Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Klimawandel erreicht den Wald
Trockenheit, Borkenkäfer und Stürme bereiten zunehmend Probleme – Förster erwarten finanziellen Einbruch
VILSINGEN - Auf den ersten Blick bietet der Wald bei Vilsingen ein idyllisches Bild. Vogelgezwitscher, viele Fichten, einige Laubbäume, die in neuem Grün erstrahlen und darüber hinaus Ruhe. Doch das friedliche Bild täuscht. Wer einige Schritte in den Wald hinein wagt, sieht große Lücken, gefüllt von quer liegenden Baumstämmen – Sturmholz. Johannes Lang, Förster und Revierleiter des Kommunalwaldes in Inzigkofen, deutet auf die Fläche und erklärt, dass dieses Sturmholz Borkenkäfer anlockt. Doch das sind nicht die einzigen Probleme: Auch die Trockenheit spielt in diesem Jahr hinein. Die Folgen machen Lang Sorgen, denn letztlich droht den Kommunen dadurch ein finanzieller Einbruch.
Doch was genau ist das Problem? Aufgetan habe es sich erst in den vergangenen drei Jahren, erklärt Stefan Kopp, Fachbereichsleiter Forst im Landratsamt. In dieser Zeit sei der Borkenkäfer immer mehr in den Wäldern aufgetaucht und habe das Holz angegriffen. Positiv beeinflusst werde die Population der Borkenkäfer in diesem Jahr zusätzlich durch die lang anhaltende Hitze und den fehlenden Niederschlag, ergänzt Lang. Die Klimadaten, die in Krauchenwies gemessen werden, zeigen, dass die Temperatur von Januar bis Mai dieses Jahr zwei Grad wärmer war als im üblichen Jahresmittel. Das hat Folgen für den Wald, wie Lang ergänzt: „Die Bäume sind geschwächt und harzen weniger, können also die Käfer schlechter abwehren.“
Genau das ziehe die Insekten an, denn sie seien auf der Suche nach frischen, aber geschwächten Bäumen, um deren Pflanzensaft anzuzapfen. Das heißt: Findet ein Borkenkäfer einen Baum, der sich nicht zu wehren weiß, zieht das Tier durch Pheromone weitere Käfer an, die sich im Stamm vermehren; die Population wächst. Hinzu kamen in diesem Jahr die Stürme „Sabine“und „Bianca“, sodass die Hälfte des geernteten Holzes bislang Sturmholz war. „Das ist ein extrem hoher Wert“, betont Kopp. In Zahlen sind das 100 000 Kubikmeter Holz – normal wären 10 000 Kubikmeter. Auch das Sturmholz ist laut Lang gefundenes Fressen für die Borkenkäfer, wenn es frisch ist.
Zwar sei die Situation im Kreis Sigmaringen aktuell noch im Griff, allerdings liege das auch an der schnellen Reaktion der Förster. Deren Taktik besteht darin, Sturm- und Käferholz möglichst schnell aus dem Wald zu bringen, um den Borkenkäfern keine Gelegenheit zu bieten, sich in den Baumstämmen einzunisten. So könne das Holz verkauft werden. „Wir haben das Glück, dass wir für sämtliches Holz im Landkreis noch Käufer finden“, sagt Kopp.
Allerdings gebe es momemtan ein Überangebot an Holz auf dem Markt, weil es überall viel Sturm- und Käferholz gebe. Das drücke den Preis nach unten – mit Folgen. „Wir haben in diesem Jahr erstmals eine schwarze Null. Allerdings drohen uns, wenn es so weiter geht, rote Zahlen“, mahnt Kopp an. Konkret hieße das, den Kommunen im Kreis, die jahrelang durch das Holz einen Überschuss von mehreren Millionen Euro verdient haben, bricht künftig vorerst eine Einnahmequelle weg.
Das hänge auch mit den Fichtenbeständen zusammen, sagt Kopp, denn viele der Wälder der Region bestehen hauptsächlich aus dieser Baumart. Sie sei früher häufig gepflanzt worden, weil sich mit ihr Geld hat verdienen lassen. „Der Baum wächst schnell und hat viel Ertrag“, sagt Lang. Allerdings sei die Fichte auch auf Boden gepflanzt worden, der nicht für sie geeignet war, sodass sie bei Sturm leichter umfiele. Deshalb sollen Lücken im Wald nun vermehrt mit Laubbäumen gefüllt werden, für die die Bedingungen besser passen. Auch den Fichten, die noch angepflanzt werden, komme eine andere Pflege zu. Somit empfehlen die Förster den Privatwaldbesitzern, ebenfalls umzudenken.
Sie unterstützt das Landratsamt mit einer Beratung. Außerdem wurde das Forstteam aufgestockt, um auch im Privatwald Sturmholz zu kartieren, damit die Aufarbeitung leichter fällt. Zwei Förster, drei Studenten und zwei Pensionäre wurden adafür befristet eingestellt. Im Anschluss
an die Kartierung informieren sie die Waldbesitzer, die daraufhin eine Frist erhalten, um das Holz zu beseitigen. Halten sie sich nicht dran, übernimmt die Aufgabe laut Kopp das Landratsamt – die Rechnung dafür bekommen die Waldbesitzer zugestellt. Diese Aufgabe sollten die Privatwaldbesitzer ernst nehmen, betont Kopp, dass sie Unterstützung vom Land für diese Arbeiten erhalten: Es gibt fünf Euro für jeden Festmeter, die Fracht wird bezahlt und die Wiederbewaldung mit Fördermitteln unterstützt.
Maßnahmen, die den gesamten Wald schützen, schließlich kennt der Borkenkäfer die Parzellengrenzen nicht. Umso wichtiger sei es, dass alle an einem Strang ziehen, sagt Kopp. Nur so lasse sich das Problem verkleinern.