Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Gabriele Loges stellt ihr neues Buch vor
Lesung wird begleitet von einer Ausstellung mit Bildern von Ilse Wolf.
HETTINGEN - Autorin Gabriele Loges hat am Sonntag im Hettinger Schloss ihr neues Buch „Die Glastür und andere Begegnungen“vorgestellt. Begleitet wurde die Lesung von einer Ausstellung der Inneringer Künstlerin Ilse Wolf, die einige ihrer Arbeiten aus den vergangenen vier Jahrzehnten zeigt. Bilder und Buch eint ein nachdenklicher, wenn nicht trauriger Grundtenor – und doch schwingt bei den Werken der beiden Frauen auch immer Hoffnung mit.
Bevor Gabriele Loges einen Einblick in ihre Kurzprosa gab, widmete sie sich erst einmal dem Wirken von Ilse Wolf. Von ihr sei sie sofort begeistert gewesen, sagte die Autorin. „Ihre Schaffenskraft und ihre Bilder haben mich sofort fasziniert: Farben und Motive haben eine unglaubliche Energie.“In den Bildern, so ihr Eindruck, stecke die Sehnsucht nach etwas, das verloren gegangen sei. Immer sei auch Trauer zu spüren. „Ilse Wolfs Verlust als junge Frau macht die Tiefenschärfe ihrer Bilder aus“, sagte Loges.
In ihrem Buch hat sie Ilse Wolf die Texte „Die Glastür“und „Hinter Glas“gewidmet, erzählt von Wolfs Kindheit im Weingarten der Kriegsund Nachkriegszeit: „Ilse schafft unermüdlich. Sie ist tüchtig. Wie der Vater. Manchmal kann sie Zustimmung, vielleicht sogar ein kleines Lob in seinen Augen sehen.“Sind die Töchter aber anderer Meinung als er, packt ihn manchmal plötzlich die Wut: Widerspruch ist unerwünscht.
In die Schule geht Ilse nicht gern, das Zeichnen aber liegt ihr. Die Kunstakademie in Stuttgart bleibt ihr verwehrt. Stattdessen macht sie eine Lehre als Bürokauffrau. Und trotzdem lässt die Kunst sie nicht los. Mit 16 lernt sie die zweite große Liebe ihres Lebens kennen: den gutaussehenden Heinz, Schwarm aller Mädchen. Die beiden heiraten, bekommen zwei Töchter. Dann das Drama: „Heinz kennt die Übung. Über den
Bock springen, dann auf die Schulter eines Kameraden und von dort wieder mit einem Überschlag auf den Boden. ,Plötzlich lag er dort’, sagt der Kamerad später.“Drei Tage lang kämpfen die Ärzte im Krankenhaus um sein Leben – vergebens.
Ilse Wolfs Leben gleicht einem Scherbenhaufen. Und doch kämpft sie sich aus dem Tief heraus. Wie ihr das gelingt, das beschreibt Gabriele Loges in ihrem ganz eigenen Stil: knapp, präzise und dennoch ausgesprochen einfühlsam.
Auch „Hans im Korb“ist schwere Kost. Am 27. Februar 1945 treffen Bomben der Alliierten einen Zug. 24 Menschen sind auf der Stelle tot, sieben weitere sterben später im Sigmaringer Krankenhaus. Hans aber, „wahrscheinlich acht Tage alt“, wird in einem Korb unter der Sitzbank eines zerstörten Zugabteils gefunden. Eine der Frauen aus dem Dorf, Fanny,
„Ihre Schaffenskraft und ihre Bilder haben mich sofort fasziniert.“Gabriele Loges über Ilse Wolf
nimmt ihn mit. Es stellt sich heraus, dass Hans noch zwei Brüder hat. Ihre Mutter ist tot, der Vater noch im Krieg. Lena, „die älteste Tochter der Adlerwirtin“, gerade 20 Jahre alt, nimmt sich der drei Jungen an. Bis Hans, „das Wunder im Korb“, sechs ist. Dann geht Lena ihren eigenen Weg. Zu Ende ist die Geschichte damit aber noch nicht: Sie lässt Hans seiner verstorbenen Mutter noch einmal ganz nahe sein. In Gabriele Loges’ Buch gehören diese beiden Geschichten zu den längeren. Manche sind bereits nach einigen Sätzen erzählt – und wirken dennoch lange nach. Gesammelt hat Loges, die in der Region auch als Mitarbeiterin der „Schwäbischen Zeitung“bekannt ist, ihre Geschichten in zahlreichen persönlichen Begegnungen und Gesprächen. Habe etwas erst einmal ihr Interesse geweckt, lasse sie so schnell auch nicht mehr locker, sagte die Autorin bei der Buchvorstellung. Ihr Einfühlungsvermögen schafft gleichzeitig Vertrauen. Und so haben viele Personen, um die es sich dreht, im Buch auch ihre richtigen Namen behalten.
Einer der bekanntesten Namen, die darin auftauchen, ist der von Ernest Hemingway: Loges erklärt, was den bekannten Schriftsteller mit Hettingen verbindet – und was das mit einem Kutschunfall zwischen Feldhausen und Gammertingen zu tun hat. Das Lesen lohnt sich also. Ein Blick in die Ilse-Wolf-Ausstellung im Schloss natürlich ebenfalls.