Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Keine Änderung des Reiseverha­ltens erwartet

Bürgermeis­ter Stefan Bubeck diskutiert mit Gästen über die Situation der Reisebüros und den Sommerurla­ub

- Von Jennifer Kuhlmann

MENGEN - Die Menschen sollen ihren Sommerurla­ub bekommen. Doch unter welchen Bedingunge­n er stattfinde­n und ob er über Deutschlan­d und die direkten Nachbarlän­der hinausgehe­n wird, ist derzeit noch vollkommen offen. Die Teilnehmer der Runde, die am Montagaben­d bei der Live-Übertragun­g von „Mengen diskutiert“mit Bürgermeis­ter Stefan Bubeck über die Situation der Reisebranc­he sprachen, waren sich aber auch einig, dass sich das Reiseverha­lten der Menschen langfristi­g nicht ändern werde.

Wann dürfen Deutsche wieder zu ihren Ferienwohn­ungen in Südtirol fahren? Wird es dabei bleiben, dass Einreisend­e in Spanien erst einmal zwei Wochen in Quarantäne müssen? Ab wann fliegen Flugzeuge wieder und können in ihnen Abstandsre­geln eingehalte­n werden? Fragen, auf die der Bundestags­abgeordnet­e Thomas Bareiß in seiner Funktion aus Tourismusb­eauftragte­r der Bundesregi­erung am Montag keine für die Zuschauer zufriedens­tellende Antwort gegen konnte. Er gehe davon aus, dass die spanische Regierung, die um die Wichtigkei­t des Tourismus beispielsw­eise für Mallorca wisse, schon ihre Gründe habe, an der Quarantäne festzuhalt­en. Sicherheit­svorkehrun­gen in Flugzeugen wolle er lieber Experten überlassen ebenso die Diskussion über die Möglichkei­t eines Gesundheit­spasses oder eines Negativtes­t-Nachweises für Reisende. „Gesundheit­sschutz und Sicherheit gehen vor, aber wir tun viel dafür, dass Urlaubsrei­sen innerhalb von Europa machbar werden“, sagte er. Sowohl er selbst als auch Außenminis­ter Heiko Maas würden in Videokonfe­renzen in ständigem Austausch mit anderen europäisch­en Ländern stehen.

„Klar ist, dass es einen normalen Sommerurla­ub nicht geben wird, auch innerhalb Deutschlan­ds nicht“, sagte Patrick Rapp, der für den Wahlkreis Breisgau und die CDU im Landtag sitzt und aus Mengen stammt. „Wir gehen derzeit davon aus, dass zumindest Urlaub in den direkten Nachbarlän­dern funktionie­rt, vielleicht auch in ruhigeren Lagen in anderen europäisch­en Ländern.“Die Lage könne sich durch erhöhte Infektions­zahlen aber schnell ändern, so dass das in zwei oder drei Wochen schon nicht mehr empfohlen werden könne. An dieser Unsicherhe­it ließe sich momentan wenig ändern. „Baden-Württember­g hat auch tolle Regionen für Touristen“, sagte er. „Da fehlen aber auch die Gäste aus dem angrenzend­en Europa.“

Was mögliche Hilfen und Rettungssc­hirme für Reisebüros und Reiseveran­stalter anging, hätten vor allem die Zuschauer aus dem Chatbereic­h, die sich unter anderem auch aus Sachsen und Nordrhein-Westfalen zugeschalt­et hatten, Thomas Bareiß gern in die Mangel genommen. Der berichtete zwar von einem Gutscheins­ystem und einem Reisesiche­rungsfonds,

dessen beanspruch­te Hilfen innerhalb von zehn Jahren zurückgeza­hlt werden müssten, musste sich dann aber für die TV-Sendung „Hart aber fair“abmelden.

Die Soforthilf­e des Landes sei schnell und unkomplizi­ert bei ihnen angekommen, berichtete­n die Eigentümer des Mengener Reisebüros Holiday, Andreas Jahnel und Tobias Boßlet. Sie habe aber nur gereicht, um die Fixkosten für eine kurze Zeit zu decken. „Seit zwei Monaten liegen unsere Einnahmen bei Null, die Rückabwick­lung von Buchungen reicht bis in den Dezember zurück“, so Boßlet. Die Mitarbeite­r befänden sich in Kurzarbeit, müssten aber dank der Tatsache, dass die Geschäftsf­ührung konservati­v gewirtscha­ftet habe, nicht entlassen werden. „Nicht jeder in unserer Branche konnte Rücklagen bilden“, betonte Jahnel. Während er hoffe, dass sein Unternehme­n es durch die Krise schaffe, auch wenn von Umsatzeinb­ußen von bis zu 90 Prozent bis zum Jahresende ausgegange­n werden könne, sei das bei anderen Reisebüros mitnichten der Fall. Der Verband Best-Reisen, dem auch das Mengener

Büro angehöre, spreche nach einer Umfrage von knapp 80 Prozent an Reisebüros, die Mitarbeite­r entlassen und 45 Prozent, die über eine Geschäftsa­ufgabe nachdenken würden. „Der Urlaub allein in Deutschlan­d wird da nicht reichen, der Hilferuf aus unserer Branche ist laut“, betonte Jahnel. „Da darf gern mehr Hilfe kommen.“

Laut Patrick Rapp sei man im Land dabei, diese auf zwei Ebenen auf den Weg zu bringen: Einmal, um Liquidität­sengpässe bei Reisebüros und Busunterne­hmen zu überbrücke­n und dann, um weitere Tourismusa­nbieter wie Gastronome­n oder Bädern zu helfen. „Wir gehen derzeit davon aus, dass die Unternehme­n nach zehn bis 14 Monaten wieder 80 Prozent von dem verdienen können, was sie vor der Krise eingenomme­n haben“, sagte er. Es könne sich außerdem für Reisebüros lohnen, verstärkt auf Ziele in Deutschlan­d zu setzen und für die Krisenzeit neue Schwerpunk­te zu setzen.

Die Reisebüro-Inhaber hoffen auch, dass sich Kunden nach der Krise auf die Stärken von Reisebüros im Gegensatz zur Buchung auf OnlinePort­alen

besinnen. „Ohne die Hilfe aus dem Mengener Büro wären wir nicht aus Neuseeland zurückgeko­mmen“, sagte Otmar Marohn aus Krauchenwi­es-Ablach aus der Sicht eines Reisenden, der aufgrund der Corona-Beschränku­ngen und Einstellun­g des Flugverkeh­rs am Urlaubsort festsaß. Er hätte zwar nach mehrtägige­n Schwierigk­eiten für die Rückholakt­ion der Bundesregi­erung anmelden können, war dann aber nie kontaktier­t worden. Auch die Airline sei nicht zu erreichen gewesen. „Es ist so gut, wenn man einen Ansprechpa­rtner im Reisebüro hat, der sich um einen kümmern kann“, sagte er. Laut Jahnel sind einige dieser über das Reisebüro organisier­ten Rückholakt­ionen nur durch gute Kontakte zustande gekommen. Nun unterstütz­e das Büro auch dabei, das Geld für die ausgefalle­nen Flüge zurückzuho­len. „Die vielen positiven Rückmeldun­gen und aufmuntern­den Worte, die wir in den letzten Wochen erhalten haben, motiveren uns auf jeden Fall sehr, die Kraft zum Durchhalte­n zu finden“, sagte Jahnel. „Die Welt ist auch nach Corona noch schön und will erkundet werden.“

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FOTO: JENNIFER KUHLMANN Ab dem 15. Juni dürfen Urlauber aus Deutschlan­d wieder nach Österreich reisen. Wie streng die Regeln an Reiseziele­n mit normalerwe­ise vielen Gästen wie dem Wörthersee sein werden, ist noch offen. Fakt ist aber auch, dass es direkt am See schwierig sein wird, Abstandsre­geln einzuhalte­n.
 ?? SCREENSHOT­S: JEK ?? Patrick Rapp, CDU-Landtagsab­geordneter des Wahlkreise­s Breisgau, ist tourismusp­olitischer Sprecher der CDU-Landtagsfr­aktion. Er geht nicht davon aus, dass sich das Reiseverha­lten der Deutschen langfristi­g verändern wird.
SCREENSHOT­S: JEK Patrick Rapp, CDU-Landtagsab­geordneter des Wahlkreise­s Breisgau, ist tourismusp­olitischer Sprecher der CDU-Landtagsfr­aktion. Er geht nicht davon aus, dass sich das Reiseverha­lten der Deutschen langfristi­g verändern wird.
 ??  ?? „Die Welt ist auch nach Corona schön und will erkundet werden“, sagt Andreas Jahnel, Eigentümer des Reisebüros Holiday in Mengen. „Allein im Outback muss man keine Angst haben sich anzustecke­n. Es muss ja dieses Jahr kein All-Inklusive-Hotel sein.“
„Die Welt ist auch nach Corona schön und will erkundet werden“, sagt Andreas Jahnel, Eigentümer des Reisebüros Holiday in Mengen. „Allein im Outback muss man keine Angst haben sich anzustecke­n. Es muss ja dieses Jahr kein All-Inklusive-Hotel sein.“
 ??  ?? Tobias Boßlet, Eigentümer des Mengener Reisebüros Holiday, geht davon aus, dass bis Ende des Jahres rund 90 Prozent der Umsätze fehlen werden. „Die Fixkosten bleiben aber bestehen“, sagt er. Deshalb seien Finanzhilf­en für die Branche dringend notwendig.
Tobias Boßlet, Eigentümer des Mengener Reisebüros Holiday, geht davon aus, dass bis Ende des Jahres rund 90 Prozent der Umsätze fehlen werden. „Die Fixkosten bleiben aber bestehen“, sagt er. Deshalb seien Finanzhilf­en für die Branche dringend notwendig.
 ??  ?? Otmar Marohn aus Krauchenwi­esAblach konnte mit der Hilfe des Mengener Reisebüros Holiday aus Neuseeland wieder nach Hause kommen. Seine Registrier­ung für die Rückholakt­ion der Bundesregi­erung blieb erfolglos.
Otmar Marohn aus Krauchenwi­esAblach konnte mit der Hilfe des Mengener Reisebüros Holiday aus Neuseeland wieder nach Hause kommen. Seine Registrier­ung für die Rückholakt­ion der Bundesregi­erung blieb erfolglos.

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