café Mengen gehören zu den etwa 90 Prozent der Gastronomiebetriebe in Baden-Württemberg, die zur Überbrückung der Zeit, in der ihr Lokal während der Corona-Krise nicht geöffnet werden durfte, Soforthilfe erhalten haben. Alle drei Wirte erzählen in der Talkrunde mit Bürgermeister Stefan Bubeck, wie unbürokratisch und schnell die 9000 Euro auf ihrem Konto gelandet sind. „Bei unserer Größe und Mitarbeiterstruktur hat das aber nur für zwei Wochen gereicht“, sagt Manuela Di
Luccia vom L’Aragosta. Mit einem Abhol- und Lieferservice würde sich die Familie gerade über Wasser halten, die festangestellten Mitarbeiter seien in Kurzarbeit. „Ob wir die Aushilfen in diesem Jahr noch beschäftigen können, kann ich nicht sagen.“Gleiches gelte auch für das Pub Café. „Mit dem Abholservice können wir etwa 20 Prozent des normalen Umsatzes machen“, sagt Guido Kanzler. „Mir tut das vor allem für unsere Mitarbeiter im Service und in der Küche leid, die auf 450-Euro-Basis bei uns gearbeitet haben und jetzt gar nichts bekommen.“Der Adler ist seit zwei Monaten auf Null heruntergefahren. „Wir sind auf Veranstaltungen zwischen 20 und 80 Leuten ausgelegt und für einen Abholservice nicht eingerichtet“, sagt Wolfgang Eberhart. „Es war ein Schock, von einem Tag auf den anderen keinerlei Gäste mehr zu haben.“
Jetzt stecken die Wirte in den Vorbereitungen für die Wiedereröffnung. Tische werden auf Abstand gerückt, Spender für Desinfektionsmittel aufgestellt. „Wir wollen unsere lange Theke mit Plexiglas verkleiden und so auch die Tische im Gastraum voneinander trennen“, sagt Guido Kanzler. Für problematisch hält er die Auflage, dass die persönlichen
Daten der Gäste aufgenommen und verwahrt werden müssen, um mögliche Infektionsketten nachzuvollziehen. „Muss ich jemanden rauswerfen, wenn er aus Datenschutzgründen verweigert?“Für Wolfgang Eberhart ist nicht klar, ob er eine achtköpfige Familie an einem Tisch essen lassen kann oder sie trennen muss. Und darf ohne Reservierung niemand mehr vorbeischauen? Im Chat stellen sich die Zuschauer außerdem die Frage, ob die Öffnungszeiten beschränkt werden und wer zusammen am Tisch sitzen darf.
„Gerade sind beide Seiten noch sehr verunsichert, die Gastronomen und die Gäste“, gibt Fritz Engelhardt, Vorsitzender des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga BadenWürttemberg die Stimmung im Land wieder. Alle Fragen kann auch er nicht beantworten. Eine Reservierungspflicht gäbe es nicht, aber eine, den Gast an seinen Platz zu führen. Seiner Meinung nach gäbe es Wege, den Gästen die Sammlung der Daten verständlich zu machen. „Es muss ja keine Excel-Liste sein, in der man alle anderen Namen und Adressen lesen kann“, überlegt er. Doch auch er fordert weitere Antworten vom Land ein. „Ich bin optimistisch, dass im Laufe der Woche noch einiges geklärt wird“, sagt er. „Die Situation ist ja für alle neu und ich habe das Gefühl, dass sich die Politiker sehr reinhängen.“Die Dehoga berate Hotels und Gaststätten derzeit vor allem darin, die Kosten ihres Betriebs zu reduzieren, um überleben zu können: Speisekarten reduzieren, Pachten stunden und vielleicht über ein digitales Reservierungssystem nachdenken, um Tische am Abend doppelt belegen zu können.
Vertrauen schaffen und die Situation mit den Gästen bestmöglich meistern, das möchte Wolfgang Eberhart in Zukunft. Manuela Di Luccia plädiert für mehr Dankbarkeit dafür, dass es in Deutschland Instrumente wie Kurzarbeit oder Soforthilfen gäbe. „Die zwei Monate, in denen wir schließen mussten, gibt uns aber trotzdem niemand zurück“, sagt sie. Für die Guido Kanzler hingegen ist klar: Wenn es im Herbst noch einmal einen staatlich verordneten Lockdown gibt, wird das Pub Café nicht noch einmal öffnen. „Man hat Betriebe wie uns, Friseure oder Tattoo-Studios ins offene Messer laufen lassen“, sagt er. Dafür, dass in Mengen selbst bei einer dazugerechneten Dunkelziffer von 100 Personen gerade einmal 0,1 Prozent der Einwohner infiziert seien, empfinde er die ergriffenen Maßnahmen als sehr übertrieben. „Das ist keine Verhältnismäßigkeit und macht sehr viel kaputt“, sagt er. An die Vorgaben halte man sich im Pub Café trotzdem, es bleibe ja nichts anderes übrig.
Offene Worte, die von Bürgermeister Bubeck als eigene Meinung akzeptiert werden. Der redet den Zuschauern noch einmal auf andere Weise ins Gewissen: „Bisher hat der Staat über uns bestimmt, jetzt muss jeder für sich und andere Verantwortung übernehmen.“Eine ordentliche Portion Vorsicht und gesunde Skepsis könne da nicht schaden.