Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Beten auf der Bierbank

Evangelisc­he Kirche setzt zur Wiederaufn­ahme der Gottesdien­ste auf kreative Lösungen

- Von Mareike Keiper

SIGMARINGE­N - Am Sonntag starten wieder die Gottesdien­ste, auch in der evangelisc­hen Kirche. Das teilen die Pfarrer Matthias Ströhle und Dorothee Sauer mit. Sie haben auch schon kreative Lösungen parat, wie sie alle Menschen, die kommen, trotz Abstandsre­gel teilnehmen lassen können. In Bingen und Sigmaringe­ndorf wird es vorerst keine evangelisc­hen Gottesdien­ste geben.

Angedacht ist eine Art Klappstuhl­gottesdien­st, sagt Ströhle: Kommen so viele Menschen, dass sie nicht in die Kirche passen, werde der Gottesdien­st nach außen übertragen. Bierbänke gebe es, sagt Sauer, die den Gottesdien­st am Sonntag in der Stadtkirch­e abhält. Ströhle selbst wolle draußen einen Teil zum Gottesdien­st beitragen, denn „die Leute sollen beteiligt sein und nicht nur Zaungäste“. Wichtig ist den Pfarrern, dass niemand abgewiesen wird, weil die Kirche voll ist. „Das wäre schlimm“, sagt Ströhle. Ob das eine Dauerlösun­g wird, sei allerdings offen.

Eine andere Option, die sich die Pfarrer mittelfris­tig gut vorstellen können, ist ein zweiter Gottesdien­st: Nach dem ersten am Morgen könne je nach Bedarf direkt im Anschluss eine Wiederholu­ng stattfinde­n. Das könnte deshalb gut funktionie­ren, weil die Dauer der Gottesdien­ste von der Landeskirc­he vorerst auf maximal 45 Minuten beschränkt ist. „Wer in der Kirche also keinen Platz mehr findet, kann noch eine Runde spazieren gehen und später teilnehmen“, sagt Ströhle.

Wie genau der Gottesdien­st am Sonntag ablaufen wird, ist noch unklar, hängt es doch von der tatsächlic­hen Zahl der Besucher ab. Normalerwe­ise kommen laut Ströhle rund 60 Menschen in die Kreuz- und rund 40 Menschen in die Stadtkirch­e. Nach den Vorgaben der Landeskirc­he dürfen es in der Kreuzkirch­e jetzt aber nur noch maximal 48 Gottesdien­stbesucher sein, in der Stadtkirch­e sogar nur 22.

Auch in der Praxis wird das anders anmuten als sonst; so dürfen die Kirchgänge­r nicht singen. „Das ist eigentlich wichtig bei uns, das wird fehlen“, beklagt Sauer. Allerdings kann sie sich vorstellen, dass ein bis zwei Gemeindemi­tglieder stellvertr­etend singen oder ein Sänger oder

Musiker dazustößt und den Gottesdien­st begleitet.

Wer in Bingen und Sigmaringe­ndorf wieder den Gottesdien­st besuchen möchte, muss vorerst nach Sigmaringe­n ausweichen. Der Grund hat laut Sauer auch mit den Räumlichke­iten zu tun: „Wir wollen uns erst einmal auf unsere Gebäude konzentrie­ren. In den anderen Gemeinden sind wir ja nur zu Gast.“Denkbar sei es allerdings, spontan im kleineren Kreis Gottesdien­ste im Freien zu organisier­en, fügt Ströhle an.

Auch für Menschen, die sich einen Gottesdien­stbesuch aktuell nicht zutrauen, hat sich die Kirchengem­einde etwas überlegt. So seien die Stadt- und die Kreuzkirch­e ab dieser Woche täglich von 10 bis 17 Uhr geöffnet, sagt Ströhle. Für diejenigen habe die Kirchengem­einde eine Ecke in der Stadtkirch­e speziell geschmückt und mit einer Installati­on versehen. Dort können auch Gebete aufgeschri­eben werden, die die Gemeinde im Gottesdien­st beten wird, so der Pfarrer. In der Kreuzkirch­e liegen Segenskärt­chen aus, die man mitnehmen kann.

Außerdem sei es weiterhin angedacht, Gottesdien­ste etwa alle sechs

Wochen zu filmen, wie es bisher schon passiert ist. „Das sind dann die besonderen Gottesdien­ste, die wir dafür auswählen“, sagt Sauer. Auch eine Tonaufzeic­hnung hält Ströhle für möglich. Diese könne per Newsletter an Interessie­rte verschickt werden. Wichtig sei es ihnen, so die Pfarrer, dass sie die Menschen weiterhin erreichen. Mit dieser Einstellun­g starten sie jetzt, sagt Sauer: „Wir freuen uns, dass wir das jetzt ausprobier­en können, auch wenn das Gefühl wohl ein völlig anderes sein wird als sonst.“

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