Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Gabriele Loges stellt ihr neues Buch vor

Lesung wird begleitet von einer Ausstellun­g mit Bildern von Ilse Wolf.

- Von Sebastian Korinth

HETTINGEN - Autorin Gabriele Loges hat am Sonntag im Hettinger Schloss ihr neues Buch „Die Glastür und andere Begegnunge­n“vorgestell­t. Begleitet wurde die Lesung von einer Ausstellun­g der Inneringer Künstlerin Ilse Wolf, die einige ihrer Arbeiten aus den vergangene­n vier Jahrzehnte­n zeigt. Bilder und Buch eint ein nachdenkli­cher, wenn nicht trauriger Grundtenor – und doch schwingt bei den Werken der beiden Frauen auch immer Hoffnung mit.

Bevor Gabriele Loges einen Einblick in ihre Kurzprosa gab, widmete sie sich erst einmal dem Wirken von Ilse Wolf. Von ihr sei sie sofort begeistert gewesen, sagte die Autorin. „Ihre Schaffensk­raft und ihre Bilder haben mich sofort fasziniert: Farben und Motive haben eine unglaublic­he Energie.“In den Bildern, so ihr Eindruck, stecke die Sehnsucht nach etwas, das verloren gegangen sei. Immer sei auch Trauer zu spüren. „Ilse Wolfs Verlust als junge Frau macht die Tiefenschä­rfe ihrer Bilder aus“, sagte Loges.

In ihrem Buch hat sie Ilse Wolf die Texte „Die Glastür“und „Hinter Glas“gewidmet, erzählt von Wolfs Kindheit im Weingarten der Kriegsund Nachkriegs­zeit: „Ilse schafft unermüdlic­h. Sie ist tüchtig. Wie der Vater. Manchmal kann sie Zustimmung, vielleicht sogar ein kleines Lob in seinen Augen sehen.“Sind die Töchter aber anderer Meinung als er, packt ihn manchmal plötzlich die Wut: Widerspruc­h ist unerwünsch­t.

In die Schule geht Ilse nicht gern, das Zeichnen aber liegt ihr. Die Kunstakade­mie in Stuttgart bleibt ihr verwehrt. Stattdesse­n macht sie eine Lehre als Bürokauffr­au. Und trotzdem lässt die Kunst sie nicht los. Mit 16 lernt sie die zweite große Liebe ihres Lebens kennen: den gutaussehe­nden Heinz, Schwarm aller Mädchen. Die beiden heiraten, bekommen zwei Töchter. Dann das Drama: „Heinz kennt die Übung. Über den

Bock springen, dann auf die Schulter eines Kameraden und von dort wieder mit einem Überschlag auf den Boden. ,Plötzlich lag er dort’, sagt der Kamerad später.“Drei Tage lang kämpfen die Ärzte im Krankenhau­s um sein Leben – vergebens.

Ilse Wolfs Leben gleicht einem Scherbenha­ufen. Und doch kämpft sie sich aus dem Tief heraus. Wie ihr das gelingt, das beschreibt Gabriele Loges in ihrem ganz eigenen Stil: knapp, präzise und dennoch ausgesproc­hen einfühlsam.

Auch „Hans im Korb“ist schwere Kost. Am 27. Februar 1945 treffen Bomben der Alliierten einen Zug. 24 Menschen sind auf der Stelle tot, sieben weitere sterben später im Sigmaringe­r Krankenhau­s. Hans aber, „wahrschein­lich acht Tage alt“, wird in einem Korb unter der Sitzbank eines zerstörten Zugabteils gefunden. Eine der Frauen aus dem Dorf, Fanny,

„Ihre Schaffensk­raft und ihre Bilder haben mich sofort fasziniert.“Gabriele Loges über Ilse Wolf

nimmt ihn mit. Es stellt sich heraus, dass Hans noch zwei Brüder hat. Ihre Mutter ist tot, der Vater noch im Krieg. Lena, „die älteste Tochter der Adlerwirti­n“, gerade 20 Jahre alt, nimmt sich der drei Jungen an. Bis Hans, „das Wunder im Korb“, sechs ist. Dann geht Lena ihren eigenen Weg. Zu Ende ist die Geschichte damit aber noch nicht: Sie lässt Hans seiner verstorben­en Mutter noch einmal ganz nahe sein. In Gabriele Loges’ Buch gehören diese beiden Geschichte­n zu den längeren. Manche sind bereits nach einigen Sätzen erzählt – und wirken dennoch lange nach. Gesammelt hat Loges, die in der Region auch als Mitarbeite­rin der „Schwäbisch­en Zeitung“bekannt ist, ihre Geschichte­n in zahlreiche­n persönlich­en Begegnunge­n und Gesprächen. Habe etwas erst einmal ihr Interesse geweckt, lasse sie so schnell auch nicht mehr locker, sagte die Autorin bei der Buchvorste­llung. Ihr Einfühlung­svermögen schafft gleichzeit­ig Vertrauen. Und so haben viele Personen, um die es sich dreht, im Buch auch ihre richtigen Namen behalten.

Einer der bekanntest­en Namen, die darin auftauchen, ist der von Ernest Hemingway: Loges erklärt, was den bekannten Schriftste­ller mit Hettingen verbindet – und was das mit einem Kutschunfa­ll zwischen Feldhausen und Gammerting­en zu tun hat. Das Lesen lohnt sich also. Ein Blick in die Ilse-Wolf-Ausstellun­g im Schloss natürlich ebenfalls.

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FOTO: SEK
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FOTOS: SEBASTIAN KORINTH Gabriele Loges liest im Hettinger Schloss aus ihrem neuen Buch „Die Glastür und andere Begegnunge­n“. Im Hintergrun­d ist Ilse Wolfs Hinterglas­malerei „Oma komm jetzt“aus dem Jahr 1993 zu sehen.
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Hettingens Bürgermeis­terin Dagmar Kuster spricht von „zwei extrem talentiert­en und engagierte­n Bürgerinne­n“: Gabriele Loges (links) hat sich einen Namen als Autorin, Journalist­in und Dozentin gemacht, Ilse Wolf als Künstlerin.

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