Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
„Unser Berufsstand wird in den Dreck gezogen“
Was Julia Jäger aus Leibertingen als Landwirtin und Influencerin von der Sendung „Bauer sucht Frau“hält
LEIBERTINGEN - Mehr als 30 000 Menschen folgen Julia Jäger auf Instagram. Damit ist die 22-Jährige aus Leibertingen im Kreis Sigmaringen vor allem unter jungen Leuten ein Sprachrohr für ihren Berufsstand: Landwirtin ist sie aus Überzeugung und Leidenschaft. Bis September war die 22-Jährige als Betriebshelferin zur Stelle, wenn Kollegen eine Krankheitsvertretung brauchten. Jetzt ist sie noch auf dem Hof ihrer Eltern tätig. Doch nur in der Freizeit, da die junge Landwirtin sich zur Agrartechnikerin weiterbildet. Von der RTL-Show „Bauer sucht Frau“, die am 26. Oktober in die nächste Runde geht, hält Julia Jäger nicht viel. Warum? Das erklärt sie im Interview mit Gabriel Bock.
Frau Jäger, was denken Sie über die TV-Sendung „Bauer sucht Frau“?
Ich finde das furchtbar. Da werden Landwirte, da wird der ganze Berufsstand in den Dreck gezogen und komplett falsch dargestellt. Die werden gezeigt, als wären sie alle altbacken, Muttersöhnchen und dreckig. Oft haben die Kandidaten zwei Ziegen und fünf Gänse und das sollen dann Landwirte sein. Häufig sind das alte, kleine Betriebe, die nicht mehr repräsentativ sind, auch wenn in der letzten Zeit wohl auch größere dabei waren. So richtige Landwirte sind das nicht, eher Hobbybauern.
Wo ist denn der Unterschied zwischen Realität und Sendung?
Zum einen finde ich, „Bauer sucht Frau“hört sich schon so an, als würden Bauern nie eine Frau finden. Die Bauern bei RTL sind meistens allein oder leben bei ihrer Mutter. Die haben teilweise keinen Sozialkontakt und kein Familienleben. Das ist komplett anders. Die meisten Landwirte sind sozial unterwegs und engagiert. Außerdem zeigt die Sendung die
Bauern immer nur in alten Buden, nicht renoviert und dreckig. Ich kenne aber viele Landwirte, die in einem neuen Haus wohnen, meistens weg vom Stall. Dem Haus sieht man auch nicht mehr an, dass da ein Bauer drin wohnt, das ist oft neu, modern und ordentlich ausgestattet. Auch die Tierhaltung ist einfach komplett anders. Die Landwirte in der Sendung haben zum Beispiel gerade mal fünf Kühe. Richtige Betriebe, die mit viel Milchvieh gut aufgestellt sind, zeigt RTL gar nicht. Die meisten Landwirte in der Sendung sind richtige Krauter oder werden so dargestellt, als wären sie das. Ganz viel ist in der Show ja auch gespielt.
Bei RTL geht es immer viel ums Stall-Ausmisten. Wie geht es Ihnen, wenn Sie sehen, wie die Arbeit da gezeigt wird?
Das wird so gezeigt, als wenn die Damen auf den Höfen sofort in die Scheiße und misten müssen. Wahrscheinlich wegen des Spaßfaktors, weil das für jemanden, der aus der Stadt kommt, eine Überwindung ist. Ich habe schon den Eindruck, dass bei „Bauer sucht Frau“fast nie gemolken wird oder Arbeit auf dem Acker gezeigt wird. RTL nimmt halt das, was man nehmen kann, um sich lustig zu machen. Das ist schade, man könnte da ja so viel mehr zeigen. Die meisten Teilnehmer werden so dargestellt, als wären sie ungepflegt, würden stinken, sich nicht waschen und hätten fünf Tage das Gleiche an und setzten sich in Stallkleidung an den Küchentisch. Klar, so Leute gibt es noch, aber das ist unter den Landwirten nicht mehr normal.
Ist es für Sie verständlich, dass RTL da versucht, mit Klischees zu arbeiten?
Teilweise schon. Die Leute gucken das ja deshalb, weil sie sehen wollen, wie sich andere blöd anstellen. RTL hätte natürlich nicht die Einschaltquoten, wenn sie die Arbeit in der Landwirtschaft zeigen würden, wie sie ist.
„Bauer sucht Frau“ist ja zumindest vordergründig eine Partnervermittlung, brauchen Landwirte das?
Schwieriges Thema (lacht)! Ich habe schon die Erfahrung gemacht, dass sich vielleicht manche Landwirte schwerer tun, ich würde aber nicht sagen, dass das am Beruf liegt. Vielleicht bist du als Landwirt ein bisschen anders aufgewachsen, oder wenn du viel Arbeit hast, kann es schon sein, dass du schwieriger eine Frau findest, weil das die meisten nicht mehr mitmachen wollen. Aber an sich brauchen Landwirte keine Partnervermittlung. Ich habe einen Fall mitgekriegt, da hat der Schwiegervater seiner Schwiegertochter ein Paar Stiefel zum Geburtstag geschenkt, mit der Botschaft: „Jetzt siehst du, was hier Sache ist, fang an zu arbeiten.“Dass dann eine Frau wegläuft, sehe ich auch ein. Mittlerweile ist es aber oft so, dass die Frauen auch von Anfang an sagen „Ich grenze das ab. Ich bin zwar deine Frau, aber mit der Landwirtschaft will ich nichts zu tun haben.“Die machen dann oft ihr eigenes Ding, das funktioniert ja auch.
Wenn RTL jetzt Sie bitten würde, etwas an der Show zu ändern, was sollten die tun?
Die sollten große Betriebe und Haupterwerbslandwirte in die Show nehmen. Auch Vorzeige-Betriebe und nicht nur die, die arbeiten wie vor 80 Jahren. Was ich cool fände, was aber nicht passieren wird, das wäre, am Rande etwas einzubringen, wie Landwirtschaft wirklich läuft. Da gehört Flexibilität beim Wetter dazu, Buchhaltung und man muss die Nährstoffbilanz seiner Äcker im Griff haben. Vielleicht könnten die Landwirte ja auch einfach mal eine Jeans und ein Hemd anziehen und müssen nicht den ganzen Tag rumrennen wie der letzte Depp.