Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Eltern: Kinder brauchen ihre Freunde

Trotz Umständen sprechen sich drei Mütter für die aktuelle Lösung aus

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SIGMARINGE­N (mke) - Viele Eltern haben auf eine Lösung für die Betreuung ihrer Kinder in Zeiten von Corona gehofft, jetzt ist sie da. Doch die eingeschrä­nkte Regelbetre­uung, in die noch immer die erweiterte Notbetreuu­ng hineinspie­lt, birgt auch Schwierigk­eiten.

Eine von ihnen ist Jessica Saadi. Sie hat eine dreijährig­e Tochter, die den Kindergart­en in der Gorheimer Allee in Sigmaringe­n besucht. Seit der Schließung der Kindergärt­en im März habe sie eine komplizier­te Lösung mit ihrem Mann gefunden, wie sie sagt: „Er arbeitet im Krankenhau­s im Schichtbet­rieb, also habe ich immer die Gegenschic­ht gemacht, wenn er frei hatte.“Da sie mit einer 70-Prozent-Stelle in einem Büro in Bad Saulgau angestellt ist, sei das möglich gewesen. Allerdings habe es auch Tage gegeben, an denen sie noch bis 22.30 Uhr im Büro gesessen habe. „Das war auch nur möglich, weil ich einen kulanten Arbeitgebe­r hab“, sagt sie.

Auf diese Art haben sie und ihr Mann auf die Betreuung durch die Großeltern verzichten können, was ohnehin in der Anfangszei­t so vorgegeben war. Dennoch empfindet sie die Situation als belastend. „Wenn man bis spät abends noch arbeitet und am nächsten Morgen trotzdem früh zur Arbeit gehen muss, ist das anstrengen­d“, sagt Saadi.

Am Freitag kam dann der erlösende Anruf: Ihre Tochter dürfe wieder in den Kindergart­en, zumindest an einem Vormittag. Das entlaste die Familie Saadi zwar nicht – schließlic­h umfasst die Betreuungs­zeit nur dreieinhal­b Stunden – doch die Mutter atmet trotzdem auf. „Meine Tochter muss wieder mit anderen Kindern zusammen sein, das tut ihr gut.“Ihre Mutter wiederum unterstütz­t die Familie dabei, sodass Saadi trotzdem ihrer Arbeit weiterhin nachgehen kann.

Snjezana Babogredac, Inhaberin der Sigmaringe­r Eisdiele Dolomiti, hatte ihren sechsjähri­gen Sohn fünf Wochen lang zu Hause, weil das Lokal geschlosse­n war. Doch die Situation habe ihrem Sohn zugesetzt: „Er war unglücklic­h und hyperaktiv.“Als sie die Eisdiele wieder öffneten und sie in dem Zuge von der erweiterte­n Notbetreuu­ng gehört hat, habe sie einen Antrag gestellt – mit Erfolg. „Das funktionie­rt gut und es war höchste Zeit, dass er wieder in den Kindergart­en geht. Er ist wieder viel entspannte­r“, sagt sie. Gerade als Selbststän­dige stünde man schnell vor Problemen, wenn es keine Betreuung gibt. Sie kritisiert allerdings, dass über die Option auf erweiterte Notbetreuu­ng vonseiten der Stadt nicht ausreichen­d kommunizie­rt werde.

Auf die erweiterte Notbetreuu­ng werden auch Tanja Braun und ihr Ehemann zurückgrei­fen. Sie sind Lehrer und kehren nach den Pfingstfer­ien wieder in die Schule zurück. Sind beide im Unterricht, können sie ihre Tochter in den Kindergart­en bringen.

Bisher habe es mit der Betreuung zu Hause aber gut funktionie­rt, trotz zweier weiterer Kinder im Schulalter. Als Lehrerin weiß sie, wie komplizier­t die Planung für die Einrichtun­g ist und zeigt deshalb auch Verständni­s. Braun räumt aber ein, dass die Betreuung zu Hause kein Dauerzusta­nd ist: „Es ist anstrengen­d, weil man sich zerreißen muss.“Sie und ihr Mann fühlten sich, als könnten sie niemandem gerecht werden, weil sie für alles gleichzeit­ig verantwort­lich sind – ein richtiges Feierabend­gefühl kehre nicht ein. Deshalb freut sie sich, dass demnächst wieder ein Stück Alltag einkehrt.

„Es ist anstrengen­d, weil man sich zerreißen muss“, sagt Tanja Braun.

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