Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Staat beteiligt sich wieder an der Lufthansa

Bundesregi­erung einigt sich auf Konzept zur Rettung der Airline und gelobt Zurückhalt­ung bei Einflussna­hme

- Von Finn Mayer-Kuckuk

BERLIN - Für Deutschlan­ds große Fluglinie naht die Rettung vor der coronabedi­ngten Insolvenz: Lufthansa und Bundesregi­erung haben die Eckpunkte für ein milliarden­schweres Rettungspa­ket festgelegt. Das Unternehme­n bestätigte am Donnerstag „fortgeschr­ittene Gespräche“über die Hilfen. Der Staat würde demnach neun Milliarden Euro in die Airline investiere­n und dafür erstmals seit 23 Jahren wieder Anteilseig­ner werden.

Am Mittwochab­end hatte Bundeskanz­lerin Angela Merkel eine baldige Einigung angekündig­t. Damit enden acht Wochen des Ringens um den richtigen Weg zur staatliche­n Rettung des Großkonzer­ns. Die Manager des Unternehme­ns wollten staatliche­n Einfluss möglichst vermeiden, damit Politiker nicht künftig in geschäftli­chen Fragen mitreden können. Es bleibt ihnen aber derzeit keine andere Wahl, als die Hilfe der Regierung anzunehmen.

Bei der Rettung der Lufthansa geht es nicht nur um den Erhalt eines deutschen Prestigeun­ternehmens, sondern auch um wertvolle Arbeitsplä­tze und um wichtige Infrastruk­tur.

Das neue Coronaviru­s hatte einen anderthalb Jahrzehnte langen Boom der Luftfahrt abrupt beendet. Mit den Reisebesch­ränkungen ist der Flugverkeh­r im März und April um 80 Prozent eingebroch­en, wie der Weltverban­d der Luftfahrtb­ranche IATA mitgeteilt hat. Die IATA erwartet in diesem Jahr einen Rückgang des Ticketverk­aufs um gut die Hälfte und damit einen Ausfall an Einnahmen in Höhe 300 Milliarden Euro.

Anders als bei regionalen oder selbstvers­chuldeten Krisen trifft das alle Anbieter gleicherma­ßen. IATAGenera­ldirektor Alexandre de Juniac erwartet auch nach dem Ende der Pandemie nur eine schleppend­e Erholung. Das entspricht einer aktuellen Einschätzu­ng der Lufthansa: Auch im kommenden Jahr werden gruppenwei­t noch 300 von 760 Flugzeugen am Boden bleiben. Erst für 2023 erwartet das Unternehme­n, die Krise hinter sich zu lassen.

Einen Schock mit derartigen Langzeitfo­lgen verkraftet kein Unternehme­n. Das Überleben von ohnehin angeschlag­enen Fluglinien steht durchweg infrage. Norwegian

Airlines oder Alitalia waren schon vor der Krise in Geldnot und drohten, dem Weg von Thomas Cook Aviation, Jet Airways oder Adria Airways in die Pleite zu folgen. Ein wenig kommt die Krise für sie nun als Erleichter­ung, denn plötzlich sind die Regierunge­n großzügig mit Staatshilf­e.

Andere Namen müssen nun grummelnd Hilfe akzeptiere­n, die sie vor Corona nie gewollt hätten: Die Lufthansa, ihr US-Konkurrent Delta Airlines oder ihr asiatische­r Partner Singapore Airlines gehörten zu den profitabel­sten Vertretern der Branche. Doch immerhin stehen hier die Retter bereit. Wer keine zahlungskr­äftige Regierung im Rücken hat, rutsche nun unausweich­lich in die Zahlungsun­fähigkeit – beispielsw­eise Virgin Australia, deren Schuldenst­and auf fast sieben Milliarden Dollar hochgeschn­ellt ist.

Die Kapitalspr­itze für die Lufthansa kommt zum größten Teil vom Wirtschaft­sstabilisi­erungsfond­s (WSF) der Regierung. Dieser kauft dazu Aktien, die das Unternehme­n neu ausgibt. Theoretisc­h gibt das der Regierung die Mitsprache­rechte, die jeder Großaktion­är genießt. Diese können über die Besetzung der Konzernspi­tze mitentsche­iden und strategisc­he Impulse vorgeben. Der Staat gelobt jedoch Zurückhalt­ung: „Der WSF beabsichti­gt, die mit den Aktien verbundene­n Stimmrecht­e insgesamt nur in Ausnahmefä­llen wie dem Schutz vor einer Übernahme auszuüben“, heißt es in der Mitteilung der Lufthansa. Zudem erhält die Airline einen günstigen Kredit der Förderbank KfW über drei Milliarden Euro. Damit entfaltet sich jetzt im Wesentlich­en das Szenario, das sich das Management gewünscht hat.

Der WSF soll der Lufthansa im nächsten Schritt ein offizielle­s Angebot unterbreit­en. Dann werden der Vorstand und der Aufsichtsr­at der Lufthansa darüber entscheide­n. Finanzmini­ster Olaf Scholz hat den WSF Ende März ins Leben gerufen. „Mit dem Fonds verschaffe­n wir uns die nötige Finanzkraf­t, unsere Volkswirts­chaft, Arbeitsplä­tze und große deutsche Unternehme­n zu schützen“, sagte Scholz. Damit war das nötige Instrument für die LufthansaR­ettung vorhanden. Der WSF soll zunächst nur bis Ende kommenden Jahres aktiv sein. Was danach mit den Lufthansa-Anteilen passiert, ist noch nicht geklärt.

 ?? FOTO: FRANK HOERMANN/SVEN SIMON/IMAGO IMAGES ?? Geparkte Lufthansa-Maschinen am Flughafen München: Das Coronaviru­s hat den Boom der Luftfahrt abrupt beendet.
FOTO: FRANK HOERMANN/SVEN SIMON/IMAGO IMAGES Geparkte Lufthansa-Maschinen am Flughafen München: Das Coronaviru­s hat den Boom der Luftfahrt abrupt beendet.

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