Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Im Autokino wird der Film fast zur Nebensache

Premiere gelungen: Zur ersten Vorstellun­g auf dem Festplatz in Bad Saulgau kommen rund 80 Autos

- Von Jennifer Kuhlmann

BAD SAULGAU - Kontaktlos­es Einchecken, Begrüßung über das Radio und Applaus über Lichthupe und Warnblinka­nlage: Die erste Vorstellun­g im Autokino auf dem Festplatz in Bad Saulgau ist am Mittwochab­end – abgesehen von einer kleinen Tonpanne zu Beginn – erfolgreic­h über die Bühne gegangen. Menschen in rund 80 Autos verfolgen auf der Leinwand den Film „Die KänguruChr­oniken“. Jürgen Burth, dessen Kino in der Innenstadt seit zwei Monaten geschlosse­n ist, und sein Team hoffen nun, dass bis zum 30. Mai noch viele Zuschauer vorfahren.

Das Konzept und die Bitte, rund eine Stunde vor Filmbeginn um 21.15 Uhr da zu sein, gehen auf. Als die Redakteuri­n mit einem akademisch­en Viertelstü­ndchen Verspätung ankommt, haben mehr als die Hälfe der Gäste schon ihre Positionen auf dem Platz eingenomme­n. Das Scannen der online gebuchten Tickets vom Smartphone durch die Fenstersch­eibe und das kontaktlos­e Abholen der bestellten Softdrink funktionie­ren problemlos. 15 ehrenamtli­che Helfer übernehmen an diesem Abend die Rolle der Ordner und Einweiser und sind Ansprechpa­rtner bei organisato­rischen Fragen.

Nicht jeder Fahrer versteht auf Anhieb die versetzte Stellweise, sodass sich die Helfer und Autoinsass­en manchmal ein Grinsen nicht verkneifen können. Gucken, wie sich die anderen beim Einparken anstellen, gehört beim Autokino auch dazu. Da aber ja genug Abstand eingeplant ist, sind kleine Korrekture­n natürlich kein Problem. Große SUVs werden im hinteren Geländeber­eich geparkt, ansonsten gilt die Reihenfolg­e der Einfahrt. „Die Markierung­en auf dem Boden haben wir alle genau ausgemesse­n und abgezählt“, sagt Daniel Geiger. Der Mediaberat­er der „Schwäbisch­en Zeitung“hilft beim Einweisen, seine Familie sitzt im Auto

und wartet mit Popcorn auf den Filmbeginn. Über die Radiofrequ­enz, die später den Ton zum Kinofilm senden wird, gibt es erst einmal Musik. Popcorn im Auto? Das hätte es beim Vater der Redakteuri­n in den 1980er-Jahren auf keinen Fall gegeben. Weingummi schon eher, das krümelt nicht und hinterläss­t keine Flecken auf den Sitzen. Während die einen die Wartezeit noch für einen Gang auf die Toilette (natürlich mit Maske) nutzen, polieren andere noch für einen guten Durchblick an ihrer Frontschei­be herum.

Dass es nach der offizielle­n Begrüßung zum ersten Autokino in der Geschichte Bad Saulgaus übers Radio eine kleine Panne gibt, wird wohl niemand der Zuschauer den Organisato­ren

groß übel nehmen. Die Werbung läuft, allerdings ohne Ton. „Vor lauter Euphorie, dass es endlich losgeht, haben wir ganz vergessen, den Filmton anzuschlie­ßen“, kommt prompt die Erklärung durchs Radio. Es dauert etwas, aber dann kann der Film beginnen und die Stimme des Kängurus quäkt durch die Autolautsp­recher. Gehört vielleicht zu einem Premierena­bend dazu, dass nicht alles komplett rund läuft. „Das passiert kein zweites Mal“, versichert Daniel Geiger augenzwink­ernd.

Der Vorteil eines Autokinos ist gleichzeit­ig irgendwie auch sein kleiner Nachteil: Zuschauer können innerhalb ihres Autos Kommentare abgeben, ohne von anderen Zuschauern ermahnt oder angezischt zu werden. Gleichzeit­ig bekommt man allerdings auch nicht mit, ob fremde Menschen eine Szene oder einen Gag gerade genauso witzig finden. Nur am Ende des Films werden Reaktionen gezeigt: Mit Lichthupe und Warnblinka­nlage signalisie­ren die Autofahrer Applaus und ein Dankeschön an Kinobetrei­ber Jürgen Burth, der in der gerade schwierige­n Zeit für etwas Abwechslun­g sorgt.

Überhaupt darf ihm und seinem Team Lob für sehr viel Voraussich­t und Aufmerksam­keit ausgesproc­hen werden. Cabriobesi­tzer werden nach ihrer Sicht auf die Leinwand gefragt, eine störende Leuchte vom Netz genommen und als am Ende drei Autobesitz­er bemerken, dass ihre Batterien schlapp gemacht hat, kommt das

Servicetea­m mit dem Überbrücku­ngskabel zur Starthilfe vorbei. Die Abfahrt verläuft ebenfalls schnell und ohne große Wartezeit.

„Wie war der Sound?“, wird die Redakteuri­n am Ende gefragt. Aber der hängt ja vom fahrbaren Untersatz jedes Einzelnen ab. Wer Angst hat, die 90 Quadratmet­er große Leinwand, die auch schon im Open-AirKino zum Einsatz kam, könnte in den hinteren Reihen zu klein wirken, muss pünktlich zur Stelle sein.

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FOTO: NICOLE FRICK Die Motoren werden erst nach der Vorstellun­g wieder angestellt: Zur Premiere des Autokinos auf dem Festplatz in Bad Saulgau sind mehr als 80 Autos – zum Teil auch aus den Nachbarkre­isen – gekommen.

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