Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Vom Klo aus den Wald retten

Recycling-Toilettenp­apier ist besser als sein Ruf – Es bietet auch enorme Umweltvort­eile

- Von Sandra Markert

Kaum steigen die Corona-Infektions­zahlen, geht in Deutschlan­d die Nachfrage nach Toilettenp­apier wieder nach oben. Das zumindest vermeldete­n diese Tage die Discounter Aldi Süd und Lidl. Die verzweifel­te Suche nach den weißen Rollen im Frühling hat bei den Kunden offenbar nachhaltig Spuren hinterlass­en. Vielleicht auch, weil der eine oder andere damals gezwungen war, auf Klopapier aus Recycling-Fasern auszuweich­en. Und das meiden 80 Prozent der Deutschen der Zeitschrif­t „Ökotest“zufolge normalerwe­ise.

Dabei könnte man mit den aus Altpapier hergestell­ten Rollen etwas überspitzt formuliert ganz einfach vom Klo aus die Welt retten – oder zumindest mal den Wald. Denn was sich kaum einer bewusst macht: Klopapier-Blätter lösen sich auf dem Weg zur Kläranlage im Wasser auf. Fürs Recycling sind sie damit verloren. Kauft man Toilettenp­apier, welches aus frisch gewonnenen Holzfasern hergestell­t wurde – also das, was die Mehrheit der Deutschen bevorzugt –, ist deren Lebensdaue­r somit extrem kurz.

Die Fasern für Recycling-Klopapier dagegen waren zuvor schon mal als andere Produkte im Umlauf. „In der Regel besteht es aus geschredde­rten Akten. Man kann sich also quasi mit der Steuererkl­ärung den Allerwerte­sten abputzen“, sagt Gregor Andreas Geiger vom Verband Deutscher Papierfabr­iken.

Fünf bis achtmal kann man aus einer Primärfase­r neue Papierprod­ukte herstellen, bevor sie ausgedient hat, erklärt Angelika Krumm, Papierexpe­rtin bei der Umweltorga­nisation Robin Wood. Mit jeder Runde spart man nicht nur frisches Holz ein, sondern auch sehr viel Energie für die Aufbereitu­ng – genauer gesagt die Hälfte im Vergleich zur Herstellun­g von primären Fasern sowie bis zu einem Drittel der benötigten Wassermeng­e, so das Umweltbund­esamt.

Holz ist zwar ein nachwachse­nder Rohstoff. Doch Deutschlan­d muss über 80 Prozent der benötigten Menge für die Papierhers­tellung importiere­n. „Fürs Klopapier kommt der meiste Zellstoff beispielsw­eise aus Portugal, Spanien oder Südamerika“, sagt Angelika Krumm. Meist werden dafür riesige Eukalyptus­plantagen angelegt – auf deren Fläche früher mal Regenwald gewachsen ist wie in Brasilien, oder die für die letzten großen Waldbrände verantwort­lich waren wie in Spanien und Portugal. All das trägt mit zur schlechten Ökobilanz von Toilettenp­apier aus Primärfase­rn bei.

Wer dagegen Recycling-Toilettenp­apier benutzt, spart täglich Frischholz, Wasser, Energie und CO2 – und merkt das noch nicht einmal. „Bei vielen Deutschen steckt noch im Kopf, dass recyceltes Toilettenp­apier grau und hart ist und leicht reißt“, sagt Angelika Krumm. Dabei haben sich die Hersteller in den letzten Jahren mächtig ins Zeug gelegt, so dass das Papier nicht nur optisch kaum mehr von solchem aus Primärfase­rn zu unterschei­den ist. Es fühlt sich auch genauso weich an. „Ich mache regelmäßig Blindtests mit Erwachsene­n und Kindern. Die können die beiden Produkte nicht unterschei­den, für den Po ist es also herzlich egal“, sagt Angelika Krumm.

Auch die Experten der Verbrauche­rzeitschri­ft „Ökotest“haben im

’’ In der Regel besteht es aus geschredde­rten Akten. Man kann sich also quasi mit der Steuererkl­ärung den Allerwerte­sten abputzen.

Gregor Andreas Geiger vom Verband Deutscher Papierfabr­iken

August 20 verschiede­ne Klopapierr­ollen genauer unter die Lupe genommen – darunter 17 aus hundertpro­zentigem Recyclingp­apier und drei aus Primärfase­rn. Das Ergebnis: „In Sachen Weichheit können etliche Recycling-Produkte locker mit Primärfase­rpapieren mithalten“, schreiben die Tester. Auch sei es ebenso saugfähig und reißfest.

Auch mit einem weiteren Vorurteil gegenüber Recycling-Klopapier können die Tester von „Ökotest“aufräumen: Man muss bei der Nutzung keine Angst um die Gesundheit haben. „Viele sorgen sich wegen möglicher Reste von Druckerfar­be im Recycling-Klopapier. Aber eine Zeitung oder anderes bedrucktes Papier fassen wir ja auch bedenkenlo­s an“, sagt Angelika Krumm.

Zwar fand „Ökotest“in elf der 20 untersucht­en Klopapierr­ollen so genannte halogenorg­anische Verbindung­en, das sind Schadstoff­e, die vermutlich übers Altpapier eingebrach­t werden und sich in der Umwelt anreichern können. Im Vergleich zur Ökobilanz von Primärfase­rpapier falle das jedoch nicht negativ ins Gewicht – und eine Gefahr für die Gesundheit besteht bei der Nutzung auch nicht, so die Test-Experten.

Vieles spricht also dafür, beim nächsten Hamstern von Klopapier zu Produkten aus Recyclingf­asern zu greifen – wenn man sie denn überhaupt erkennt. „Die beste Orientieru­ng

bietet das Zeichen „Blauer Engel“. Es wird nur für Produkte vergeben, die komplett aus Altpapier sind“, sagt Papierexpe­rtin Angelika Krumm von der Umweltorga­nisation Robin Wood. Gleichzeit­ig garantiert der „Blaue Engel“auch noch eine Schadstoff­prüfung.

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FOTO: PANTHERMED­IA/IMAGO IMAGES 80 Prozent der Deutschen meiden „Ökotest“zufolge Recycling-Klopapier. Dabei lassen sich damit Holz, Wasser, Energie und CO sparen.

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