Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Im Autokino wird der Film fast zur Nebensache
Premiere gelungen: Zur ersten Vorstellung auf dem Festplatz in Bad Saulgau kommen rund 80 Autos
BAD SAULGAU - Kontaktloses Einchecken, Begrüßung über das Radio und Applaus über Lichthupe und Warnblinkanlage: Die erste Vorstellung im Autokino auf dem Festplatz in Bad Saulgau ist am Mittwochabend – abgesehen von einer kleinen Tonpanne zu Beginn – erfolgreich über die Bühne gegangen. Menschen in rund 80 Autos verfolgen auf der Leinwand den Film „Die KänguruChroniken“. Jürgen Burth, dessen Kino in der Innenstadt seit zwei Monaten geschlossen ist, und sein Team hoffen nun, dass bis zum 30. Mai noch viele Zuschauer vorfahren.
Das Konzept und die Bitte, rund eine Stunde vor Filmbeginn um 21.15 Uhr da zu sein, gehen auf. Als die Redakteurin mit einem akademischen Viertelstündchen Verspätung ankommt, haben mehr als die Hälfe der Gäste schon ihre Positionen auf dem Platz eingenommen. Das Scannen der online gebuchten Tickets vom Smartphone durch die Fensterscheibe und das kontaktlose Abholen der bestellten Softdrink funktionieren problemlos. 15 ehrenamtliche Helfer übernehmen an diesem Abend die Rolle der Ordner und Einweiser und sind Ansprechpartner bei organisatorischen Fragen.
Nicht jeder Fahrer versteht auf Anhieb die versetzte Stellweise, sodass sich die Helfer und Autoinsassen manchmal ein Grinsen nicht verkneifen können. Gucken, wie sich die anderen beim Einparken anstellen, gehört beim Autokino auch dazu. Da aber ja genug Abstand eingeplant ist, sind kleine Korrekturen natürlich kein Problem. Große SUVs werden im hinteren Geländebereich geparkt, ansonsten gilt die Reihenfolge der Einfahrt. „Die Markierungen auf dem Boden haben wir alle genau ausgemessen und abgezählt“, sagt Daniel Geiger. Der Mediaberater der „Schwäbischen Zeitung“hilft beim Einweisen, seine Familie sitzt im Auto
und wartet mit Popcorn auf den Filmbeginn. Über die Radiofrequenz, die später den Ton zum Kinofilm senden wird, gibt es erst einmal Musik. Popcorn im Auto? Das hätte es beim Vater der Redakteurin in den 1980er-Jahren auf keinen Fall gegeben. Weingummi schon eher, das krümelt nicht und hinterlässt keine Flecken auf den Sitzen. Während die einen die Wartezeit noch für einen Gang auf die Toilette (natürlich mit Maske) nutzen, polieren andere noch für einen guten Durchblick an ihrer Frontscheibe herum.
Dass es nach der offiziellen Begrüßung zum ersten Autokino in der Geschichte Bad Saulgaus übers Radio eine kleine Panne gibt, wird wohl niemand der Zuschauer den Organisatoren
groß übel nehmen. Die Werbung läuft, allerdings ohne Ton. „Vor lauter Euphorie, dass es endlich losgeht, haben wir ganz vergessen, den Filmton anzuschließen“, kommt prompt die Erklärung durchs Radio. Es dauert etwas, aber dann kann der Film beginnen und die Stimme des Kängurus quäkt durch die Autolautsprecher. Gehört vielleicht zu einem Premierenabend dazu, dass nicht alles komplett rund läuft. „Das passiert kein zweites Mal“, versichert Daniel Geiger augenzwinkernd.
Der Vorteil eines Autokinos ist gleichzeitig irgendwie auch sein kleiner Nachteil: Zuschauer können innerhalb ihres Autos Kommentare abgeben, ohne von anderen Zuschauern ermahnt oder angezischt zu werden. Gleichzeitig bekommt man allerdings auch nicht mit, ob fremde Menschen eine Szene oder einen Gag gerade genauso witzig finden. Nur am Ende des Films werden Reaktionen gezeigt: Mit Lichthupe und Warnblinkanlage signalisieren die Autofahrer Applaus und ein Dankeschön an Kinobetreiber Jürgen Burth, der in der gerade schwierigen Zeit für etwas Abwechslung sorgt.
Überhaupt darf ihm und seinem Team Lob für sehr viel Voraussicht und Aufmerksamkeit ausgesprochen werden. Cabriobesitzer werden nach ihrer Sicht auf die Leinwand gefragt, eine störende Leuchte vom Netz genommen und als am Ende drei Autobesitzer bemerken, dass ihre Batterien schlapp gemacht hat, kommt das
Serviceteam mit dem Überbrückungskabel zur Starthilfe vorbei. Die Abfahrt verläuft ebenfalls schnell und ohne große Wartezeit.
„Wie war der Sound?“, wird die Redakteurin am Ende gefragt. Aber der hängt ja vom fahrbaren Untersatz jedes Einzelnen ab. Wer Angst hat, die 90 Quadratmeter große Leinwand, die auch schon im Open-AirKino zum Einsatz kam, könnte in den hinteren Reihen zu klein wirken, muss pünktlich zur Stelle sein.