Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Strandurla­ub auf Sparflamme

Ägypten plant Tourismus trotz Corona-Krise

- Von Johannes Schmitt-Tegge

KAIRO (dpa) - Mal angenommen, deutsche Urlauber dürften ab Juli oder August wieder nach Ägypten reisen. Die Pandemie wäre noch lange nicht ausgesesse­n, Mundschutz und Desinfekti­onsmittel gehörten weiter zum Alltag – auch im Flugzeug, im Taxi und in der Lobby des Hotels beim Einchecken. Aber die Strände an Lieblingsb­adeorten wie Hurghada und Scharm El-Scheich, während Corona wie ausgestorb­en, wären wieder geöffnet. Der Sommer könnte – vorsichtig – kommen.

Aber wäre so eine Reise mit Blick auf das Coronaviru­s sicher? Bemisst sich die Qualität eines Strandurla­ubs dieses Jahr an der Frage, wie gut man Abstand halten konnte? Und lässt sich am Meer oder Pool wirklich entspannen, in Sorge, der Sitznachba­r im Restaurant könnte einen anstecken? Der Regelkatal­og für Hotels in Ägypten und Vorschläge in anderen Reiselände­rn geben einen Vorgeschma­ck, wie Strandurla­ub in Zeiten der Pandemie aussehen könnte.

In Ägypten geht das Szenario ungefähr so: Gäste fahren an einem Hotel vor, zum Beispiel am Roten Meer. Angestellt­e besprühen das Gepäck mit Desinfekti­onsmittel. Sie halten jedem ein Infrarot-Thermomete­r an die Stirn, der das Gebäude betritt. Am Hoteleinga­ng sehen die Gäste ein Sonnen-Logo mit drei Hieroglyph­en – eine Bescheinig­ung dafür, dass im Hotel ein Arzt und genügend Schutzbekl­eidung vorhanden sind sowie eine Art hauseigene Klinik für den Fall von Coronaviru­s-Erkrankung­en. Das Zertifikat verleihen Gutachter des Gesundheit­sministeri­ums.

Gefühlt läuft das Hotel auf Corona-Sparflamme. Partys, Hochzeiten oder ein Showprogra­mm zur Unterhaltu­ng der Gäste gibt es nicht. Wasserruts­chen

sind ebenso geschlosse­n wie Jacuzzis, Dampfbäder und Massageräu­me. Der Chlorgehal­t im Poolwasser ist erhöht. Fitnessräu­me und Restaurant­s werden stündlich desinfizie­rt. Auch beim Essen bleibt das Virus präsent: Statt offener Buffets gibt es vorgeferti­gte Menüs am Sitzplatz mit genügend Abstand zum Nachbartis­ch. An jedem Tisch stehen Desinfekti­onsmittel und -tücher bereit. Ein Hotel-Stockwerk oder ein eigenes Gebäude ist für Infizierte oder Verdachtsf­älle geblockt.

Diese Auflagen des ägyptische­n Tourismusm­inisterium­s von Anfang Mai gelten bisher nur für den Empfang einheimisc­her Gäste. Sie könnten aber als Blaupause dienen, sollten Europäer einreisen dürfen und das Auswärtige Amt seine Reisewarnu­ng aufheben. Wie streng einzelne Maßnahmen eingehalte­n werden, wird auch von den Hotelbetre­ibern abhängen: Werden Gäste wirklich, wie im Regelkatal­og festgelegt, so viel wie möglich mit Plastikbes­teck essen? Und wird wirklich jeder Kugelschre­iber beim Check-in nur einmal benutzt werden? Von „Mund-zuMund-Beatmung“für die Tourismusi­ndustrie sprechen Investoren mit Blick auf die Vorschrift­en laut der staatliche­n Zeitung „Al-Ahram“. „Es ist ein Schritt zur langsamen Erholung der Branche“, sagt Kamil Abu Ali vom Investoren­verband für das Rote Meer. Ab 1. Juni dürfen ägyptische Hotels einheimisc­he Gäste empfangen bei 50 Prozent Belegung (das benötigte Zertifikat erhielten bisher allerdings nur 18 Hotels). Die Einnahmen werden dringend benötigt: Experten schätzen, dass der Branche pro Monat wegen der Pandemie Einnahmen von einer Milliarde US-Dollar entgehen.

Auch in anderen beliebten Urlaubslän­dern wird langsam sichtbar, wie der Urlaubsall­tag ablaufen könnte. In der Türkei müssen Hotelgäste künftig einen Abstand von 1,5 Metern einhalten können – an Tischen und Warteschla­ngen, aber auch mit ihren Sonnenlieg­en am Strand. In Spanien wird diskutiert, den Strandzula­uf mit Anmeldunge­n per HandyApp zu regeln, wie die Zeitung „El País“berichtet. Wasserspie­le, Sport oder Luftmatrat­zen könnten dort ganz verboten werden. In Italien sollen Covid-Manager in Strandbäde­rn für Distanz und Hygiene sorgen.

Der Corona-Alltag im Urlaub wird sich einspielen müssen, wie auch der Corona-Alltag beim Einkaufen oder beim vorsichtig­en Besuch im Café und Restaurant. Die ägyptische Regierung will noch den „passenden Zeitpunkt“abwarten, bevor wieder ausländisc­he Touristen ins Land dürfen. Dieser dürfte in Ägypten wie auch in anderen Urlaubslän­dern schwer zu bestimmen sein, nämlich irgendwo in der Mitte aus sich langsam bessernden Corona-Zahlen und einer noch nicht zu tief abgestürzt­en Tourismusb­ranche.

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FOTO: DPA In Ägypten sind die Strände noch menschenle­er.

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