Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Jungnauerin ärgert sich über „gnadenloses Abrasieren“
Stadt beginnt frühzeitig mit dem Niedermähen üppig blühender Wegränder
SIGMARINGEN - Pünktlich zum Weltbienentag am 20. Mai hat die Stadt mit ihrem ersten Schnitt entlang des sogenannten Straßenbegleitgrüns angefangen und damit einiges an Lebensraum nicht nur für die Bienen zerstört. Denn auch vor üppig blühenden Wegrändern machten die Mähmaschinen keinen Halt.
Das hat auch Unmut und Unverständnis bei Carola Scholz aus Jungnau hervorgerufen. Entlang des Radwegs nach Sigmaringen hat die passionierte Radlerin bis vor Kurzem „eine zauberhafte Strecke“befahren und dabei eine Vielzahl von Vogelarten, Schmetterlingen und Wildbienen beobachten können. Außerdem bot dieses Blühspektakel für viele Radfahrer und Wanderer einen schönen Anblick. „Heute habe ich zu meinem großen Kummer erleben müssen, wie an einem einzigen Tag sämtliche Blumen am Wegrand überaus gründlich abrasiert wurden“, schreibt Carola Scholz in einer Mail und fragt: „Könnte man damit nicht bis nach der Blüte warten? Wo sollen die Insekten Nahrung finden, wenn man ihnen nicht mal die Wegränder lässt?“Der Aurorafalter habe an der üppig blühenden Knoblauchranke seine Eier abgelegt, Wildbienen labten sich am Lungenkraut. „Lassen Sie doch bitte nächstes Jahr die Blumen am Wegrand verblühen und lassen Sie dann erst mähen“, richtet Scholz einen Appell an die Stadt, in deren Verantwortungsbereich die Mäharbeiten fallen.
Ihre Mail unter dem Betreff „Biodiversität in Sigmaringen“hat die Jungnauerin nicht nur an die „Schwäbische Zeitung“, sondern unter anderem auch an die Stadt und den Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), Ortsgruppe Sigmaringen, geschickt. Dessen Vorsitzender Gerhard Stumpp schließt sich der Verfasserin an. „Die Mahd ist für Mitte Mai deutlich zu früh angesetzt“, sagt Stumpp auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“. Aus seiner Sicht ist das Thema leider nicht neu, er wisse um den „Zielkonflikt zwischen Verkehrssicherungspflicht
und Artenvielfalt“. Aber an Rad- und Feldwegen sollte aus seiner Sicht erst viel später abgemäht werden. Ein weiteres Problem sieht er im Mulchen. „Das Schnittgut wird liegengelassen, es bringt aber für die Artenvielfalt mehr, wenn es abgefahren wird“, sagt der Fachmann. Natürlich weiß er, dass das einen zusätzlichen Aufwand bedeutet. „Aber wenn die Stadt lobenswert in Sachen Biodiversität unterwegs ist, sollte sie nicht an anderer Stelle kontraproduktiv arbeiten.“
Auf Nachfrage bei der Stadt verweist Pressesprecherin Anja Heinz auf die Zeitschiene der Mäharbeiten. „Irgendwann müssen wir anfangen, sonst schaffen wir es nicht.“
In einer Pressemitteilung bestätigt die Stadt den Beginn des ersten Schnittes des sogenannten Straßenbegleitgrüns. Zweimal im Jahr werden diese intensiv bewirtschafteten Flächen, zu denen beispielsweise
Sichtflächen, Gräben oder Straßenund Wegebankette gehören, gemäht. Die extensiv bewirtschafteten Flächen werden nur einmal im Jahr geschnitten, „sodass hier der Lebensraum für Vögel und Insekten erhalten bleibt und den Pflanzen das Aussamen ermöglicht wird“, heißt es in der Pressemitteilung. „Diese Flächen umfassen rund 1000 Quadratmeter.“Weiter verweist die Stadt auf das Projekt „naturnahdran“in Kooperation mit dem NABU. „Hier wurden Flächen von rund 2500 Quadratmetern in Blühwiesen und Wildstaudenflächen umgewandelt, die sich zu wertvollen Lebensräumen für Tiere und Pflanzen entwickeln sollen.“
Diese Bemühungen weiß Carola Scholz zu schätzen, aber sie weiß auch, dass eine „intakte und vielfältige Natur nicht durch Blühstreifen oder bunt eingesäte Verkehrsinseln ersetzt werden kann“.