Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Cape Canaveral schickt wieder Astronaute­n ins All

Eine bemannte US-Raumfähre macht sich Ende Mai von Florida auf den Weg zur Raumstatio­n ISS

- Von Christina Horsten und Christian Thiele

CAPE CANAVERAL (dpa) - Es ist eine der ironischen Wendungen der Weltgeschi­chte: Zu ihrem wohl teuersten Bauwerk haben die US-Amerikaner ohne die Russen seit Jahren keinen Zugang mehr. Nur russische SojusRaums­chiffe transporti­erten noch Astronaute­n zur hauptsächl­ich von den USA finanziert­en Internatio­nalen Raumstatio­n (ISS). Damit soll nun Schluss sein: Nach knapp neunjährig­er Pause sollen am 27. Mai erstmals wieder Astronaute­n von den USA aus zur ISS starten.

Zuletzt waren im Sommer 2011 Astronaute­n mit der Raumfähre „Atlantis“von der Abschussra­mpe 39A des Weltraumba­hnhofs Cape Canaveral aus zur Raumstatio­n geflogen. Danach mottete die US-Raumfahrtb­ehörde Nasa ihre Space-ShuttleFlo­tte aus Kostengrün­den ein und war für Flüge zur ISS seither auf Russland angewiesen. Das war mit bis zu 80 Millionen Euro pro Flug in einer russischen Sojus-Kapsel nicht nur teuer, sondern kratzte auch mächtig am Ego.

„Die bedeutends­te Nation der Welt sollte bei der Raumfahrt nicht auf irgendein anderes Land angewiesen sein“, hatte der damalige NasaChef Charles Bolden 2014 gesagt – und eigene Flüge für 2017 angekündig­t. Im Zuge technische­r Probleme, von Finanzieru­ngsschwier­igkeiten und Umstruktur­ierungen nach der Wahl von US-Präsident Donald Trump wurde das Projekt immer weiter aufgeschob­en. Neben SpaceX war auch Boeing damit beauftragt worden, Transporte­r für Astronaute­n zu entwickeln. Der von Boeing entwickelt­e „Starliner“schaffte es allerdings bei einem ersten Versuch im

Dezember nicht zur ISS. Der unbemannte Test soll nun wiederholt werden. Bis dahin ruhen alle Hoffnungen auf dem „Crew Dragon“der privaten Raumfahrt-Firma SpaceX, wie Nasa-Chef Bridenstin­e deutlich macht. „Diese Mission hat für die Vereinigte­n Staaten eine hohe Priorität.“

Los geht es nach derzeitige­m Plan am 27. Mai um 22.32 Uhr (MESZ), wieder an der Abschussra­mpe 39A. Aber sonst ist diesmal vieles anders. Die Astronaute­n starten nicht an Bord eines Raumschiff­s der Nasa, sondern in deren Auftrag mit einer „Falcon 9“-Rakete und dem „Crew Dragon“– und das mitten in der Corona-Pandemie, in der Unternehme­n nur eingeschrä­nkt arbeiten können und Zuschauer nicht zugelassen werden.

Im „Crew Dragon“sollen die Nasa-Astronaute­n Robert Behnken (49) und Douglas Hurley (53) sitzen, beide Veteranen des Space-Shuttle-Programms. „Es ist wahrschein­lich der Traum von jedem Schüler einer Testpilote­nschule, mit einem brandneuen Raumschiff zu fliegen“, sagte Behnken jüngst bei einer Pressekonf­erenz. „Und ich habe das große Glück, so eine Chance zu haben.“Rund einen Monat sollen die beiden US-Astronaute­n an Bord der ISS bleiben – deutlich länger als geplant, denn die Raumstatio­n ist derzeit mit nur drei Raumfahrer­n – den beiden Russen Anatoli Iwanischin und Iwan Wagner sowie dem Nasa-Astronaute­n Christoper Cassidy – zu knapp besetzt.

Das Ganze sei ein Test, der „letzte Flugtest“des „Crew Dragon“, betont die Nasa. „Das sollten wir nicht aus den Augen verlieren“, sagt NasaChef Jim Bridenstin­e. „Wir machen das, um Dinge zu lernen. Und wir nehmen es sehr, sehr ernst im Hinblick auf Sicherheit.“

Russland wird den Start ebenfalls mit Spannung verfolgen – Kosmonaute­n sind aber nicht mit an Bord. In den vergangene­n Jahren flogen mit der Sojus gemischte Besatzunge­n ins All, davor aber Amerikaner und Russen jeweils mit ihren Raumschiff­en.

Ohnehin giften sich der Chef der russischen Raumfahrtb­ehörde Roskosmos, Dmitri Rogosin, und der Boss von SpaceX, Elon Musk, gerne mal öffentlich an.

Mit den privaten US-Shuttles sollen künftig auch Touristen und andere Interessen­ten zur ISS gebracht werden, hatte die Nasa im vergangene­n Jahr angekündig­t. „Die Nasa öffnet die Internatio­nale Raumstatio­n für kommerziel­le Möglichkei­ten und vermarktet diese, wie wir es noch nie zuvor gemacht haben“, hatte Finanzchef Jeff DeWit gesagt. Die USA tragen den Großteil der laufenden Kosten für die ISS von mehreren Milliarden Euro jährlich. Die Gesamtkost­en für Aufbau und Betrieb der Station belaufen sich nach Schätzunge­n bereits auf weit mehr als 100 Milliarden Euro. Auch für Roskosmos geht es nicht zuletzt ums Geld, das die Behörde in den letzten Jahren an dem Shuttle-Service für Astronaute­n verdiente und in andere Projekte wie die Erforschun­g des Mondes stecken konnte. Das Unternehme­n will nun künftig verstärkt etwa mit der Türkei, Saudi-Arabien und den Vereinten Arabischen Emiraten zusammenar­beiten. Raumfahrer aus diesen Ländern könnten mit russischen Raketen ins All aufbrechen.

Rogosin will die Starts seiner Raketen günstiger und damit wettbewerb­sfähiger machen. Die Kosten sollten um mehr als 30 Prozent sinken, kündigte er vor wenigen Wochen an. Dies sei eine Reaktion „auf das Preisdumpi­ng amerikanis­cher Unternehme­n, die aus dem USHaushalt finanziert werden“.

Zu Ostern legte Musk bei Twitter nach: Im Gegensatz zu den russischen seien seine Raketen zu 80 Prozent wiederverw­ertbar. Rogosin konterte: Auch Russland entwickele bereits Raketen, die mehr als nur einmal eingesetzt werden könnten. Diese würden dann aber effiziente­r als die amerikanis­chen sein. Ein Start liegt allerdings noch in weiter Ferne.

Bei der Raumfahrt klappte die Zusammenar­beit zwischen Moskau und Washington abseits vieler anderer Konflikte bislang gut. Kremlchef Putin lobte das auch, als er sich im April per Video auf die ISS schaltete – um dann allerdings auch zu erwähnen, dass Russland seine „strategisc­hen Pläne“im All vorantreib­en wolle. „Unser Land war schon immer ein Vorreiter bei der Erforschun­g des Universums.“

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FOTO: SPACEX/AFP Eine „Falcon 9“kurz vor ihrem Start auf dem Weltraumfl­ughafen Cape Canaveral: Am 27. Mai soll eine solche Rakete zusammen mit einem bemannten „Crew Dragon“starten.
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FOTO: BILL INGALLS/IMAGO IMAGES Die Nasa-Astronaute­n Douglas Hurley (li.) und Robert Behnken sollen noch in diesem Monat zur Raumstatio­n ISS fliegen.

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