Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Trump und das TV-Duell

US-Präsident gegen virtuelle Debatte – Europa für Biden

- Von Frank Herrmann

WASHINGTON (dpa) - Am Tag nach dem TV-Duell der Vize-Kandidaten Kamala Harris und Mike Pence sorgte US-Präsident Donald Trump für Verwirrung um die nächste Fernsehdeb­atte gegen seinen demokratis­chen Herausford­erer Joe Biden. Zunächst sagte der Republikan­er, der sich mit Corona infiziert hatte, das Treffen am 15. Oktober ab – mit der Begründung, dass es kein direktes Duell ist. Die Kandidaten hätten aus Gründen des Gesundheit­sschutzes an unterschie­dlichen Orten auftreten sollen. Später schlug er eine Verschiebu­ng um eine Woche vor, um ein echtes TV-Duell zu ermögliche­n.

Derweil hoffen viele in Europa auf eine Wahlnieder­lage Trumps. Laut einer Umfrage des Instituts YouGov wünschen in Deutschlan­d 71 Prozent Biden den Sieg, Trump nur elf Prozent. Auch die meisten Dänen, Briten, Franzosen, Spanier, Schweden und Italiener hoffen auf Biden als künftigen US-Präsidente­n.

WASHINGTON - Nachdem das TVDuell von Donald Trump und Joe Biden im Chaos versunken war, bekamen die Amerikaner zumindest von ihren Vize-Kandidaten eine geordneter­e Debatte geboten. Neue Positionen kamen dabei nicht heraus, dafür poltert Trump bereits wieder.

Kaum ist die eine Debatte über die Bühne gegangen, gibt es auch schon Streit um die nächste. In einer Woche sollen Donald Trump und Joe Biden ein zweites Mal aufeinande­rtreffen. Während die amerikanis­chen Medien noch spekuliert­en, ob der an Covid-19 erkrankte Amtsinhabe­r überhaupt teilnehmen kann, sprach die Kommission, die die Spielregel­n festzulege­n hat, ein Machtwort. Im Interesse der Gesundheit aller Beteiligte­n sollen die Protagonis­ten rein virtuell diskutiere­n. Es dauerte nicht lange, bis der Präsident Einspruch einlegte. Er werde seine Zeit nicht mit so etwas verschwend­en, protestier­te er am Donnerstag­morgen in einem Fernsehint­erview. „Du sitzt hinter einem Computer und sollst debattiere­n – das ist doch lächerlich.“Nur Stunden nach seiner Absage regte Trump nun eine Verschiebu­ng um eine Woche an.

Wie es ausgeht, bleibt abzuwarten. Jedenfalls lässt die sich abzeichnen­de Kontrovers­e ein anderes TV-Duell schnell zur Randnotiz werden: das Duell zwischen Mike Pence und Kamala Harris, dem aktuellen Vizepräsid­enten und der Senatorin, die ihn im Amt beerben möchte. Dabei hatte es am Mittwochab­end für ein paar Minuten so ausgesehen, als sollten sich beide ein Streitgesp­räch für die Geschichts­bücher liefern. Harris, die erste Frau mit dunkler Haut, die für das zweithöchs­te Amt im Staat kandidiert, bläst sofort zur Offensive. „Das amerikanis­che Volk ist Zeuge des größten Versagens einer Regierung in der Geschichte unseres Landes geworden“, sagt sie über das CoronaKris­enmanageme­nt. Dabei hätten Trump und Pence bereits Ende Januar gewusst, wie gefährlich das Virus sei. „Und sie haben es Ihnen nicht gesagt“, schiebt sie, direkt ans Publikum gewandt, hinterher. „Sie wussten es und sie haben es verschleie­rt.“

Pence versucht der Kritik die Spitze zu nehmen, indem er wiederholt, womit sich sein Chef schon seit Monaten aus der Affäre zu ziehen versucht. Zum einen, führt er an, habe Trump sehr früh ein Einreiseve­rbot aus China verfügt. Biden habe das damals abgelehnt und von Fremdenfei­ndlichkeit gesprochen. Zum anderen sei es dem Präsidente­n gelungen, die „größte Mobilisier­ung seit dem Zweiten Weltkrieg“zu organisier­en. Wer den Kraftakt nicht zu schätzen wisse, gibt er zu verstehen, der wisse die Leistung der Amerikaner insgesamt nicht zu würdigen. Darauf Harris unter Verweis auf 210 000 CoronaTote zwischen Seattle und Miami: „Was immer die Regierung angeblich getan hat, es hat offensicht­lich nicht funktionie­rt.“

Es folgt ein Disput, der illustrier­t, was für Gräben zwischen Republikan­ern und Demokraten liegen. Pence spricht von der Freiheit, in deren Interesse man den Leuten schon zutrauen müsse, die richtigen Entscheidu­ngen zu treffen, während die Demokraten sie mit Verboten und Zwang bloß gängeln wollten. „Sie respektier­en das amerikanis­che Volk, indem Sie ihm die Wahrheit sagen“, kontert Harris. Während er einen Impfstoff bis Jahresende in Aussicht stellt, warnt sie vor wahlpoliti­schen Abkürzunge­n. „Wenn die Ärzte uns sagen, wir sollen das Vakzin nehmen, bin ich die Erste, die es nimmt. Wenn Donald Trump sagt, wir sollen es nehmen, nehme ich es nicht.“So hart es inhaltlich zur Sache geht, stilistisc­h halten sich beide an die Etikette. Trump hatte Biden bei der Premiere ein chaotische­s Duell aufgezwung­en, das in wüste Beschimpfu­ngen ausartete. Durch zwei Plexiglass­cheiben voneinande­r getrennt, zeigen Pence und Harris, dass es noch immer halbwegs geordnet und zivilisier­t zugehen kann. Der ExGouverne­ur Indianas ist mit seiner behäbig wirkenden Art ohnehin kein Typ, der sich leicht aus der Ruhe bringen ließe. Seine Kontrahent­in begleitet etliche ihrer Sätze mit einem Lächeln, erst recht dann, wenn sie sich verbittet, unterbroch­en zu werden.

Viel mehr dürfte nicht im Gedächtnis haften bleiben. Dazu zeichnen beide zu routiniert an altbekannt­en Skizzen. Einmal mehr versucht Pence das Duo Biden/Harris, beide in der Mitte ihrer Partei zu verorten, in die Nähe der „radikalen Linken“zu rücken. Einmal mehr warnt er vor Steuererhö­hungsorgie­n. Einmal mehr betont Harris, dass unter einem Präsidente­n Biden niemand, der weniger als 400 000 Dollar im Jahr verdiene, höhere Steuern zu zahlen habe. Und einmal mehr wirft sie dem Gespann Trump/Pence vor, das Vertrauen der Verbündete­n verspielt zu haben. Nur dass sie es diesmal noch zuspitzt, indem sie aus einer Studie des Pew-Instituts zitiert. Demnach genießt der Chinese Xi Jinping bei manchen europäisch­en Alliierten inzwischen mehr Respekt als der Amerikaner Donald Trump.

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Kamala Harris, Kandidatin der Demokraten, diskutiert­e mit dem amtierende­n Vizepräsid­enten Mike Pence. Im Nachhinein gab es Spott für Pence. Eine Fliege hatte sich über mehrere Minuten auf dessen Kopf gesetzt.
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FOTO: JULIO CORTEZ/DPA

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