Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Keine Änderung des Reiseverhaltens erwartet
Bürgermeister Stefan Bubeck diskutiert mit Gästen über die Situation der Reisebüros und den Sommerurlaub
MENGEN - Die Menschen sollen ihren Sommerurlaub bekommen. Doch unter welchen Bedingungen er stattfinden und ob er über Deutschland und die direkten Nachbarländer hinausgehen wird, ist derzeit noch vollkommen offen. Die Teilnehmer der Runde, die am Montagabend bei der Live-Übertragung von „Mengen diskutiert“mit Bürgermeister Stefan Bubeck über die Situation der Reisebranche sprachen, waren sich aber auch einig, dass sich das Reiseverhalten der Menschen langfristig nicht ändern werde.
Wann dürfen Deutsche wieder zu ihren Ferienwohnungen in Südtirol fahren? Wird es dabei bleiben, dass Einreisende in Spanien erst einmal zwei Wochen in Quarantäne müssen? Ab wann fliegen Flugzeuge wieder und können in ihnen Abstandsregeln eingehalten werden? Fragen, auf die der Bundestagsabgeordnete Thomas Bareiß in seiner Funktion aus Tourismusbeauftragter der Bundesregierung am Montag keine für die Zuschauer zufriedenstellende Antwort gegen konnte. Er gehe davon aus, dass die spanische Regierung, die um die Wichtigkeit des Tourismus beispielsweise für Mallorca wisse, schon ihre Gründe habe, an der Quarantäne festzuhalten. Sicherheitsvorkehrungen in Flugzeugen wolle er lieber Experten überlassen ebenso die Diskussion über die Möglichkeit eines Gesundheitspasses oder eines Negativtest-Nachweises für Reisende. „Gesundheitsschutz und Sicherheit gehen vor, aber wir tun viel dafür, dass Urlaubsreisen innerhalb von Europa machbar werden“, sagte er. Sowohl er selbst als auch Außenminister Heiko Maas würden in Videokonferenzen in ständigem Austausch mit anderen europäischen Ländern stehen.
„Klar ist, dass es einen normalen Sommerurlaub nicht geben wird, auch innerhalb Deutschlands nicht“, sagte Patrick Rapp, der für den Wahlkreis Breisgau und die CDU im Landtag sitzt und aus Mengen stammt. „Wir gehen derzeit davon aus, dass zumindest Urlaub in den direkten Nachbarländern funktioniert, vielleicht auch in ruhigeren Lagen in anderen europäischen Ländern.“Die Lage könne sich durch erhöhte Infektionszahlen aber schnell ändern, so dass das in zwei oder drei Wochen schon nicht mehr empfohlen werden könne. An dieser Unsicherheit ließe sich momentan wenig ändern. „Baden-Württemberg hat auch tolle Regionen für Touristen“, sagte er. „Da fehlen aber auch die Gäste aus dem angrenzenden Europa.“
Was mögliche Hilfen und Rettungsschirme für Reisebüros und Reiseveranstalter anging, hätten vor allem die Zuschauer aus dem Chatbereich, die sich unter anderem auch aus Sachsen und Nordrhein-Westfalen zugeschaltet hatten, Thomas Bareiß gern in die Mangel genommen. Der berichtete zwar von einem Gutscheinsystem und einem Reisesicherungsfonds,
dessen beanspruchte Hilfen innerhalb von zehn Jahren zurückgezahlt werden müssten, musste sich dann aber für die TV-Sendung „Hart aber fair“abmelden.
Die Soforthilfe des Landes sei schnell und unkompliziert bei ihnen angekommen, berichteten die Eigentümer des Mengener Reisebüros Holiday, Andreas Jahnel und Tobias Boßlet. Sie habe aber nur gereicht, um die Fixkosten für eine kurze Zeit zu decken. „Seit zwei Monaten liegen unsere Einnahmen bei Null, die Rückabwicklung von Buchungen reicht bis in den Dezember zurück“, so Boßlet. Die Mitarbeiter befänden sich in Kurzarbeit, müssten aber dank der Tatsache, dass die Geschäftsführung konservativ gewirtschaftet habe, nicht entlassen werden. „Nicht jeder in unserer Branche konnte Rücklagen bilden“, betonte Jahnel. Während er hoffe, dass sein Unternehmen es durch die Krise schaffe, auch wenn von Umsatzeinbußen von bis zu 90 Prozent bis zum Jahresende ausgegangen werden könne, sei das bei anderen Reisebüros mitnichten der Fall. Der Verband Best-Reisen, dem auch das Mengener
Büro angehöre, spreche nach einer Umfrage von knapp 80 Prozent an Reisebüros, die Mitarbeiter entlassen und 45 Prozent, die über eine Geschäftsaufgabe nachdenken würden. „Der Urlaub allein in Deutschland wird da nicht reichen, der Hilferuf aus unserer Branche ist laut“, betonte Jahnel. „Da darf gern mehr Hilfe kommen.“
Laut Patrick Rapp sei man im Land dabei, diese auf zwei Ebenen auf den Weg zu bringen: Einmal, um Liquiditätsengpässe bei Reisebüros und Busunternehmen zu überbrücken und dann, um weitere Tourismusanbieter wie Gastronomen oder Bädern zu helfen. „Wir gehen derzeit davon aus, dass die Unternehmen nach zehn bis 14 Monaten wieder 80 Prozent von dem verdienen können, was sie vor der Krise eingenommen haben“, sagte er. Es könne sich außerdem für Reisebüros lohnen, verstärkt auf Ziele in Deutschland zu setzen und für die Krisenzeit neue Schwerpunkte zu setzen.
Die Reisebüro-Inhaber hoffen auch, dass sich Kunden nach der Krise auf die Stärken von Reisebüros im Gegensatz zur Buchung auf OnlinePortalen
besinnen. „Ohne die Hilfe aus dem Mengener Büro wären wir nicht aus Neuseeland zurückgekommen“, sagte Otmar Marohn aus Krauchenwies-Ablach aus der Sicht eines Reisenden, der aufgrund der Corona-Beschränkungen und Einstellung des Flugverkehrs am Urlaubsort festsaß. Er hätte zwar nach mehrtägigen Schwierigkeiten für die Rückholaktion der Bundesregierung anmelden können, war dann aber nie kontaktiert worden. Auch die Airline sei nicht zu erreichen gewesen. „Es ist so gut, wenn man einen Ansprechpartner im Reisebüro hat, der sich um einen kümmern kann“, sagte er. Laut Jahnel sind einige dieser über das Reisebüro organisierten Rückholaktionen nur durch gute Kontakte zustande gekommen. Nun unterstütze das Büro auch dabei, das Geld für die ausgefallenen Flüge zurückzuholen. „Die vielen positiven Rückmeldungen und aufmunternden Worte, die wir in den letzten Wochen erhalten haben, motiveren uns auf jeden Fall sehr, die Kraft zum Durchhalten zu finden“, sagte Jahnel. „Die Welt ist auch nach Corona noch schön und will erkundet werden.“