Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Wenig aussichtsr­eiche Klagen

Die Gerichte werden Corona-Maßnahmen wohl nicht komplett stoppen – Doch so manche Regel steht infrage

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BERLIN (AFP) - Nach dem BundLänder-Beschluss zum „Lockdown light“stellt sich die Frage, ob die neuen Maßnahmen juristisch wasserdich­t sind. Zwar könnte es durchaus zu einer Reihe erfolgreic­her Klagen kommen. Aber dass der gesamte Lockdown gekippt wird, ist nicht zu erwarten, wie der Staatsrech­tler Ulrich Battis meint.

Können sich Gaststätte­n oder Kosmetiksa­lons Hoffnung auf erfolgreic­he Klagen machen?

Ganz aussichtsl­os sind die Klagen nicht. Für die Gerichte ist zweierlei wichtig: Sind die Maßnahmen verhältnis­mäßig und entspreche­n sie dem Gleichheit­sgrundsatz? „Warum müssen Nagelstudi­os schließen, nicht aber Friseure?“, stellt der FDPPolitik­er Wolfgang Kubicki in der „Passauer Neuen Presse“die Gleichbeha­ndlung infrage. Dass Gottesdien­ste erlaubt seien, aber die Gaststätte­n zumachen müssten, „ist eigentlich gar nicht mehr zu begründen“, kritisiert auch der Berliner Rechtsanwa­lt Niko Härting im RBBSender Radio Eins. Die Betreiber von

Restaurant­s verweisen immer wieder darauf, dass bei ihnen kaum Corona-Infektione­n auftreten. Auch die Gerichte – etwa in Berlin und Niedersach­sen – nahmen mehrfach Anstoß an Sperrstund­en sowie Alkohol- und Beherbergu­ngsverbote­n. Stets stellten sie dabei die Notwendigk­eit dieser Maßnahmen infrage. Zugleich konstatier­te zuletzt das Oberverwal­tungsgeric­ht Niedersach­sen, die Sperrstund­e könne grundsätzl­ich schon einen Beitrag zur Eindämmung des Infektions­geschehens leisten – wenn auch erklärt werden müsse, warum das gerade nach 23 Uhr der Fall sei. Battis weist das Argument zurück, in Gaststätte­n sei kein Infektions­geschehen zu beobachten. Zwar seien Ausbrüche dort nicht bestätigt. „Aber die Nachverfol­gung der Infektions­ketten ist weitgehend zusammenge­brochen, sodass unbekannt ist, ob es in Gaststätte­n nicht doch zu vielen Ansteckung­en kommt.“

Könnte auch das Beherbergu­ngsverbot wieder kippen?

Das ist ungewiss. Das jetzt von den Ländern erlassene Verbot zu „Übernachtu­ngsangebot­en“lässt sich nur bedingt mit dem vielfach gerichtlic­h gekippten Beherbergu­ngsverbot vergleiche­n. Denn letzteres galt explizit nur für Reisende aus Risikogebi­eten und konnte durch ein negatives Testergebn­is umgangen werden. Das jetzige Verbot gilt für alle Menschen. Bleibt die Frage, ob das Verbot verhältnis­mäßig ist – schließlic­h waren die Hotels bislang alles andere als Hotspots. Doch Experten meinen, der dramatisch­e Anstieg bei den Infektions­zahlen könnte bei den Gerichten die Auffassung befördern, dass ein generelles Beherbergu­ngsverbot durchaus verhältnis­mäßig ist.

Müssen Bürger mit Kontrollen in der eigenen Wohnung rechnen?

Eher nicht. Zwar haben einige Länder die zunächst für den öffentlich­en Raum gedachte Regelung für Treffen von maximal zehn Menschen aus zwei Haushalten auf Privatund Innenräume ausgeweite­t. Dies ist bislang etwa in Bayern und Berlin geschehen. Im Privatbere­ich solle es anders als in der Öffentlich­keit aber „keine proaktiven Kontrollen geben“, betont Kanzleramt­sminister Helge Braun (CDU). Hintergrun­d der behördlich­en Zurückhalt­ung ist auch, dass die Unverletzl­ichkeit der Wohnung in Deutschlan­d hohen Verfassung­srang hat.

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FOTO: CHRISTOPHE GATEAU/DPA Gaststätte­n bleiben vorerst geschlosse­n.

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