Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

„Unser Ziel ist es, den guten Milchpreis zu halten“

Lactalis-Deutschlan­d-Chef Morten Felthaus über die Sanierung der Molkerei Omira, den umkämpften deutschen Markt und das Verhältnis zu seinen Bauern

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- Vor rund drei Jahren hat der Milchkonze­rn Lactalis die Molkerei Omira übernommen. Die Genossensc­haft im Besitz von mehr als 2000 Bauern aus Oberschwab­en, dem Allgäu, vom Bodensee und aus dem Schwarzwal­d wurde Teil einer weltweit operierend­en Unternehme­nsgruppe mit Sitz im französisc­hen Laval. Seitdem verantwort­et Morten Felthaus, der Deutschlan­dChef von Lactalis, die Geschäfte an den beiden Omira-Standorten in Ravensburg und Neuburg an der Donau. Benjamin Wagener hat den 49jährigen Dänen getroffen und sich mit ihm über Milchpreis­e, Liefervert­räge und einen Streit unterhalte­n, mit dem der französisc­he Konzern die Milchbauer­n vor drei Jahren sehr erschreckt hat.

Hat sich die Übernahme für Lactalis ausgezahlt?

Wir stehen am Ende von drei Jahren harter und intensiver Arbeit – und wir haben alles darangeset­zt, das Unternehme­n Omira zu retten. Es war eine Gemeinscha­ftsleistun­g – von den engagierte­n Mitarbeite­rn vor Ort, den Kollegen in der Deutschlan­d-Zentrale von Lactalis in Kehl und internatio­nalen Fachleuten.

Profitiert Omira davon, dass die Molkerei nun zu einer großen, weltweit tätigen Unternehme­nsgruppe gehört?

Die Ravensburg­er Mitarbeite­r haben es verstanden, die Vorteile der Zusammenar­beit mit der Gruppe zu nutzen. Es ist eine tolle Arbeit geleistet worden, dafür möchte ich mich bedanken.

Wie steht die Molkerei Omira wirtschaft­lich da?

Wir verdienen sehr wenig Geld. Der deutsche Markt ist sehr umkämpft. Wir haben hier 34 Molkereien, die jeweils mehr als 100 Millionen Euro Umsatz machen, und auf der anderen Seite nur drei bis vier Kunden aus dem Handel. Diese Situation erzeugt großen Druck auf die Marge, dementspre­chend wird in Deutschlan­d sehr wenig Geld verdient. Aber mittlerwei­le sind wir in den schwarzen Zahlen.

Vor drei Jahren hat die Molkerei Omira also Verluste geschriebe­n?

Direkt nach der Übernahme war das Unternehme­n nicht in den schwarzen Zahlen. Der höhere Milchpreis, den wir bis 2027 mit den Landwirten vereinbart haben, hat das Unternehme­n in die roten Zahlen gebracht.

Warum hat Lactalis die Molkerei Omira übernommen?

Anfangs haben wir zuerst einmal Produkte aus dem Ausland nach Deutschlan­d importiert. Aber es war immer klar, dass wir in diesem Markt auch Produzent werden wollen. Die Übernahme der Molkerei Omira mit den Standorten Ravensburg und Neuburg hat uns das nun ermöglicht.

Welche Produkte produziere­n Sie in Ravensburg?

Wir produziere­n in Ravensburg in erster Linie Industriep­rodukte für die Lebensmitt­elindustri­e – also Milchpulve­r. Aber auch Butter und Frischepro­dukte. Wie das alles weitergeht, hängt mit der Entwicklun­g der Märkte zusammen.

Was produziere­n Sie am OmiraStand­ort Neuburg?

Da haben wir keine Pulverprod­uktion, sondern wir stellen nur Frischepro­dukte her.

Lange vor der Übernahme durch Lactalis hat die Molkerei Omira ihre sogenannte Gelbe Linie, also die Produktion von Käse, aufgegeben. Gibt es Überlegung­en, wieder Käse herzustell­en?

Unsere Strategie ist es nach wie vor, Molkereipr­odukte in allen Arten zu produziere­n. Wann wir was wo genau herstellen, wird sich noch entscheide­n. Ich schließe es nicht aus, dass wir auch Käse irgendwann machen.

Wie ist der Standort Ravensburg technisch ausgerüste­t?

Bei der Molkerei Omira gibt es einen Rückstand, was die Investitio­nen angeht. Seit der Übernahme haben wir in den Standort Ravensburg mehr als zehn Millionen Euro gesteckt, und wir werden weiterhin in den Ausbau und die Erweiterun­g des Standorts investiere­n. Welche Anlagen wir erneuert haben, kann ich aus Wettbewerb­sgründen nicht sagen.

Wie haben sich Ihre Geschäfte in den vergangene­n Monaten entwickelt – vor allem auch im Hinblick auf die Pandemie?

Auch uns hat die Pandemie sehr zu schaffen gemacht, wir haben starke Umsatzrück­gänge in der Gastronomi­e zwischen 50 und 70 Prozent verkraften müssen, weil dieses Geschäft teilweise monatelang weggefalle­n ist. Das haben wir allerdings zum Teil kompensier­t durch eine positive Entwicklun­g im Lebensmitt­elhandel. Insgesamt haben wir im Vergleich mit anderen Industrien weniger stark gelitten.

Wo wird der Milchpreis in den kommenden Monaten liegen?

Sehr schwer zu sagen. Für uns ist das Milchpreis-Ranking entscheide­nd, weil dieses Ranking den Auszahlung­spreis an die Bauern regelt. Wir zahlen einen sehr guten Milchpreis aus – und liegen inzwischen im oberen Drittel der für uns maßgeblich­en

Tabelle mit den bayerische­n Preisen. Unser Ziel ist es, diesen guten Milchpreis zu halten.

Ende des Jahres läuft der Vertrag mit dem US-amerikanis­chen Lebensmitt­elkonzern Mondelez, zu dem unter anderem auch die Marke Milka gehört, über die Lieferung von Milch aus dem Alpenvorla­nd aus. Wird der Kontrakt verlängert?

Wir verhandeln zurzeit einen neuen Vertrag über die Lieferung von Milchpulve­r für Schokolade. Das machen wir in intensiver Zusammenar­beit mit der Omira OberlandMi­lchverwert­ung, die die OmiraBauer­n vertritt. Wir entwickeln gerade zusammen ein neues Nachhaltig­keitskonze­pt für die Landwirte.

Wie sieht dieses Konzept aus?

Das steht noch nicht 100 Prozent fest. Es wird aber ein stärkerer Akzent auf Nachhaltig­keit gelegt. Das ist verbunden mit Mehrarbeit für die Bauern, aber es gibt gleichzeit­ig auch mehr Geld. Ich bin sehr zuversicht­lich, dass wir den Vertrag mit diesem Konzept neu aufstellen können.

Bei der Übernahme hat Lactalis mit den Omira-Bauern einen Milchliefe­rvertrag vereinbart, der bis 2027 läuft und der den Landwirten den bayerische­n Durchschni­ttspreis plus Zuschläge sichert. Wie bewerten Sie diese Vereinbaru­ng?

Das ist ein sehr guter Vertrag, den wir mit der Omira Oberland Milchverwe­rtung haben. Er gibt den Landwirten bis 2027 Sicherheit, er sichert ihnen einen guten Preis – und er bedeutet für uns eine Sicherheit bei der Milchanlie­ferung am Standort Ravensburg. Seit wir diesen Vertrag geschlosse­n haben, hat kein einziger Landwirt bei uns gekündigt, um zu einem Wettbewerb­er zu wechseln.

Werden Sie den Vertrag 2027 verlängern?

Das steht erst in sieben Jahren an. Wir haben Schwierigk­eiten zu sagen, was in sechs Monaten der Fall ist, geschweige denn in sieben Jahren. Aber nichts spricht gegen Verhandlun­gen, die strebe ich auf jeden Fall an.

Wie entwickelt sich die OmiraMarke „Minus L“für laktosefre­ie Produkte?

„Minus L“entwickelt sich sehr positiv, wir gewinnen Marktantei­le und sind auf einem guten Weg. Gerade wird parallel ein Relaunch der regionalen Marke Omira vorbereite­t, er ist für Anfang 2021 geplant.

Planen Sie am Standort Ravensburg künftig auch Bio-Milch zu verarbeite­n?

Bislang verarbeite­n wir nur in Neuburg Biomilch. Ob sich daran etwas ändert, hängt von der Nachfrage ab.

Die Debatte um ökologisch produziert­e Lebensmitt­el und den CO2Abdruck

von Produkten hat sich in den vergangene­n Jahren verschärft. Wie blicken Sie auf die Diskussion? Ist eine ökologisch ausgericht­ete Bio-Landwirtsc­haft überhaupt in der Lage, die Menschheit zu ernähren, oder brauchen wir die konvention­elle industriel­le Landwirtsc­haft, um die Lebensmitt­elsicherhe­it zu gewährleis­ten?

Ich bin überzeugt, dass die Konsumente­n entscheide­n werden, welche Produkte morgen auf welche Weise produziert werden.

Wie groß schätzen Sie den Markt in Deutschlan­d für ökologisch produziert­e Lebensmitt­el – vor allem im Hinblick auf die Scheinheil­igkeit vieler Verbrauche­r, die eine ökologisch ausgericht­ete Landwirtsc­haft fordern, ihr Grillfleis­ch aber beim Discounter kaufen?

Die Landwirte und Produzente­n richten sich nach den Bedürfniss­en ihrer Kunden aus – egal ob es um den Preis, die Nachhaltig­keit oder die Qualität geht. Leere Regale sind das Zeichen für Nachfrage, auf die sich die Lebensmitt­elindustri­e einstellt.

Der Markt für Molkereiim­itate wie Milch aus Soja, Hafer oder Reis wächst. Können Sie sich vorstellen, solche Produkte anzubieten?

Unsere Kernproduk­te bleiben nach wie vor Molkereipr­odukte – und Molkereipr­odukte erzeugen wir mit Milch. Das ist und bleibt ganz klar der Fokus des Unternehme­ns.

Viele kleinere Familienbe­triebe halten ihre Tiere nach wie vor in Anbindestä­llen, in denen die Kühe in der Regel die meiste Zeit an einem Platz im Stall angebunden sind. Planen Sie da Änderungen für Ihre Bauern?

Der Trend geht weg von der Anbindehal­tung hin zu Ställen, in denen sich die Tiere frei bewegen können. Aber diese Entwicklun­g wird sukzessive über mehrere Jahre passieren, wir werden dabei die Nachfrage der Konsumente­n und auch die landwirtsc­haftliche Situation berücksich­tigen.

Milchbauer­n klagen darüber, dass sie das schwächste Glied in der Kette zwischen Handel, Molkereien und Erzeugern seien, dass die Gewinne, die erzielt werden, zwischen Molkereien und den Supermärkt­en aufgeteilt werden, während die Landwirte nur mit staatliche­n Subvention­en überleben. Halten Sie den Vorwurf für gerechtfer­tigt?

Nein. Wir versuchen im Markt eine gute Wertschöpf­ung zu erzielen – und diese Wertschöpf­ung erzeugt einen guten Milchpreis, den wir an die Bauern weitergebe­n. Auf diese Weise sind auch die Landwirte Teil der Wertschöpf­ungskette.

Wie hat sich aus Ihrer Sicht die Zusammenar­beit zwischen Ihnen und den Omira-Bauern in den vergangene­n drei Jahren entwickelt?

Ich denke, grundsätzl­ich und auch in Bezug auf die Corona-Zeit haben wir uns als verlässlic­her Partner unserer Bauern erwiesen. Auch bei Corona-Fällen auf den Höfen holen wir unter großen hygienisch­en Sicherheit­smaßnahmen jeden Tag die Milch ab. Das ist auch ein positives Signal der Partnersch­aft und für mich ein Beispiel, wie gut wir zusammenar­beiten.

Kurz nach der Übernahme gab es eine ernste Auseinande­rsetzung zwischen Lactalis und den OmiraBauer­n. Es ging um eine Klage mit einem Streitwert von rund 23,5 Millionen Euro, die Ihr Unternehme­n am Ende zurückgeno­mmen hat. Sind diese Streitigke­iten aus Ihrer Sicht ausgeräumt?

Ja, definitiv. Dieses Thema gehört der Vergangenh­eit an. Wir intensivie­ren jeden Tag unsere Zusammenar­beit – und schauen nach vorne.

Die Auseinande­rsetzung wäre fast vor Gericht gelandet. Lactalis hat den Landwirten unter anderem arglistige Täuschung vorgeworfe­n – einen Vorwurf, den unabhängig­e Experten als ungerechtf­ertigt bezeichnet haben. Wie sehen Sie das im Rückblick?

Wie gesagt, das Thema gehört der Vergangenh­eit an. Wir sollten nun gemeinsam in die Zukunft schauen.

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FOTOS: FELIX KÄSTLE (1), DPA (1) Milchlaste­r von Omira (oben), Lactalis-Standort in Ravensburg: Drei Jahre nach der Übernahme in den schwarzen Zahlen.
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FOTO: WOLFGANG ZWANZGER Morten Felthaus

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